# taz.de -- Weltmusik-Treffen in Finnland: Von Rai bis Mambo | |
> Die Weltmusik-Messe Womex feierte in Tampere ihre 25. Ausgabe. Eisern | |
> halten die Veranstalter an ihrem fragwürdigen Genrebegriff fest. | |
Bild: Pekko Kappi bei der Eröffnung der Womex 2019 | |
Tampere taz | Für viele klingt der [1][Begriff „Weltmusik“] altbacken und | |
überholt. Doch Womex, die wichtigste Messe der World Music floriert. Im | |
finnischen Tampere ging am Sonntag die 25. Ausgabe zu Ende. An eine | |
Namensänderung denkt die „World Music Expo“ daher nicht. | |
Den Genrebegriff gibt es erst seit 1987. Damals beschlossen Londoner | |
Labelvertreter, Musikproduzenten und Journalisten eine Marketing-Kampagne. | |
Musik aus Afrika, Lateinamerika und Asien sollte fortan in Plattenläden | |
unter dem Oberbegriff „Weltmusik“ sichtbarer werden. Mit Erfolg, in den | |
Neunzigern wurden so etliche Weltmusik-Stars aus der Taufe gehoben: Der | |
Senegalese [2][Youssou N’Dour], der Algerier Khaled und die Israelin Ofra | |
Haza schafften es sogar in die Pop-Charts. Vom Album „Buena Vista Social | |
Club“ aus Kuba wurden 8 Millionen Exemplare verkauft. | |
In dieser Gemengelage entstand auch die [3][Womex]. Bei den Berlin | |
Independent Days hatte es zunächst noch eine Weltmusik-Abteilung gegeben. | |
Ab 1994 machte sich die Womex selbstständig. Im Berliner Haus der Kulturen | |
der Welt trafen sich rund 300 Branchenvertreter, um Plattenverträge | |
auszuhandeln und Touren zu organisieren. Die Womex wuchs schnell. | |
Inzwischen liegt die Teilnehmerzahl stabil bei rund 2.500. Auch in Tampere | |
gibt es die typische Mischung aus Messeständen, Infoveranstaltungen und | |
Showcase-Konzerten, bei denen sich ausgewählte KünstlerInnen präsentieren. | |
Der Begriff „Weltmusik“ war freilich von Beginn an umstritten. Die | |
implizierte Gegenüberstellung von westlichem Mainstream und dem Rest der | |
Welt grenze alles Nichtwestliche als exotisch und randständig aus, so der | |
Vorwurf. Den Protagonisten war die Zwiespältigkeit bewusst, sie nahmen die | |
Kritik aber hin, weil die neue Genre-Bezeichnung nun mal half, Künstlern | |
den Zugang zum europäischen Markt zu erleichtern. | |
## Ein Genre-Name als Belastung | |
Inzwischen ist der Begriff eher zur Belastung geworden. „Wir benutzen das | |
Wort ‚Weltmusik‘ schon lange nicht mehr“, sagt Patrick de Groote vom | |
belgischen Sfinx-Festival, „wir wollen ja, dass auch Besucher unter 40 | |
kommen.“ | |
Die Womex will aber weiter „World Music Expo“ heißen. „Es gibt keine | |
bessere Alternative“, glaubt Womex-Direktor Alexander Walter. Der Begriff | |
„Global Pop“ grenze alle aus, die keinen Pop machen. Auch fehlen aktuelle | |
Phänomene wie K-Pop aus Südkorea bei der Womex. Denn K-Pop wurde gleich so | |
erfolgreich, dass er nicht den Weg über eine Nischen-Messe nehmen musste. | |
Der Schweizer Musikwissenschaftler Thomas Burkhalter brachte vor einigen | |
Jahren den Begriff „Weltmusik 2.0“ ins Spiel. In Zeiten digitaler | |
Produktionsmöglichkeiten gelte das alte Modell von Zentrum und Peripherie | |
nicht mehr. Auch wenn die Rede von Weltmusik damit wieder | |
feuilletonistischen Reiz gewann, will Womex-Chef Walter den Begriff nicht | |
offensiv verwenden, aus profanen Gründen: „2.0 klingt schon wieder | |
altmodisch.“ Allerdings hat sich die Womex zur elektronischen Szene | |
geöffnet und einen Club-Summit integriert, bei dem sich DJs und Produzenten | |
treffen. | |
## Plattenfirmen wurden unwichtiger | |
Im Vergleich zu den Anfängen spielen die Plattenfirmen bei der Womex 2019 | |
keine große Rolle mehr. Diejenigen, die nicht eingestellt wurden, haben | |
sich diversifiziert und übernehmen inzwischen auch das Management und | |
Booking von KünstlerInnen. | |
Im Mittelpunkt der Messe steht heute ganz der Konzertmarkt – das Segment, | |
wo noch viel Geld verdient wird. Festivals und andere Veranstalter buchen | |
Künstler, die MusikerInnen und ihre Agenten stellen Touren zusammen. Stark | |
vertreten sind auch europäische Künstler, von Portugal bis Litauen, die | |
gerne in anderen Ecken des Kontinents auftreten wollen. | |
„Nach 25 Jahren steht die Womex immer noch für Diversität und | |
interkulturellen Dialog“, erklärt Alexander Walter in Tampere, Werte, die | |
auch in den aktuellen Auseinandersetzungen mit Nationalisten und Rassisten | |
eine Rolle spielen könnten. Das führt allerdings nicht dazu, dass nun | |
Weltmusik-Festivals zu Hätschelkindern subventionierter Kulturpolitik | |
werden. Patrick de Groote, der auch im Vorstand des Forum of Worldwide | |
Music Festivals sitzt, glaubt, dass staatliche Finanzierung in diesem Feld | |
vor allem einem Zweck dient – der Exportförderung. | |
30 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Weltmusik/!t5041779 | |
[2] /Saenger-tritt-in-Senegals-Regierung-ein/!5096650 | |
[3] https://www.womex.com/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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