Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Soloalbum von Stephen Malkmus: Scrollen durch die Achtziger
> Digitalhandwerk statt Indierockroutine: Stephen Malkmus verarbeitet mit
> „Groove Denied“ Ausgehnächte und Touchscreen-Ästhetik.
Bild: Wo kommt denn die Klampfe plötzlich her? Stephen Malkmus
Ist er nun spät dran? Lange schien der US-Künstler Stephen Malkmus
zuverlässig da zu sein, wo vorne ist; als Sänger und Gitarrist von
Pavement, damals in den Neunzigern. Als jene Institution von Indierockband
auserzählt war, spät im alten Jahrtausend (eine kurze Reunion folgte 2010),
hatte sich längst ein Trend etabliert, dem er erst jetzt folgt,
oberflächlich betrachtet: Indierocker machen in Elektronik – nicht durchweg
mit überzeugenden Ergebnissen, auch daran sei erinnert.
Malkmus blieb der Gitarre treu, zunächst unter eigenem Namen, dann mit dem
Zusatz & The Jicks; erweiterte er nach und nach das Klangbild, in Richtung
Beach-Boys-Grandezza und Soul-Schmelz. Als Teil der Silver Jews machte er
dann auch noch anfangs schwermütige, später – [1][so die taz 2008] – „g…
nicht blöde Autofahrermusik“.
Anfang der Zehner zogen Malkmus und seine Familie nach Deutschland; in Köln
verwurstete er, mit der Band Von Spar, [2][das regionale Krautrock-Erbe].
Und in Berlin lernte er die strahlkräftige Clublandschaft kennen. Dieses
Detail ist wichtig für seine jüngste Inkarnation.
## Angewidert vom Biotop
Seit einiger Zeit lebt der 52-Jährige im [3][alternativen Biotop Portland]
und das, so heißt es, [4][latent angewidert]; immer noch mit Familie – und
auch die nahm Einfluss auf „Groove Denied“, erklärt Malkmus: Es gebe da
„diese Mädchen“, die seine Kinder auf dem iPhone zusammenstellen:
Haarfarbe, Kleider und so, eine „Apple-Scroll-Denkweise“. Von
„Früh-80er-DIY-Synthie-Sound“ hat er noch gesprochen, der Pate gestanden
haben soll für sein Album.
Entstanden war die Musik dafür schon vor dem letzten, 2018 veröffentlichten
Werk mit The Jicks. Bloß klingt es eben ganz anders. Aufgenommen hat
Malkmus das Material im Keller mit Pro Tools, Ableton und einigen
Keyboards. Es habe sich gut angefühlt zu experimentieren, [5][hat er
erzählt,] um wegzukommen von den gitarrengetriebenen Songs, die sein
Repertoire bestimmen. Nicht irgendwelche Gitarrensongs, möchte man
hinzufügen: Als „Musik zweiter Ordnung“ [6][hat die taz sie mal
bezeichnet], diese „Songs voller Anspielungen und Witzchen“, in denen er
die Gitarrenmusik und ihren „Mythos von Unmittelbarkeit“ der Lächerlichkeit
preisgegeben habe – und damit wieder glaubwürdig gemacht. Kaum
überraschend, dass sein US-Label Matador entsetzt war von der neuen
Experimentierfreude: „Sie wollten es nicht veröffentlichen“, hat er
erzählt.
Das New Yorker Label hält Malkmus seit dem Pavement-Debüt „Slanted and
Enchanted“ (1992) die Treue. Ein A&R-Mann soll eigens nach Portland
geflogen sein, um die Absage zu begründen. „Er habe befürchtet, meinen
hartgesottenen Fans, jenen, die Pavement mögen, könnte der Sound
Kopfzerbrechen bereiten.“ Zunächst wurde ihm also die Plattenrille
verwehrt, der „Groove Denied“: auch ein Witzchen, dieser Titel?
