# taz.de -- Dopingdebatte bei der Leichtathletik-WM: Saubere Bescherung | |
> Sifan Hassan hat das 1500-Meter-Rennen gewonnen. Nun wird sie ständig mit | |
> Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihres furiosen Laufs konfrontiert. | |
Bild: Kurzes Glück: Nach ihrem Sieg muss sich Sifan Hassan unangenehme Fragen … | |
DOHA taz | Sifan Hassan konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die | |
26-Jährige war einfach zu wütend. Der Läuferin war soeben etwas | |
[1][Historisches] gelungen, und alle trugen nur ihre Zweifel vor. Gold über | |
die 10.000 und die 1.500 Meter – das war vor ihr bei den | |
Weltmeisterschaften in Doha noch keinem gelungen. Und alles, was Hassan | |
sagen konnte, war: „Ich bin sauber. Ich bin so gut seit 2014. Jetzt fangen | |
die Leute an, über solchen Bullshit zu reden. Entschuldigen Sie den | |
Ausdruck.“ | |
Die Niederländerin äthiopischer Herkunft hat es in Doha am härtesten | |
getroffen. Sie gehört dem umstrittenen [2][Nike Oregon Project] an. Dessen | |
Chefcoach, Alberto Salazar, war vor ein paar Tagen wegen Verstößen gegen | |
die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt worden. Sifan Hassan | |
trainierte bei ihm. | |
Anders als der 800-Meter-Weltmeister Donavan Brazier (USA) und die Deutsche | |
Konstanze Klosterhalfen, die auch am Samstag Bronze gewann, konnte sie | |
nicht darauf verweisen, dass sie vom Co-Trainer Pete Julian betreut wird. | |
Salazar hatte sie sogar noch gecoacht bei ihrem ersten Triumph über 10.000 | |
Meter vor einer Woche. Dann wurde ihm die Akkreditierung entzogen, der | |
Sportlerin der Kontakt verboten. | |
Die Vorwürfe gegen Salazar wiegen schwer. Gewinnen sei ihm wichtiger als | |
die Gesundheit der Athleten, hieß es von der US-Anti-Doping-Agentur. Es | |
geht um verbotene Infusionen, Besitz illegaler Substanzen, auch | |
verschriebene Medikamente ohne medizinische Indikation zur | |
Leistungssteigerung. Die Ermittlungen beziehen sich auf die Jahre 2010 bis | |
2014. Damals gehörten die Läuferinnen und Läufer, die jetzt in Katar | |
starteten, noch nicht zum Oregon Project. | |
## Weltrekord in den Beinen | |
Hassan sagte, von den Ermittlungen informiert gewesen zu sein, als sie 2016 | |
nach Oregon ging. Die Sperre Anfang der Woche habe sie „geschockt“. Vor | |
allem aber ärgerte sie sich darüber, dass diese in der Vorbereitung auf | |
ihr zweites WM-Rennen publik wurde. „Ich weiß nicht, warum jetzt alle auf | |
mich schauen. Ich bin schon seit 2014 eine Topläuferin, lange bevor ich zu | |
Nike gegangen bin.“ | |
Sifan Hassan trainiert seit Ende 2016 in Oregon. Weltspitze war sie schon | |
vor ihrem Wechsel. Sie hatte – unter anderen – EM-Gold in Zürich 2014 und | |
WM-Bronze in Peking 2015 gewonnen. Das Projekt hat sie noch besser gemacht. | |
Seitdem kamen noch WM-Bronze über die 5.000 Meter in London 2017 und | |
zuletzt EM-Gold ebenfalls über die 5.000 Meter in Berlin 2018 obenauf, mit | |
deutlich verbesserten Zeiten. Ihr Trainer hätte ihr immer gesagt, sie habe | |
„den Weltrekord in den Beinen“. | |
Am Samstag gewann sie den WM-Titel mit Europarekord von 3:51,95 Minuten. | |
Die Uhr blieb nur 1,40 Sekunden über dem Weltrekord stehen. Das Rennen | |
entschied sie mit mehreren Metern Vorsprung vor Titelverteidigerin und | |
Olympiasiegerin Faith Kipyegon, die immerhin noch kenianischen Landesrekord | |
lief, und Gudaf Tsegay aus Äthiopien. Hinter der Ziellinie legte sich Sifan | |
Hassan überglücklich auf der Laufbahn nieder. Doch mit der Freude war es | |
schnell vorbei, als es vor die TV-Kameras ging. | |
„Es war eine sehr harte Woche, und ich war einfach nur wütend“, sagte Sifan | |
Hassan. „Ich bin mein ganzes Leben lang sauber gewesen. Ich arbeite hart. | |
Was glauben die Leute denn, wie wir betrügen? Glauben die, ich werde nicht | |
getestet? Ich werde jedes Mal getestet.“ Ihre Tür stehe immer offen. „Wenn | |
sie mich jeden Tag testen wollen, bitte schön.“ | |
Andere wollen längst nicht mehr glauben, dass in Beaverton auf dem Nike | |
Campus alles mit rechten Dingen zugeht. Die Olympiadritte und | |
Weltmeister-Vorgängerin von Hassan, Jenny Simpson, hatte in Doha wohl die | |
klarsten Worte gefunden. „Jeder, der sich auch nur ein bisschen in diesem | |
Sport auskennt, weiß, dass ein Schatten über dieser Gruppe liegt“, sagte | |
die US-Amerikanerin: „Warum sich jemand dieser Gruppe anschließt? Keine | |
Ahnung.“ | |
Wer dort bleibt, bei dem werden auch die Zweifel weiter mitlaufen. Sifan | |
Hassan will sich nun überlegen, wie es mit ihr und dem Nike Oregon Project | |
weitergeht. | |
6 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://lawm.sportschau.de/doha2019/nachrichten/Leichtathletik-WM-Doha-2019… | |
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Nike_Oregon_Project | |
## AUTOREN | |
Anne Armbrecht | |
## TAGS | |
Leichtathletik-WM | |
Niederlande | |
Doping im Spitzensport | |
Fußball | |
Leichtathletik | |
Leichtathletik-WM | |
Kolumne Press-Schlag | |
Kolumne Frühsport | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Klosterhalfens Zukunft ist offen: Ende der Laufzeit | |
Nike stellt sein umstrittenes „Oregon Project“ ein. Die Dopingvorwürfe | |
weist der Sportartikelkonzern immer noch zurück. | |
Läuferin Konstanze Klosterhalfen: Das Doha-Easy-Peasy-Project | |
Konstanze Klosterhalfen gibt zu verstehen, dass sie nichts mit den | |
unlauteren Praktiken von Alberto Salazar zu tun hat. Nun steht das | |
5.000-Meter-Finale an. | |
Dopingverdacht bei Leichtathletik-WM: Rundenwunder von Doha | |
Die Weltmeisterin Salwa Eid Naser aus Bahrain läuft bei der WM phantastisch | |
schnell. Ihre 400-Meter-Zeit ruft allerdings Skeptiker auf den Plan. | |
Kritischer Sportjournalismus: Deutsche dopen nicht | |
Der Zehnkämpfer Niklas Kaul und die Läuferin Salva Eid Naser beeindrucken | |
bei der Leichtathletik-WM. In der ARD beargwöhnt wird nur der Auftritt der | |
Frau. |