| # taz.de -- Ausstellung im Berliner Projektraum: Irrtümer erwünscht | |
| > Bei der Ausstellung „A ≠ A“ in Berlinzeigen vier Künstlerinnen Werke �… | |
| > Verschiebungen von Wahrnehmungen. Täuschungen sind Teil des Konzepts. | |
| Bild: Objekte aus dem Besitz von Künstlerin Daniela Friebel, ausgestellt im Ke… | |
| BERLIN taz | In der Galerie Oqbo im Schaufenster steht eine Holzwand. Sie | |
| besteht aus zusammengenagelten Holzplatten in verschiedenen Maßen und | |
| Farben, und sie reicht beinahe bis zur Decke. So muss man erst in die | |
| Galerie eintreten, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Doch drinnen | |
| angekommen, entpuppt sich die vermeintliche Wand als eine dreidimensionale | |
| Konstruktion. Dass man sich getäuscht hat, passt jedoch ganz gut zum | |
| Konzept der Ausstellung „A ≠ A“, die aktuell bei Oqbo zu sehen ist. Die | |
| Fragilität der Wahrnehmung des nur scheinbar eindeutig Gegebenen ist das | |
| Thema der Schau, in der die Positionen vier verschiedener Künstlerinnen | |
| vereint sind. | |
| „Nicht wir haben diese Ausstellung kuratiert“, erzählt Julia Ziegler, und | |
| mit „wir“ meint sie das sechsköpfige Künstler*innenkollektiv, das 2008 | |
| [1][Oqbo als „raum für bild wort ton“] im Weddinger Brunnenviertel | |
| gegründet hat und bis heute betreibt. Die vier ausstellenden Künstlerinnen | |
| hätten das Konzept der Schau selbst entwickelt und es bei der Galerie | |
| eingereicht. | |
| Ein der Beteiligten ist die Bildhauerin Gaby Taplick, die ihre | |
| Holzkonstruktion auf die bei Oqbo im Eingangsraum vorhandene Nische | |
| zugeschnitten hat. Die Skulptur ist direkt am Schaufenster platziert, | |
| sodass man nicht um sie herumlaufen kann. Betrachten kann man sie als | |
| Verbindung oder als Trennung, als ein in der Nische des Galerieraums | |
| enthaltenes Objekt oder als eigenständigen Raum, der sich von der Umgebung | |
| abgrenzt. | |
| Auch Malerin Regine Spangenthal hat sich konkret vom Raum inspirieren | |
| lassen, und zwar von zwei quadratischen Fliesen, die wegen ihrer dunkleren | |
| Farbe auf dem Boden hervorstechen. Die Materialität des Ausgangsobjektes | |
| dekonstruiert Spangenthal in einer Serie von Gemälden auf Baumwolle, in | |
| denen sie das quadratische Motiv und die dunkelgraue Farbe variiert. Von | |
| den ursprünglichen Fliesen bleibt am Ende des Übersetzungsprozesses in die | |
| Malerei nicht viel übrig, doch man muss nur den Blick gen Boden richten, um | |
| darauf zurückzukommen. | |
| ## Kunst lebendig vermitteln | |
| Bei Oqbo geht es jedoch nicht nur um den Dialog zwischen Kunst und Raum, | |
| sondern auch um den Raum als Plattform für den Austausch über die Kunst. | |
| „Uns interessiert die lebendige Vermittlung von Kunst. Gespräche, Austausch | |
| und Vielfalt spielen dabei eine wesentliche Rolle“, fasst Ziegler die | |
| Vision des Teams zusammen. | |
| Am Eröffnungsabend von „A ≠ A“ herrscht eine unaufgeregte, unhierarchisc… | |
| und familiäre Atmosphäre. Bei Rotwein und Erdnüssen wird gequatscht, | |
| interpretiert und gefragt. Mit Nachlässigkeit ist das keineswegs zu | |
| verwechseln. Es geht hier um den Abbau von einschüchternden Abständen, ein | |
| Ziel, das Oqbo schon länger mit seinem vielleicht bekanntesten Projekt, dem | |
| [2][Paperfile], verfolgt. Dabei handelt es sich um einen beweglichen | |
| Papierschrank, dessen Schubladen die Originalarbeiten von 181 | |
| Künstler*innen enthalten, die bei Interesse durchforstet werden können. | |
| Im Paperfile ist auch Juliane Laitzsch vertreten, die im Rahmen von „A ≠ A�… | |
| ihr neuestes Projekt zeigt. Ihre Zeichnungen hängen genau über dem | |
| Grafikschrank im hinteren Raum der Galerie. Mit Bleistift hat sie Buchtitel | |
| der Fachliteratur zu spätantiken Textilien auf Papier reproduziert. Auf | |
| jene Bücher – oder besser gesagt auf deren abgeheftete Kopien – war sie im | |
| Zuge der Recherche zu Stofffragmenten aus Ägypten gestoßen. | |
| Die durch das Kopieren der Bücher entstandenen dunklen Ränder und | |
| Heftstreifen bildet Laitzsch in ihren Zeichnungen genauso treu wie Schrift | |
| und Illustrationen ab. Der Textur des Papiers geht sie wie der eines | |
| Stoffes nach und legt somit mehrere Schichten offen, die eine allmähliche | |
| Annäherung an den ursprünglichen Gegenstand dokumentieren. | |
| ## Zahnkrone und Weihnachtsschmuck | |
| Nur einige Meter tiefer präsentiert Daniela Friebel das letzte Exponat der | |
| Schau. Genau 217 Objekte aus ihrem persönlichen Besitz hat sie in den | |
| Galeriekeller transportiert und durch lange Nylonfäden an dessen Decke | |
| angebracht, sodass sie kurz über dem Boden schweben. Von einer Zahnkrone | |
| über Weihnachtsschmuck hin bis zu einem Computerlüfter ist alles Mögliche | |
| dabei, nach Farben und Formen sortiert. | |
| Die Installation hat eine Art magnetische Wirkung. Es fällt schwer, den | |
| Blick abzuwenden, und irgendwann ertappt man sich dabei, über Geschichten | |
| zu spekulieren, die hinter den Objekten stecken könnten. Sobald man aber | |
| eine zerknitterte Aspirinpackung mit dem Blick erfasst, muss man sich | |
| eingestehen, auf Friebels Spiel mit unseren Erwartungen hereingefallen zu | |
| sein – doch schlimm ist es auch nicht, schließlich sind Irrtümer bei dieser | |
| klugen Ausstellung nicht nur erlaubt, sondern Teil des Konzepts. | |
| 22 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Archiv-Suche/!5488354&s=oqbo&SuchRahmen=Print/ | |
| [2] http://www.oqbo.de/paperfile/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gloria Reményi | |
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