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# taz.de -- Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit: Analoge Drummachine
> Späte Ehre für Can-Drummer Jaki Liebezeit: Kollege Manos Tsangaris
> veröffentlicht ein Buch über ihn, der Kölner Stadtgarten nennt seinen
> Club „Jaki“.
Bild: Taktgenau wie ein Metronom: Jaki Liebezeit in Köln, 2011
BERLIN taz | „Niemals geht man so ganz/Irgendwas von mir bleibt hier/Es hat
seinen Platz/immer bei dir“, sang die große Kölner Schauspielerin Trude
Herr 1987, zusammen mit Wolfgang Niedecken (BAP) und Tommy Engel, vier
Jahre vor ihrem Tod. Ein berührendes Lebewohl; Kölner*innen sagt man sonst
nach, dem Wiedersehen näher zu sein als dem Abschied. Beim Thema Gedenken
gibt man sich oft (nach-)lässig. Ikonen warten hier gerne Jahrzehnte auf
Würdigung in Form eines Straßennamens.
Bei der Krautrockband Can möchte man sich derzeit nicht in Verruf bringen
lassen: Der neue Pop-Preis der Stadt ist nach dem [1][im September 2017
verstorbenen Bassisten Holger Czukay] benannt. Auch Can-Drummer Jaki
Liebezeit, der acht Monate zuvor starb, gedenkt man in ungewohntem Ausmaß.
Das ist gleichwohl auf private Initiative geschehen und manifestiert sich
nun in Buch- und Clubform.
Der zeitgenössische Komponist Manos Tsangaris veröffentlicht im Berliner
Alexander Verlag seine Vignetten-Sammlung „Jaki Notes“. Es sind
Aufzeichnungen über gemeinsame Jahre als Bandkollegen beim Kollektiv Drums
Off Chaos.
Meist kurze Anekdoten sind da zu lesen, wie jene von Liebezeits
Unverständnis gegenüber Drumkollegen, die nicht in der Lage seien, die
zweiseitige Trommel Davul zu spielen. Tsangaris schreibt auch von der
Naturverbundenheit des zurückhaltenden Liebezeit, die sich weniger in
Wanderungen manifestierte als mehr im Urvertrauen: sowohl bei Rhythmen als
auch bei der eigenen Gesundheit. Liebezeit verzichtete seit den 1970ern auf
die Inanspruchnahme einer Krankenversicherung.
## Gianna Nannini kam
Storys von Horoskopkenntnissen und seinem Verhältnis zur Welt, werden
gerahmt von Stefan Kraus’ Fotografien: Ausschnitte aus Liebezeits Wohnhaus
sind da zu sehen, seine Drums oder das geliebte Kölner Stadtviertel.
Mit gleicher Hingabe organisierte Tsangaris schon ein Gedächtniskonzert in
der Kölner Philharmonie im Januar 2018. Alte Weggefährten wie
NEU!-Gitarrist [2][Michael Rother,] die italienische Rocksängerin Gianna
Nannini und die Can-Mitglieder Irmin Schmidt, Damo Suzuki und Rosko Gee)
kamen damals zusammen, um Stücke in Hochachtung vor dem Lebenswerk von Jaki
Liebezeit zu spielen. Organisiert wurde das damals auch von der Initiative
Kölner Jazz Haus e. V., die im Stadtgarten, dem „Europäischen Zentrum für
Jazz und Aktuelle Musik“, beheimatet ist.
Der Stadtgarten geht nun noch einen Schritt weiter: Der Club unter dem
Konzerthaus, der ehedem „Studio 672“ hieß, wurde nun umgebaut. Neben einer
veränderten musikalischen Ausrichtung, wechselt auch der Clubname. Nun
nennt er sich „Jaki“ zu Ehren von Liebezeit.
## Arabisch und westlich
Während das Studio 672 ab 1997 der Kölner Techno-Hautevolee ein Zuhause bot
und mit dem Label Kompakt verbunden war, soll der Nachfolger an gleicher
Stelle „zwischen den Genres Pop, Jazz und Clubkultur nach dem Klang der
Zukunft forschen“.
Mehr als Phrasen liefert ein Blick ins Programm der ersten Wochen. In loser
Sukzession zum Weltenbummler Liebezeit präsentiert sich ein internationales
Line-up. „In Between Spaces“ heißt die Reihe, die hier zum Anlass der
Eröffnung die „idiosynkratischen Hybridisierungen“ zwischen arabischen und
westlichen Musikern betrachtet.
Namensgeber Jaki Liebezeit wäre sicher erfreut, dass sein Erbe verstanden
wird. Er selbst musizierte nicht nur mit der türkischen Psychedelic-Gruppe
Baba Zula, sondern ließ sich überall auf der Welt inspirieren. Passend auch
die dazugehörige Klubnacht mit Deena Abdelwahed: Nicht nur spielt die in
Doha geborene, tunesische Künstlerin elektronischen Sound, der sich
gleichermaßen in Detroit, Berlin und Tunis bedient, auch überwindet sie
Grenzen zwischen Pop und Avantgarde, wie Jaki Liebezeit. Der massive
Einsatz von Drummachines steht in keinem Widerspruch zum Menschen: Er
selbst äußerte einst, dass die Drummaschine „Roland TR-808“ sein
Lieblingstrommler sei.
In Videodauerschleife auf einem Monitor im Club, verewigt, wird er von nun
an verfolgen können, ob sich Köln ferner um sein Vermächtnis bemühen wird.
30 Oct 2019
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Holger-Czukay/!5445734
[2] /Musiker-Michael-Rother/!5587485
## AUTOREN
Lars Fleischmann
## TAGS
Jaki Liebezeit
Krautrock
Can
Köln
OTTO
Gitarre
Köln
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