| # taz.de -- Bundesverwaltungsgericht zu Datenschutz: Gnadenfrist für Vorratssp… | |
| > Die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internet-Verkehrsdaten muss | |
| > vom EuGH geprüft werden. So lange bleibt das Gesetz ausgesetzt. | |
| Bild: Zwielichtige Motive? Der Staat will Internetprovider zwingen, Nutzer-Date… | |
| Leipzig taz | Die Vorratsdatenspeicherung bleibt bis auf weiteres ein | |
| halbtoter Zombie. Zwar stehen die Regeln noch im Gesetzblatt, sie werden | |
| aber nicht angewandt. Auch das Bundesverwaltungsgericht machte dem Spuk | |
| jetzt kein Ende, sondern legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) | |
| vor. | |
| Bei der Vorratsdatenspeicherung müssen Telefonfirmen generell bei allen | |
| Kunden speichern, wer wann mit wem telefoniert oder gesimst hat. | |
| Internetfirmen müssen festhalten, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins | |
| Internet eingeloggt hat. Die Polizei kann die Daten dann bei Bedarf | |
| anfordern. | |
| Anfangs beruhte die Vorratsspeicherung auf einer EU-Richtlinie, die 2007 in | |
| deutsches Recht umgesetzt wurde. Zwar kippte das Bundesverfassungsgericht | |
| 2010 die erste deutsche Vorratsdatenspeicherung. Dabei beanstandete | |
| Karlsruhe die anlasslose Massenspeicherung aber nicht generell, sondern | |
| verlangte vor allem einen besseren Schutz der zwangsgespeicherten Daten. | |
| Erst 2015 beschloss die große Koalition einen zweiten Anlauf. Die neue | |
| Vorratsdatenspeicherung sollte 2017 starten. | |
| Inzwischen hatte jedoch der Europäische Gerichtshof eine ganz neue Lage | |
| geschaffen. 2014 erklärte er die EU-Richtlinie für unverhältnismäßig und | |
| nichtig. 2016 beanstandete er zudem zwei nationale Gesetze aus Schweden und | |
| Großbritannien, weil sie gegen die E-Privacy-Richtlinie der EU verstoßen. | |
| ## Gilt das EuGH-Urteil von 2016 auch für Deutschland? | |
| Dies hatte auch Folgen für Deutschland. Kurz vor Start des neuen Gesetzes | |
| erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster im Sommer 2017 per | |
| Eilbeschluss, dass sich deutsche Telefon- und Internetfirmen der | |
| Vorratsdatenspeicherung verweigern dürfen. Die zuständige Bundesnetzagentur | |
| verzichtet seitdem auf die Durchsetzung des Gesetzes, das formell aber noch | |
| immer in Kraft ist. | |
| Entscheidende Frage ist nun: Gilt das EuGH-Urteil von 2016 auch für | |
| Deutschland? [1][Das Verwaltungsgericht Köln hat dies im | |
| Hauptsacheverfahren Anfang 2018 bejaht]. Inzwischen ist das Verfahren in | |
| der Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht angekommen. Kläger sind | |
| die Deutsche Telekom und der Münchener Provider Spacenet AG. „Anlasslose | |
| Vorratsdatenspeicherungen verstoßen laut EuGH generell gegen EU-Recht, also | |
| auch in Deutschland“, erklärte Rechtsprofessor Matthias Bäcker, der die | |
| Spacenet AG vertritt, bei der mündlichen Verhandlung. | |
| Dagegen hält die Bundesnetzagentur, die das deutsche Gesetz in Leipzig | |
| verteidigte, das EuGH-Urteil hier nicht für anwendbar. Die deutsche | |
| Regelung sei verhältnismäßig, weil die Speicherung der Daten auf zehn | |
| Wochen (statt sechs Monate) beschränkt sei, die Standortdaten von | |
| Mobiltelefonen müssten sogar nur vier Wochen gespeichert werden. Die | |
| deutsche Vorratsdatenspeicherung sei auch „nicht unterschiedslos“, denn sie | |
| gelte nicht für registrierte Beratungsstellen wie die Telefonseelsorge. | |
| Auch für Berufsgeheimnisträger wie Anwälte, Pfarrer und Journalisten gebe | |
| es Ausnahmen. Telekom-Anwalt Thomas Mayen wollte das aber nicht gelten | |
| lassen, es handele sich hier nur um „kleine Nuancen“, die das deutsche | |
| Gesetz von den bereits beanstandeten Regelungen unterscheiden. | |
| Für das BVerwG waren die Unterschiede nun aber wichtig genug, das Verfahren | |
| auszusetzen und den Fall dem EuGH vorzulegen. „Das deutsche Gesetz weicht | |
| in wesentlichen Punkten von der schwedischen und der britischen Regelung | |
| ab“, erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft. Er äußerte sich auch | |
| durchaus skeptisch gegenüber dem EuGH-Urteil. „Ein ausnahmsloses Verbot | |
| würde den Spielraum des nationalen Gesetzgebers erheblich einschränken“. | |
| ## Auch andere Länder testen die Linie des EuGH | |
| Auch andere nationalen Gerichte haben bereits beim EuGH angefragt, ob er | |
| seine strenge bürgerrechtsfreundliche Linie wirklich ernst meine. Anfang | |
| September verhandelte der EuGH deshalb über Vorabentscheidungsersuchen aus | |
| Belgien, Frankreich und Großbritannien, wobei es teilweise auch um | |
| [2][Vorratspeicherungen von Geheimdiensten] ging. | |
| Doch die Verhandlung zeigte, dasss die Regierungen aller 28 EU-Staaten den | |
| Kurs des EuGH ablehnen und Vorratsdatenspeicherungen zulassen wollen. Das | |
| Urteil in diesem Verfahren wird erst in einigen Monaten verkündet und | |
| vermutlich bereits eine Vorentscheidung für die Lage in Deutschland | |
| bringen. Bis der EuGH über die Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts | |
| entscheidet, wird es noch deutlich länger dauern, etwa eineinhalb Jahre. | |
| 25 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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