| # taz.de -- Türkische Offensive in Nordsyrien: Ein Hilferuf und viele Folgen | |
| > Mit Unterstützung der syrischen Kurden sind Truppen des Assad-Regimes in | |
| > die Grenzregion zur Türkei zurückgekehrt. Wem hilft das? | |
| Bild: Syrische Soldaten in der nordsyrischen Stadt Tal Tamr | |
| Istanbul taz | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nennt es ein | |
| Gerücht, doch Bilder zeigen es: Der syrische Diktator Baschar al-Assad hat | |
| seine mit den syrischen Kurden getroffene Vereinbarung umgesetzt und | |
| Truppen in das umkämpfte Gebiet in Nordostsyrien geschickt. Nach Angaben | |
| aus Damaskus sind Regimetruppen am Montag in Tal Tamr und Ain Issa | |
| eingerückt. Außerdem hätte die syrische Armee die Stadt Tabka nahe der | |
| einstigen IS-Hochburg Rakka erreicht. | |
| Derweil hat US-Präsident Donald Trump seinen Truppen befohlen, das Land zu | |
| verlassen. Nur etwa 150 US-Soldaten sollen laut Nachrichtenagentur AFP auf | |
| dem südsyrischen Stützpunkt Al-Tanf stationiert bleiben. | |
| Am Sonntagabend hatten Vertreter der Kurdenpartei PYD und ihrer YPG-Miliz | |
| bekanntgegeben, dass sie unter russischer Vermittlung eine Vereinbarung mit | |
| dem Assad-Regime erzielt haben. Diese sieht vor, dass Regierungstruppen | |
| nach Nordsyrien zurückkehren, um gemeinsam mit der YPG die „türkische | |
| Aggression“ abzuwehren. Kurz nach Beginn des Syrienkriegs 2012 hatte Assad | |
| nach einer Verständigung mit den Kurden den größten Teil seiner Truppen aus | |
| dem Nordosten des Landes abgezogen. | |
| Badran Dschia Kurd, ein Sprecher der syrischen Kurden, spielte die | |
| Bedeutung der neuen Allianz zwischen den Kurden und der Assad-Regierung | |
| herunter. „Das ist eine rein militärische Vereinbarung“, sagte er gegenüb… | |
| der Nachrichtenagentur Reuters, „politische Aspekte der kurdischen | |
| Selbstverwaltung werden erst später diskutiert.“ | |
| Doch die Vereinbarung, die ein Ende der kurdischen Selbstverwaltung östlich | |
| des Euphrats bedeuten könnte und hinter der Russlands Präsident Wladimir | |
| Putin steckt, wird die Lage in Nordsyrien entscheidend verändern. Der | |
| [1][am vergangenen Mittwoch begonnene Vormarsch türkischer Truppen in | |
| Nordsyrien] könnte gestoppt und auf das bis zum jetzigen Zeitpunkt besetzte | |
| Gebiet zwischen Tal Abjad und Ras al-Ain beschränkt bleiben. An einer | |
| Stelle haben türkische Truppen bereits die 30 Kilometer von der Grenze | |
| entfernte Autobahn M4 erreicht. | |
| Die an der M4 liegenden Orte Tal Tamr und Ain Issa haben nun aber syrische | |
| Regimetruppen besetzt. Damit stehen sie an ebenjener Linie, die Erdoğan als | |
| südliche Grenze seiner geplanten „Sicherheitszone“ bezeichnet hat, die die | |
| türkische Regierung in Syrien errichten will. | |
| ## Russland kommt ins Spiel | |
| Bleibt es von türkischer und syrischer Seite bei diesen Vorstößen, wird es | |
| keine direkte Konfrontation geben. Allerdings hat Erdoğan angekündigt, dass | |
| syrische Milizen, die mit der Türkei verbündet sind, in Manbidsch und | |
| Kobane einrücken würden, sobald sich der letzte US-Soldat von dort | |
| zurückgezogen hat. | |
| Gleichzeitig kündigte das syrische Staatsfernsehen an, dass Assad-Truppen | |
| Manbidsch und Kobane übernehmen werden. Hier könnte es zu einer | |
| Konfrontation zwischen protürkischen und syrischen Kräften kommen. | |
| Manbidsch steht seit drei Jahren unter YPG-Kontrolle. Kobane ist eine der | |
| größten kurdischen Städte in Syrien und genießt seit dem erfolgreichen | |
| Kampf gegen den IS 2014 einen Heldenstatus unter den Kurden. | |
| Vor dem Hintergrund einer drohenden direkten Konfrontation kommt Russland | |
| ins Spiel. Als wichtigster Alliierter Assads und ständiger Gesprächspartner | |
| Erdoğans muss Putin nun einen Interessenausgleich zwischen beiden | |
| herstellen. Nach dem von US-Präsident Donald Trump angeordneten Rückzug | |
| aller rund 1.000 US-Soldaten aus Nordsyrien, ist Putin nun der neue | |
| Königsmacher in der Region. Schon vor zwei Tagen hat Putin erklärt, dass er | |
| das legitime Sicherheitsbedürfnis der Türkei an ihrer Grenze zu Syrien | |
| akzeptiere. Gleichzeitig aber forderte er Erdoğan auf, in einen Dialog mit | |
| Assad zu treten. | |
| Auch in der Türkei fordert die Opposition seit Monaten, dass sich Erdoğan | |
| zu Gesprächen mit dem Assad-Regime bereit erklärt. Obwohl außer der | |
| kurdisch-linken HDP alle Parteien den Einmarsch unterstützen, fordert die | |
| größte Oppositionspartei CHP eine politische Verständigung mit der | |
| Regierung von Baschar al-Assad, damit die Türkei „aus dem syrischen Sumpf“ | |
| herauskommt. Echte Kritik an dem Einmarsch wird unterdessen in der Türkei | |
| rigoros verfolgt. Gegen die beiden Vorsitzenden der HDP, Pervin Buldan und | |
| Sezai Temelli, wurden Ermittlungen eingeleitet, ebenso wie gegen rund 220 | |
| weitere Personen, die den Einmarsch in sozialen Netzwerken kritisiert | |
| hatten. | |
| 14 Oct 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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