# taz.de -- Studie zu #Metoo am Arbeitsplatz: Schmierige Blicke | |
> Jede elfte ArbeitnehmerIn berichtet über sexuelle Belästigung am | |
> Arbeitsplatz. Häufig kommt es dazu in der Gesundheits- und Sozialbranche. | |
Bild: Oft erleben junge und unerfahrene KollegInnen Belästigungen am Arbeitspl… | |
BERLIN taz | Etwa jede elfte arbeitende Person in Deutschland hat in den | |
vergangenen drei Jahren [1][sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz] erlebt. | |
Frauen sind fast dreimal so häufig betroffen wie Männer. So berichten rund | |
13 Prozent der Frauen über Erfahrungen mit Belästigung, bei den Männern | |
waren es fünf Prozent. Das sind zentrale Ergebnisse einer breit angelegten | |
Studie im Auftrag der [2][Antidiskriminierungsstelle des Bundes], die am | |
Freitag in Berlin vorgestellt wurde. | |
In den meisten Fällen haben die Betroffenen von unangemessenen Kommentaren | |
und belästigenden Blicken und Gesten berichtet. Fast jede dritte betroffene | |
Person fühlte sich von unangemessen intimen oder sexualisierten Fragen | |
bedrängt, fast jede Vierte klagte über unerwünschte Berührungen oder | |
Annäherungen. Elf Prozent berichteten von Begegnungen, bei denen sie zu | |
sexuellen Handlungen aufgefordert worden seien, in Einzelfällen war es auch | |
zu Erpressung oder körperlicher Nötigung gekommen. | |
82 Prozent der Befragten gaben an, von Männern belästigt zu werden, bei den | |
befragten Frauen waren es 98 Prozent. Betroffene erleben oft mehrere Fälle | |
von Belästigung im Betrieb, nicht einmaliges Fehlverhalten. | |
Es muss nicht unbedingt ein Machtverhältnis zwischen oben und unten sein, | |
das zu sexueller Belästigung führt – eine Erkenntnis, die die ForscherInnen | |
überrascht hat. „Die belästigenden Personen sind weitgehend KundInnen und | |
PatientInnen“, sagte Monika Schröttle, die Leiterin der Studie. Bei 53 | |
Prozent war das der Fall, besonders betroffen seien dabei Personen aus der | |
Gesundheits- und Sozialbranche und Dienstleistungsberufe. „Dabei sind | |
durchaus auch Männer betroffen“, so Schröttle. | |
## Nur ein Prozent reagiert mit rechtlichen Schritten | |
Oft sind es auch gleichgestellte KollegInnen, die zu weit gehen. In 19 | |
Prozent der Fälle war es der oder die Vorgesetzte, der oder die übergriffig | |
wurde. Besonders betroffen seien auch junge Menschen mit wenig | |
Berufserfahrung oder PraktikantInnen und Azubis, die nicht langfristig in | |
den Betrieb eingebunden sind. „Sie sind strukturell schwächer und haben | |
weniger Erfahrung, wie sie sich zur Wehr setzen können“, sagte Schröttle. | |
Häufig wehren sich Betroffene verbal gegen Belästigungen. Lediglich 23 | |
Prozent der Befragten haben eine Beschwerde eingereicht, nur ein Prozent | |
reagierte mit rechtlichen Schritten. Für Betroffene sei es schwierig, | |
weitgehender zu reagieren, wenn sie zum Beispiel in kleineren Betrieben | |
arbeiten oder in Abhängigkeitsverhältnissen stehen, so Schröttle. „Das | |
meiste wird im Betrieb nicht angesprochen.“ Gründe dafür seien: „Die Angst | |
unzureichender Anonymität und negativer Folgen, wenn sie sich an Dritte | |
wenden, und der Versuch: Irgendwie werde ich es selber lösen.“ | |
Die AutorInnen der Studie fordern aus diesem Grund mehr externe | |
Beratungsstellen. Sie schlagen weiterhin vor, die Fristen zu verlängern, um | |
gesetzliche Ansprüche geltend zu machen oder zu klagen. Derzeit haben | |
Betroffene jeweils zwei und drei Monate Zeit, um zu handeln. Das sei zu | |
wenig, wenn man berücksichtige, dass die Betroffenen die Erfahrungen | |
überhaupt auch verarbeiten müssten und Zeit brauchten, um sich | |
Unterstützung und Rechtsbeistand zu holen. Die AutorInnen schlagen daher | |
eine Frist von sechs Monaten vor. | |
## Die ChefInnen müssen handeln | |
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, anhand der | |
Studienergebnisse zu überlegen, „was an diesen Stellen veränderbar“ sei. | |
Sie appellierte an die Frauen sich frühzeitig zu wehren: „Ihr seid nicht | |
das Problem, ihr müsst das nicht hinnehmen.“ | |
Letztendlich spielen jedoch Führungskräfte der Studie zufolge eine | |
Schlüsselrolle, wenn es darum geht, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu | |
verhindern und zu beenden. Sie hätten es in der Hand, bei Vorfällen zu | |
reagieren oder eine anonyme Beschwerdestelle im Betrieb einzurichten. Es | |
liege an ihnen, sich klar gegen Belästigung und Gewalt zu positionieren und | |
Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So könnten ChefInnen regelmäßig ermitteln | |
lassen, ob sexuelle Belästigung im eigenen Betrieb vorkommt. | |
Laut Studie wissen viele ArbeitnehmerInnen gar nicht, dass es Anlaufstellen | |
für Diskriminierung und Belästigung im Betrieb geben sollte. „Obwohl es die | |
gesetzliche Verpflichtung gibt, dass alle Betriebe Beschwerdestellen haben, | |
haben nur 56 Prozent angegeben: Bei uns gibt es so etwas“, sagte Schröttle. | |
Die WissenschaftlerInnen aus Nürnberg und Bielefeld hatten von Juni 2018, | |
also nach Beginn von #metoo, bis Mai 2019 über 1500 Personen befragt und | |
zahlreiche Gerichtsurteile ausgewertet. | |
25 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Sexuelle-Belaestigung-am-Arbeitsplatz/!5589130 | |
[2] /Jahresbericht-Antidiskriminierung/!5585323 | |
## AUTOREN | |
Simon Schramm | |
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