# taz.de -- Doping in Mordwinien: Kraft der Kartoffel | |
> Kaum eine Stadt hat so viele Dopingsünder hervorgebracht wie Saransk. | |
> Dort glaubt man an die Wunderwirkung des heimischen Erdapfels. | |
Bild: Gut zu Fuß: Jelena Laschmanowa (l.) und Anissja Kirdjapkina bei der Leic… | |
In Mordwinien ist der Sport zu Hause. Die Republik an der Wolga, die zur | |
Russischen Föderation gehört, hat 2018 vier Spiele der | |
Fußball-Weltmeisterschaft beherbergen dürfen. In der Hauptstadt Saransk | |
wunderte man sich seinerzeit nicht schlecht, als Tausende Peruaner die | |
Straßen fluteten, weil sie das Spiel ihrer Mannschaft gegen Dänemark sehen | |
wollten. Und auch die Peruaner dürften sich gewundert haben, wie das große | |
Weltturnier in die mit knapp 300.000 Einwohnern für russische Verhältnisse | |
doch recht kleine Stadt gekommen ist. Eine Fußballstadt war Saransk bis | |
dahin nun wahrlich nicht. Saransk ist die Stadt der russischen Geherinnen | |
und Geher. Hier wird nicht gekickt, hier wird gegangen. | |
Immer wenn bei internationalen Wettbewerben eine Geherin oder ein Geher aus | |
Russland in die Medaillenränge gekommen ist, was sehr oft der Fall war, | |
konnte man sicher sein, dass er in Mordwinien trainiert hat. Dort | |
schufteten sie unter der Leitung von Viktor Tschegin. Da ist zum Beispiel | |
Jelena Laschmanowa. Die hat bei den Olympischen Spielen 2012 in London in | |
Weltrekordzeit Gold im 20-Kilometer-Wettbewerb gewonnen. | |
Und da ist Denis Nischegrodow. Der hat bei den Weltmeisterschaften 2011 im | |
koreanischen Daegu über 50 Kilometer gewonnen. Beide sind wegen | |
Dopingvergehen längst aus dem Verkehr gezogen worden. Das ist beinahe schon | |
üblich für Athleten aus dem Stall Tschegins. Mehr als 30 Geherinnen und | |
Geher aus dem Leistungszentrum von Saransk sind wegen Dopingvergehen | |
gesperrt worden. | |
Dass Anissja Kirdjapkina, zweifache Silbermedaillengewinnerin bei | |
Weltmeisterschaften, nicht schon lange aus dem Verkehr gezogen war, hat | |
viele gewundert, als sie im Februar erfahren haben, dass nun auch sie wegen | |
Dopings gesperrt worden ist. Ihre WM-Medaillen aus den Jahren 2011 und 2013 | |
muss sie zurückgeben und ihre junge Trainerinnenlaufbahn beenden. | |
## Geherpapst Tschegin | |
Viktor Tschegin, ihr ehemaliger Trainer, nach dem das Leistungszentrum in | |
Saransk noch bis vor Kurzem benannt war, ist auch erst 2016 lebenslang | |
gesperrt worden. Dabei hätte es unzählige gute Gründe dafür gegeben, ihn | |
schon früher aus dem Verkehr zu ziehen. Tschegin war schon für spektakuläre | |
Dopingfälle verantwortlich, da redete noch nicht alle Welt vom staatlich | |
orchestrierten Sportbetrug, der bei den Winterspielen von Sotschi 2014 | |
seinen Höhepunkt hatte. | |
Vor den Sommerspielen von 2008 in Peking wurden drei Geherinnen aus | |
Tschegins Camp mit Epo erwischt. Ein vierter Name, der ursprünglich unter | |
den Ertappten aufgelistet war, verschwand auf wundersame Weise. Es war der | |
des bereits einmal wegen Dopings gesperrten Waleri Bortschin. Der hat dann | |
in Peking über 20 Kilometer glatt gewonnen. Und auch wenn der gute Mann | |
nicht lange darauf gesperrt wurde, Bortschins Goldmedaille ist weiter in | |
den Siegerlisten von Peking verzeichnet. | |
In Saransk sind sie stolz auf solche Leute. Auf Viktor Tschegin sowieso. | |
Als der gesperrte Trainer sich für einen Security-Job am nun nicht mehr | |
nach ihm benannten Trainingszentrum beworben hat, bekam er glatt den | |
Zuschlag. Plötzlich war er wieder ganz nah dran an seinen Geherinnen und | |
Gehern. Nachdem Medien darüber berichtet hatten, wurde der Vertrag mit ihm | |
im Juni dieses Jahres wieder aufgelöst. | |
Seiner Popularität in Saransk hat das keinen Abbruch getan. Das bekam | |
jüngst die stellvertretende Vorsitzende der Russischen Anti-Doping-Agentur | |
Rusada, Margarita Pachnozkaja, zu spüren. Dem [1][Newsportal sport24.ru | |
berichtete sie] von ihrem Besuch in Mordwinien mit eindrucksvollen Worten. | |
„Alle setzen sich dort für Tschegin ein. Irgendwie wirken sie wie Zombies. | |
Sie sind bereit, ihre Seelen an den Teufel zu verkaufen. Da waren Leute, | |
die noch keine 20 Jahre alt waren. Mit glasigen Augen sagten sie: Bei uns | |
gibt es kein Doping. Unser Doping sind mordwinische Kartoffeln.“ | |
Sie berichtete noch davon, dass Dopingkontrolleure in Saransk immer noch an | |
der Nase herumgeführt würden. Ein Anrufer habe sie dann noch gefragt, ob | |
sie wisse, was schon alles mit Mitarbeitern der Rusada passiert sei. Sicher | |
weiß sie das. 2016 sind binnen kurzer Zeit in Russland zwei ehemalige | |
Funktionäre der Anti-Doping-Behörde unter mysteriösen Umständen ums Leben | |
gekommen. Willkommen in der Sportstadt Saransk! | |
22 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://sport24.ru/news/other/2019-08-19-u-nas-net-dopinga-nash-doping--eto… | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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