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# taz.de -- Protest gegen zu hohe Mieten in Hannover: Mit dem Plüschhai gegen …
> Mit einer Protestaktion setzt sich die offene Mieter*innengruppe
> „Nordstadt solidarisch“ in Hannover gegen Mieterhöhungen und Verdrängung
> ein.
Bild: Zu viele Miethaie sind in Hannover unterwegs. Dieser hier war am Samstag …
Hannover taz | Es wirkt wie ein feierlicher Akt: Funkelndes Konfetti fliegt
durch die Luft, Sektkorken knallen, schäumende Flüssigkeit tropft auf den
Asphalt. Mitten im Konfettiregen steht Aktivistin Pia Blomberg, bekleidet
mit hellblonder Perücke, weißen Handschuhen und lilafarbenem Federschal,
und streckt einen goldenen Plüschhai in die Höhe.
Den grimmig dreinschauenden Fisch platziert Blomberg im Namen der offenen
Mieter*innengruppe „Nordstadt solidarisch“ vor der Haustür der Tulpenstra�…
10. Der Inhaber des Gebäudes, Mikhail Bievetskiy, bekommt so ohne seine
Anwesenheit symbolisch den Negativpreis überreicht – den „Goldenen
Miethai“.
[1][„Profitdenken ist im Kapitalismus nicht nur legal, sondern erwünscht“],
hatte Blomberg noch wenige Minuten zuvor vor den über 200 Demonstrierenden
ins Mikrofon gerufen. „Deshalb müssen wir jetzt selbst aktiv werden.“
Selbst aktiv werden, das bedeutet für Blomberg, dreistes Verhalten von
Immobilienbesitzern öffentlich zu kritisieren. Um das zu tun, hat sich die
2018 gegründete Initiative Nordstadt solidarisch den „Goldenen Miethai“
ausgedacht – eine in dröhnende Musik und Glitter verpackte Protestform, die
eigentlich einen ganzen und gar nicht feierlichen Hintergrund hat.
Seit Juli 2019 zeichnen die Aktivist*innen „die übelsten
Wohnraumspekulanten“ aus. Dafür versammeln sich die Demonstrierenden
monatlich in der Nordstadt und laufen gemeinsam zu einem Objekt, dessen
Mieter unter dem rücksichtslosen Verhalten der Immobilienbesitzer leiden,
und hinterlassen dort ihren Miethai – Konfetti inklusive.
Im September wurde zuletzt der Investor Thomas Klinke Immobilien
ausgezeichnet, der in der ehemaligen Landesfrauenklinik Hannover
Luxusappartements plant. Den Preis bekam der Makler auf einer
Info-Veranstaltung des Immobilienentwicklers BPD überreicht.
Eine Stunde nach der Übergabe des Preises wurden Demonstrierende beim
Kaffeetrinken in der Nordstadt von der Polizei kontrolliert und teilweise
in Handschellen abgeführt. Auch im Anschluss an die vierte Preisvergabe
wurden nun von einigen Teilnehmer*innen der Demo die Personalien
kontrolliert. Laut Nordstadt solidarisch wird Ihnen Verstoß gegen das
Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. Das
Kollektiv kritisierte den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig brutal.
Dennoch verlief die öffentlich angemeldete vierte Verleihung friedlicher.
Investor Bievetskiy wurde mit dem Negativpreis stellvertretend für das
Geschäftsmodell der Kurzzeit-Vermietung ausgezeichnet. In der Tulpenstraße
hat er ein Mehrfamilienhaus mit 14 Mietparteien erworben. Laut eines
Schreibens von Nordstadt solidarisch „gab es Geldangebote bei Auszug sowie
Modernisierungsankündigungen“. Mittlerweile werden frei gewordene Wohnungen
über das Internetportal Immobilienscout24 zur Kurzmiete angeboten: Zur
Messezeit kostet eine Übernachtung 119 Euro pro Person.
Unter der prekären Situation auf dem Wohnungsmarkt leiden gerade ältere und
ärmere Menschen. Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
von 2019 haben mittlerweile selbst Mittelschichtsfamilien in Hannover
Probleme bei der Wohnungssuche. „43 Prozent aller Haushalte müssen mehr als
30 Prozent des Nettoeinkommens allein für ihre Miete (bruttokalt)
ausgeben“, so der DGB.
Gründe dafür sieht Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter der IREBS
Immobilienakademie und Professor für Immobilienwirtschaft an der Uni
Regensburg, neben der Zuwanderung seit 2018 in zwei Faktoren. „Zum einen
sorgte die Baulandvergabe nach dem Höchstbieterfahren für rasant steigende
Bodenpreise“, sagt Just. „Und zum anderen kletterten Baupreise aufgrund
verschärfter Bauvorschriften und der Verknappung im Arbeitsangebot.“
Um die Situation auf dem Immobilienmarkt gemeinwohlorientierter zu
gestalten, müssten laut Just mehrere Strategien angewandt werden. „Zu so
einem Maßnahmenbündel sollte gehören, dass Boden nicht nach dem
Höchstpreisverfahren, sondern in Konzeptvergaben veräußert wird“, sagt er.
## Drohung von ImmobilienbesiterInnen
Auch Aktivistin Blomberg, die selbst Mitglied der gemeinwohlorientierten
Genossenschaft „Woge Nordstadt“ ist, hält solche Maßnahmen für hilfreich.
Sie will sich für einen Wandel im Wohnungsmarkt auch während der Verleihung
der letzten beiden goldenen Miethaie im November und Dezember stark machen.
Dass sich Blomberg und die anderen Aktivist*innen gegen Mieterhöhungen und
Entmietung einsetzen, finden in der Nordstadt nicht alle gut: Vermeintliche
Immobilienbesitzer*innen der Tulpenstraße haben Nordstadt solidarisch per
Twitter kontaktiert. „Wir sollten uns bei der Demo doch besser gut
vermummen“, wiederholt einer der Aktivist*innen die Drohung. „Aber wir
lassen uns nicht einschüchtern – für uns ist das ein Zeichen, dass sich
manche Investoren und Vermieter angesprochen fühlen. Und das ist gut so.“
21 Oct 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Nina Hoffmann
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