# taz.de -- Streit um Vorratsdatenspeicherung: Sie ist wieder da | |
> Die Union drängt wieder auf die Vorratsdatenspeicherung. In der SPD | |
> trifft sie nun aber auf eine neue, starke Gegnerin: Saskia Esken. | |
Bild: Ist die Vorratsdatenspeicherung „unverzichtbar“? Die SPD findet nicht | |
BERLIN taz | Das Instrument ist seit Jahren umstritten, nun will die Union | |
es wiederbeleben: die Vorratsdatenspeicherung. Auf mehreren Ebenen drängen | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Parteikollegen auf den Einsatz | |
und die Ausweitung der Kommunikationsspeicherung. | |
Der jüngste Vorstoß sollte auf der [1][am Mittwoch in Lübeck beginnenden | |
Innenministerkonferenz (IMK)] gemacht werden. Auf Initiative von Seehofer | |
und dem sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU) sollten die Minister | |
aller Länder einen Beschluss fällen: eine Ausweitung der | |
Vorratsdatenspeicherung, diesmal begründet mit der rechtsextremistischen | |
Bedrohung. | |
„Für die Aufdeckung komplexer Netzwerke von Extremisten und anderen | |
Straftätern“ brauche es die „Erarbeitung einer tragfähigen Regelung zur | |
Vorratsdatenspeicherung“, hieß es in einer Beschlussvorlage, die der taz | |
vorliegt. Die Speicherdauer müsse dafür von bisher zehn Wochen auf | |
„mindestens ein halbes Jahr“ ausgeweitet werden. | |
Die Unions-Minister indes scheiterten: Auf Druck der SPD-Seite wurde die | |
Beschlussvorlage wieder gekippt. Verwiesen wurde dort auf noch ausstehende | |
Gerichtsurteile, ob die Vorratsdatenspeicherung in derzeitiger Form | |
rechtmäßig sei. Solange brauche man über das Instrument nicht reden. | |
Die Union aber drängt weiter. Sachsens Innenminister Wöller will sich zum | |
Veto auf der IMK nicht äußern. Aber: Gerade nach den Angriffen in Halle und | |
gegen den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke müsse der Staat | |
„effiziente Wege finden“, gegen rechtsextreme Gefahren möglichst früh | |
vorzugehen und „Geflechte“ aufzudecken, sagte Wöller der taz. Dafür brauc… | |
es auch eine „Erweiterung der Befugnisse“ der Sicherheitsbehörden. | |
## Jahrelanges Hickhack | |
Über die Vorratsdatenspeicherung – das Abspeichern durch Telefon- und | |
Internetfirmen, wer wann wie lange mit wem kommunizierte – [2][wird schon | |
seit Jahren gestritten]. 2015 wiedereingeführt, erklärte sie zuletzt der | |
Europäische Gerichtshof für unverhältnismäßig. Eine dortige Prüfung der | |
deutschen Variante steht noch aus. Deshalb bleibt die | |
Vorratsdatenspeicherung hierzulande zwar eingeführt, wird aber nicht | |
angewendet. | |
Die Union will das ändern. Schon nach dem Anschlag in Halle [3][forderte | |
der CDU-Parteivorstand in einem Maßnahmenpapier] auch die | |
Vorratsdatenspeicherung: Diese sei für Verfassungsschutz und Polizei „von | |
größter Bedeutung“. Zuletzt legten die Justizminister der Union nach. Auf | |
der Justizministerkonferenz der Länder erklärten auch sie die | |
Speicherpflicht für „unverzichtbar“ im Kampf gegen Straftaten im digitalen | |
Zeitalter. Das Bundesjustizministerium müsse sich für eine „Wiederbelebung�… | |
einsetzen. | |
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fordert das Instrument | |
offensiv. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein „unverzichtbares | |
Ermittlungsinstrument“, sagte sein Sprecher der taz. Die bisherige | |
Aussetzung habe bereits zu „erheblichen Ermittlungsdefiziten“ geführt, etwa | |
bei Missbrauchsdelikten. Gerade bei Terrorismus oder der organisierten | |
Kriminalität könne das Instrument Netzwerkstrukturen aufdecken. Die | |
Vorratsdatenspeicherung sei „unerlässlich“. Seehofer kann sich dabei auch | |
auf BKA-Chef Holger Münch berufen, der die Speicherung ebenso einfordert. | |
## Designierte SPD-Chefin: „unzulässiger Eingriff in Grundrechte“ | |
Bei der SPD hält man davon indes weniger. Und dort gibt es eine nun | |
prominente entschiedene Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung: die | |
designierte Parteichefin Saskia Esken. Schon bei der Wiedereinführung der | |
zehnwöchigen Speicherpflicht 2015 durch den damaligen Justizminister Heiko | |
Maas (SPD) hatte [4][die profilierte Digitalpolitikerin] gegen das Vorhaben | |
gestimmt – und gegen die Mehrheit der SPD-Fraktion. Die | |
Vorratsdatenspeicherung sei ein „unzulässiger Eingriff in die Grundrechte | |
der Bürger“, erklärte sie damals. | |
Die Position habe Bestand, sagte Esken am Dienstag der taz: „Ich bleibe bei | |
meiner Einschätzung, dass eine anlasslose und uneingeschränkte | |
Vorratsdatenspeicherung einen zu großen Eingriff in die Grundrechte | |
darstellt und nicht mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist.“ | |
Explizit verwies sie auf die EuGH-Entscheidung von 2016. Als | |
SPD-Parteichefin dürfte Esken damit das jüngste Veto ihrer Parteikollegen | |
gegen das Vorhaben umso mehr zementieren. | |
In der Opposition dürfte man das begrüßen. „Rufe nach der Wiedereinführung | |
dieses Zombies der Sicherheitspolitik bringen realpolitisch gar nichts“, | |
sagte der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz. Die Gerichtsurteile | |
hätten hier „die Tür fest zugeschlagen“. Gerade im Kampf gegen | |
Rechtsextremismus müssten statt Symboldebatten „endlich echte Maßnahmen“ | |
ergriffen werden. Die Regierung müsse die Vorratsdatenspeicherung „ein für | |
allemal zurücknehmen“. Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert | |
„statt anlassloser Massenüberwachung ein passgenaues, verdachtsabhängigen | |
Konzept“. | |
Die zuständige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) jedenfalls | |
sieht keinen Grund für Aktionismus. Auch sie bremst die Union derzeit aus – | |
und verweist ebenso auf die noch ausstehenden Urteile beim EuGH und | |
Bundesverfassungsgericht: „Das sollten wir abwarten, bevor wir über weitere | |
mögliche Maßnahmen nachdenken.“ | |
3 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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