## Weder unterkühlt, noch tanzbar
Bei allen Achtziger-Referenzen und allem Software-Markennamen-Dropping: Was
herauskommt, wenn jemand wie Stephen Malkmus in Elektronik macht, tönt
weder streng unterkühlt noch tanzbar, es ist manchmal sogar mehr Beatles
als Beat Maker: Vordergründig habe er das Album „mit Kram der unterkühlten
Achtziger realisiert“, hat Malkmus gesagt. „Hätte ich mehr Zeit gehabt“,
würde die Musik vielleicht anders klingen.
So aber drängt sich beim Hören des zum Ende hin abnehmenden
Synthiepop-Wave-Anteils LCD Soundsystem als Bezugsgröße auf. Mit denen sind
Pavement während ihrer Reunion [7][zusammen aufgetreten]. Dann wieder
klingt es, als wäre Malkmus beim Scrollen durch Listen von Standardsounds,
den Geräten eingespeichert, einfach auf dieselben Klangsignaturen gestoßen
wie LCD-Kopf James Murphy; der wiederum ist ja selbst Ex-Indierocker,
beeinflusst nicht zuletzt, genau: von Pavement.
Ein entscheidender Unterschied zum elektronischen Dancefloor: Keine Tracks
liefert der so gerne als lustvoll lustlos bezeichnete Künstler ab, sondern
Songs. Manche davon mögen skizzenhafter sein als andere – aber das wäre
dann ja auch schon wieder so etwas wie seine Handschrift; schon Pavement
war ja gerne knapp vor dem Erreichen von Perfektion die Lust vergangen. Was
man nun dem ganzen Soloalbum bescheinigen kann: Malkmus wäre nicht Malkmus,
hätte er nun ein stilecht bis zur letzten Note durchexerziertes
Retro-Dokument vorgelegt. Nein, der Mann fällt sich zu gerne selbst ins
Wort, lenkt sich ab – und gerät so auf umso produktivere Umwege.
Was nach [8][Heimweg-vom-Club-im-Morgengrauen-Melancholie] klingend
beginnt, hört sich am Ende doch wieder ganz schön an nach [9][Garage und
Fender-Verstärker]. Malkmus solo „flattert von Sound zu Sound“, so hat’s
der New Yorker [10][neulich genannt], „ohne dabei seine einzigartige Idee
von Songwriting einzubüßen, zusammengesetzt aus diskursiven,
klassenbewussten Texten, die Melodien aus Butter hinabgleiten“. Ob die nun
mit Pro Tools montiert oder vom Vierspurrekorder aufgenommen werden, ist
einerlei. Für Technopuristen oder spät zur 80er-Party gekommene Hipster ist
das vielleicht nicht hinreichend überzeugend, so wenig wie für
Indie-Traditionalisten. Aber den einen wie den anderen entgeht da einfach
etwas.
17 Mar 2019
## LINKS
[1] /!845012/
[2] https://pitchfork.com/news/48844-watch-stephen-malkmus-perform-cans-ege-bam…
[3] https://www.youtube.com/watch?v=TZt-pOc3moc
[4] https://www.rollingstone.de/stephen-malkmus-portraet-1499011/
[5] https://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/stephen-malkmus-had-his-groo…
[6] /!791769/
[7] https://www.reuters.com/article/us-pitchfork/pavement-lcd-modest-mouse-to-t…
[8] https://www.youtube.com/watch?v=YlC8uz47qGo
[9] https://www.youtube.com/watch?v=LDiqO5VhFPw
[10] https://www.newyorker.com/goings-on-about-town/night-life/stephen-malkmus-…
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Pavement
Jaki Liebezeit
Edan
Indie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit: Analoge Drummachine
Späte Ehre für Can-Drummer Jaki Liebezeit: Kollege Manos Tsangaris
veröffentlicht ein Buch über ihn, der Kölner Stadtgarten nennt seinen Club
„Jaki“.
US-HipHop-Weirdo Edan auf Tour: Aufs Aufräumen keine Lust
Produzent Edan Portnoy und Rapper Homeboy Sandman machen HipHop für Slacker
und Möchtegern-Influencer. Nun kommt das Duo auf Tour.
„Sparkle Hard“ von Stephen Malkmus: Männer sind Schweine
Auf seiner neuen Platte klingt die US-Indie-Legende gegenwärtig wie lange
nicht. Ist das eine Spätwirkung seiner Jahre in Berlin?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.