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# taz.de -- Kritischer Sportjournalismus: Deutsche dopen nicht
> Der Zehnkämpfer Niklas Kaul und die Läuferin Salva Eid Naser beeindrucken
> bei der Leichtathletik-WM. In der ARD beargwöhnt wird nur der Auftritt
> der Frau.
Bild: Hoch hinaus – Niklas Kaul im Stabhochsprung
Niklas Kaul und Salva Eid Naser verband am Donnerstagabend etwas
Besonderes. Beide hatten zum einen völlig überraschend eine Goldmedaille
bei der Leichtathletik WM in Katar gewonnen und zum anderen gelang ihnen
das im zarten Alter von 21 Jahren – so früh wie das zuvor in ihrer
Disziplin noch nie jemand geschafft hat. Der Deutsche Kaul im Zehnkampf,
die Bahrainerin Eid Naser im 400-Meter-Lauf.
Der Blick auf die beiden Leistungen, die das deutsche öffentlich-rechtliche
Fernsehen aus Doha sendete, hätte jedoch kaum unterschiedlicher sein
können. Die Kaul-Vorstellung war hui und die von Eid Naser irgendwie pfui.
Jedenfalls fiel es dem ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann in Diensten
der ARD als Leichtathletik-Experte sichtlich schwer, in Begeisterung ob
ihrer Fabelzeit auszubrechen.
Der Verdacht laufe immer mit, erklärte er. Auf Nachfrage würdigte er ihren
besonderen Laufstil, um zumindest etwas Positives gesagt zu haben. Die
Skepsis ist verständlich. Nur zwei Athletinnen waren über die Stadionrunde
jemals schneller gelaufen und das in der Dopinghochzeit (die Deutsche
Marita Koch, 47,60 Sekunden und die Tschechin Jarmila Kratochvilova,
47,99).
Einem Fernsehsender, der die Zuschauer in möglichst hoher Zahl für die
Leichtathletik begeistern will, fehlen freilich die konditionellen und vor
allem finanziellen Voraussetzungen, den Verdacht immer mitlaufen zu lassen.
Ein echtes Dilemma. Und deshalb gönnt man dem Verdacht ab und an eine
Pause. Wenn deutsche Vertreter in den Wettkampf eingreifen, darf der
Verdacht sich erholen. Schließlich weiß man ja, der Dopingsünder trägt am
liebsten das russische Trikot. Und wenn das nicht zu haben ist, wie bei
dieser WM, dann zieht er sich eben das kenianische, äthiopische oder
marokkanische über.
## Deutsche Erinnerungslücken
So erinnert der ARD-Kommentator Niklas Kaul in Doha daran, dass in
Deutschland nur dem DDR-Zehnkämpfer Torsten Voss das gleiche Kunststück
gelungen ist, als er 1987 Weltmeister wurde. Weil der Verdacht jedoch
gerade ruht, erinnert man lieber nicht daran, dass [1][der Name Voss] nach
der Wiedervereinigung in den Unterlagen zum Staatsdoping in der DDR
auftauchte.
Der historische Erfolg Kauls trotz eines mäßigen ersten Zehnkampf-Tags ist
nicht Quelle des Argwohns, sondern aus ARD-Sicht Quelle der Hoffnung: der
deutsche Zehnkämpfer kann sogar noch viel mehr, als er gezeigt hat. Eine
medaillenträchtige Zukunft steht bevor.
Möglicherweise tut man dem Sportler Kaul Unrecht, wenn man seinen Erfolgen
misstraut. Er ist Gefangener eines verdächtigen Systems. Bei der ARD sollte
man sich allerdings schon fragen, ob ihre kritische journalistische
Grundhaltung nur für ausländische Athleten gelten soll.
Man darf gespannt sein, wie sehr Konstanze Klosterhalfen gefeiert wird,
wenn sie über 5.000 Meter eine Medaille gewinnt. Die 23-Jährige hat sich
mit dem Oregon Projekt in den USA, einem schon lange zweifelhaften Projekt
verschrieben, dessen Leiter [2][Alberto Salazar] nun eine vierjährige
Dopingsperre erhalten hat. Distanziert hat sie sich von diesem Unternehmen
bislang nur halbherzig. Ähnlich belastende Informationen liegen über die so
skeptisch beäugte 400-Meter-Siegerin Salva Eid Naser aus dem Bahrain
bislang noch nicht vor.
4 Oct 2019
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunkkultur.de/doping-im-ddr-sport-viele-opfer-leiden…
[2] https://www.spiegel.de/sport/sonst/alberto-salazar-und-doping-nike-soll-umf…
## AUTOREN
Johannes Kopp
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