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# taz.de -- Migrant*innen in Deutschland: Neue türkische Welle
> Türkische Familien, die seit Jahrzehnten in Deutschland sind, wollen
> neuen Migrant*innen mit Erfahrungswissen helfen. Das kann verwirren.
Bild: Die Forderung des „NSU-Tribunals“ ist klar
Alle sind durcheinander im Kopf. Ich auch. Die Neuankömmlinge aus der
Türkei werden in Berlin „New Wave“ genannt. Wie diejenigen genannt werden,
die schon lange hier sind, weiß ich beim besten Willen nicht. Als ich noch
in Istanbul lebte, nannten wir dort die in Deutschland lebenden
türkeistämmigen Migrant*innen immer [1][„Almancı“, das heißt so viel wie
Deutschländer*innen.]
Als wir dann herkamen, wurde uns beigebracht, dass man das Wort besser
nicht sagt. Die Medien, die von Deutschland aus türkischsprachige Inhalte
produzieren, sprechen auf Türkisch von „türkeistämmigen Migrant*innen“.
Vielleicht können wir einfach von „Alten“ und „Neuen“ sprechen? Ich gl…
ja, dass die korrekteste Ausdrucksweise sich mit der Zeit im Sprachgebrauch
einfach durchsetzen wird.
Als ich neu herkam, versuchte ich mich in der türkeistämmigen Community
sozial heimisch zu machen. Es war seltsam: Zu Beginn interessierten sich
die Menschen aus der Community der „Alten“ brennend für uns. Sie wollten
sich ausführlich mit uns unterhalten und fragten nach vielen intimen
Details aus unserem Leben. Mir fiel insbesondere ins Auge, was sie uns in
diesen Unterhaltungen über die Deutschen sagten. [2][Die meisten Türk*innen
und Kurd*innen sagten, die deutsche Gesellschaft sei sehr rassistisch.]
Da war ich durcheinander. Was ich in den Deutschen sah, waren
außerordentlich tolerante, freundlich lächelnde und hilfsbereite Menschen.
Sympathisch. Selbstverständlich mit einem gewissen Anteil an Idioten unter
ihnen. Proportional ungefähr so vielen, wie es sie überall auf der Welt in
jedem Land gibt. Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie richtig es ist,
wegen der Idioten zu sagen, dass die Gesellschaft rassistisch ist.
## Jede*r sollte jede*n kritisieren dürfen
Was ich verstanden habe, ist, dass die „Alten“ viele bittere Erfahrungen
machen und sich an allen möglichen Formen von Ungleichheit abkämpfen
mussten und uns „Neuen“ mit ihrem Erfahrungswissen helfen wollten.
Gleichzeitig kam es mir so vor, als wäre die Kritik an Freund*innen,
Nachbar*innen und Kolleg*innen, mit denen man jahrelang zusammengelebt hat,
ein bisschen ungerecht. Ich hoffe, ich irre nicht.
Aber es gab noch etwas anderes, was mich traurig gemacht hat: Wenn ich als
eine „Neue“ etwas an den „Alten“ kritisieren wollte, hieß es schnell:
„Vorsicht! Nicht kritisieren!“ Nanu? Hast du nicht gerade die Deutschen
kritisiert? Warum dürfen wir dich nicht kritisieren? Weil es sofort
Rassismus ist, wenn man eine türkeistämmige Person kritisiert? Möchtest du
noch ein bisschen Sauce dazu? Kann ich sonst noch was für dich tun?
[3][Jede*r sollte jede*n kritisieren dürfen.] Und zwar nicht entlang der
Kategorien Deutsche*r, Alte und Neue, sondern als Menschen, die miteinander
leben. Gute Menschen sind gut und schlechte Menschen sind schlecht, egal
woher sie kommen.
Und euch alle küsse ich an euren entlegensten Körperstellen, liebe
Leser*innen.
7 Nov 2019
## LINKS
[1] /Interview-mit-Tuerkland-Autorin/!5597719
[2] /Rapperin-Ebow-ueber-Identitaet/!5621512
[3] /Kommentar-Boehmermann-Verfahren/!5345877
## AUTOREN
Michelle Demishevich
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
türkische Medien
Lost in Trans*lation
Migration
Integration
Türkische Gemeinde in Deutschland
Lost in Trans*lation
Deutschtürken
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