# taz.de -- Umbruch im russischen Eishockey: Rote Maschine 2.0 | |
> Der Sohn eines Milliardärs hat das Sagen im Eishockeyverband. Er setzt | |
> auf die Jugendmannschaften, die bald alle das gleiche System einüben | |
> sollen. | |
Bild: Grimmiger Blick in die Zukunft des russischen Eishockeys: Grigori Denisen… | |
Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen für die russische | |
Eishockeynationalmannschaft. „Wenn wir gegen die Tschechen verlieren, | |
müssen wir zu Hause vor das Volksgericht“, hatte Boris Rotenberg, der | |
Stabschef der Sbornaja, vor dem letzten Spiel der Auswahl beim dritten von | |
vier Turnieren der Euro Hockey Tour gesagt. | |
Die Russen haben tatsächlich verloren und das Turnier hinter den Schweden, | |
den Tschechen und den Finnen als Letzte beendet. Doch das Urteil in der | |
Heimat fiel milde aus. Dem jungen Team, das die Trainer nach den Absagen | |
vieler Stars der Continental Hockey League KHL in den Wettbewerb geschickt | |
hatten, war eh nicht viel zugetraut worden. Der Mannschaft gehöre die | |
Zukunft und in der soll alles besser werden. | |
Am besten so wie in der guten, alten Sowjetzeit, als das Team als „Rote | |
Maschine“ schier unschlagbar war. Roman Rotenberg, das schneidige | |
Oligarchensöhnchen aus St. Petersburg, wird nicht müde zu betonen, dass man | |
durchaus bereit sei, in die Fußstapfen von Eishockeylegenden wie | |
Wjatscheslaw Bykow, [1][Wjatscheslaw Fetissow] oder Sergei Makarow zu | |
treten. | |
„Wir sind die erste Nation, die Gold bei Olympia und bei den Olympischen | |
Jugendspielen gewonnen hat“, sagte er und fand, dass sich die Jungs bei den | |
„Schwedischen Spielen“, wie das Turnier vom Wochenende in Russland genannt | |
wird, schon ganz gut geschlagen hätten. Wie viel er von den neuen | |
Jahrgängen im russischen Eishockey hält, hat er im Januar nach dem Sieg der | |
Russen bei den Olympischen Jugendspielen in Lausanne gesagt: „Das ist | |
eine neue Ausgabe der Roten Maschine.“ Was für eine Ansage! | |
## Unschuldige Buben | |
Mit Alexander Romanow, Grigori Denisenko, Danila Galenjuk, Wassili | |
Podkolzin, Kirill Martschenko, Iwan Morosow schickten die Trainer nun sechs | |
Juniorennationalspieler auf das Eis und ließen sie gegen hartgesottene | |
Profis aus Schweden, Finnland und Tschechien spielen. Und wenn es nach | |
Rotenberg geht, waren es nicht die Jungs, die die Spiele verloren haben, | |
sondern die Trainer, die von hinter der Bande die falschen Impulse gesetzt | |
hätten. | |
Er glaubt weiter an die junge Mannschaft, die in zwei Jahren in Peking den | |
[2][Olympiasieg] wiederholen soll, den die Russen als neutrale Athleten | |
2018 in Pyeongchang errungen haben. Und so schraubt der Funktionär, der | |
sich für seinen Posten den Titel Stabschef hat verleihen lassen, am Umbau | |
des russischen Eishockeys. Die Spieler sollen in den Jugendmannschaften des | |
Landes möglichst früh alle für das gleiche System ausgebildet werden. Die | |
alte Dominanz soll wieder erreicht werden, indem die Puckkontrolle von | |
Kindesbeinen an trainiert wird. | |
Aber auch die Liga, die KHL, soll sich verändern. Mehr Geld soll in das | |
Eishockey fließen, um zu verhindern, dass die frisch für das russische | |
System ausgebildeten Spieler allzu früh in die nordamerikanische NHL | |
wechseln. Längst stehen die Namen der russischen Bubis auf den Zetteln der | |
Scouts aus der NHL. Einer von ihnen, Grigori Denisenko, ist noch keine 20, | |
spielt in der KHL bei Lokomotive Jaroslawl und ist längst von den Florida | |
Panthers gedraftet worden. | |
Wenn es nach Rotenberg geht, sollten die Menschen ohnehin nicht so oft nach | |
Nordamerika schauen. Das tun russische Eishockeyfans nur allzu gern. Gerade | |
warten sie darauf, dass Alexander Owetschkin sein 700. Tor für die | |
Washington Capitals in der NHL erzielt. Die „Schwedischen Spiele“ haben da | |
weit weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen. | |
Was das Geld betrifft, das der KHL fehlt, um mit der NHL mitzuhalten, | |
könnte Rotenberg ja mal in der eigenen Familie nachfragen. Er ist der Sohn | |
von Boris Rotenberg, einem Jugendfreud von Staatspräsident Wladimir Putin, | |
der zusammen mit seinem Bruder Arkadi durch Geschäfte mit dem Staat, vor | |
allem dem Energiekonzern Gazprom, stinkreich geworden ist. Der kleine Roman | |
wird gerade als deren Epigone aufgebaut. | |
12 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Sportpolitik-in-Russland/!5655942 | |
[2] /Eishockey-Finale-bei-den-Winterspielen/!5484546 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Kolumne Russisch Brot | |
Russland | |
Eishockey | |
NHL | |
Eishockey | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
Kolumne Russisch Brot | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Doping | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Oligarchen im finnischen Sport: Beflecktes Eis | |
Helsinkis Eishockey löst sich von seinen Investoren aus Russland. Die | |
größte Eishalle des Landes bleibt ungenutzt. Auch sie gehört Russen. | |
Eishockey in Russland: So richtig Gold war nie | |
Bis 1945 gab es in Russland kein Eishockey. Doch 1954 wurde die Sowjetunion | |
sofort Weltmeister. Nur das nachsowjetische Olympia war schwierig. | |
Doping in Mordwinien: Kraft der Kartoffel | |
Kaum eine Stadt hat so viele Dopingsünder hervorgebracht wie Saransk. Dort | |
glaubt man an die Wunderwirkung des heimischen Erdapfels. | |
Profifußball in Russland: Traditionell rassistisch | |
Gleich im ersten Spiel für seinen neuen Klub Zenit St. Petersburg lassen | |
Fans den Brasilianer Malcom spüren, was sie von Schwarzen halten. | |
Kolumne Russisch Brot: Nichts als graue Haare | |
Jelena Välbe ist die streitbare Chefin des russischen Skiverbands. Sie hat | |
eine ganz spezielle Sicht auf das Thema Doping. |