# taz.de -- Brexit-Einigung in Brüssel: Der Deal steht | |
> Großbritannien und die EU haben einen neuen Brexit-Vertragstext | |
> vereinbart. Möglich machte das eine britisch-irische Annäherung. | |
Bild: Der irische Premierminister Leo Varadkar und Boris Johnson vor ihrem Spaz… | |
Berlin taz | Am Anfang stand ein Waldspaziergang. Unter den Bäumen von | |
Thornton Manor, einem Landsitz im englischen Cheshire, räumten der | |
britische Premierminister Boris Johnson und sein irischer Amtskollege Leo | |
Varadkar [1][im trauten Zwiegespräch am 10. Oktober] ihre Brexit-Blockade | |
beiseite. Im mehrstündigen Dialog, während ihre Unterhändler im Haus | |
warteten, trafen sie eine Einigung im Grundsatz darüber, wie ein britischer | |
EU-Austritt aussehen könnte, den auch Irland unterstützt. | |
Wie genau – das blieb im Detail zunächst unklar. Aber es brachte in die | |
Gespräche um ein [2][revidiertes Brexit-Abkommen] zwischen Großbritannien | |
und der EU neuen Schwung. Denn wenn London und Dublin sich einig werden, | |
dann zieht auch die EU als Ganzes mit. | |
Schon am 11. Oktober erhielt EU-Chefunterhändler Michel Barnier ein | |
förmliches EU-Mandat zu Neuverhandlungen über den am Widerstand des | |
britischen Parlaments gescheiterten Brexit-Deal von 2018 – | |
Neuverhandlungen, die die EU bis dahin immer kategorisch ausgeschlossen | |
hatte. Seitdem wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. | |
Am Donnerstagmittag gab EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bekannt, | |
dass der neue Deal steht. Ein revidiertes „Nordirland-Protokoll“ sei | |
vereinbart worden, ebenso eine neue „politische Erklärung“. Damit ist der | |
Weg frei für den EU-Gipfel, der an diesem Donnerstagnachmittag in Brüssel | |
beginnt, den Deal abzusegnen. Am Samstag soll er dann auf einer | |
Sondersitzung des britischen Parlaments eine Mehrheit finden – hofft die | |
Regierung von Premierminister Boris Johnson. | |
## Fundamentale Divergenz | |
Dieser irre knappe Zeitplan macht alles kompliziert. Er besteht deshalb, | |
weil derzeit der 31. Oktober als britischer EU-Austrittstermin feststeht | |
und bis dahin entweder ein Abkommen oder eine Verschiebung beschlossen | |
worden sein muss. | |
Noch am Donnerstagmorgen dauerten Detailgespräche an. Von einem | |
bevorstehenden Durchbruch bis zu gegenseitigen Erpressungsmanövern waren | |
alle denkbaren Deutungen bei Experten abrufbar. | |
Zuletzt sorgte die Meldung für Aufsehen, wonach Nordirlands DUP-Unionisten | |
sich gegen das Paket ausgesprochen hätten, weil sie die vorgesehenen | |
Mechanismen zur nötigen Zustimmung der nordirischen Institutionen anders | |
formuliert sehen wollen. Die DUP bekräftigte ihre Ablehnung am | |
Donnerstagmittag. | |
Kern des Problems war eine fundamentale Divergenz. Aus EU-Sicht darf auf | |
der ganzen Insel Irland keine Zollgrenze entstehen – also muss auch das | |
britische Nordirland Teil des EU-Zollgebiets bleiben, egal was | |
Großbritannien macht. Aus britischer Sicht darf das britische Staatsgebiet | |
nicht in verschiedene Zollgebiete aufgeteilt werden – Theresa May hatte | |
deswegen im Rahmen ihres „Nordirland-Backstop“ den Verbleib des ganzes | |
Landes in der Zollunion anvisiert und war damit im eigenen Parlament | |
gescheitert. | |
## Neues Konzept „Zollpartnerschaft“ | |
Boris Johnson forderte bei seiner Vorlage zu einer Alternative zum Backstop | |
Anfang Oktober den kompletten britischen Austritt aus der Zollunion, | |
inklusive Nordirland. Das aber passt nicht zum EU-Wunsch, dass es keine | |
Zollgrenze auf der irischen Insel geben darf. | |
Der neue britische Vorschlag, der nun die neue Einigung möglich gemacht | |
hat, ist eine „Zollpartnerschaft“: Nordirland verlässt zusammen mit | |
Großbritannien die EU-Zollunion, aber London wendet auf den Warenverkehr | |
von Großbritannien nach Nordirland die EU-Zollregeln an und erstattet den | |
Unternehmen den Zoll wieder, wenn die Waren nicht nach Irland weitergehen, | |
sondern in Nordirland verbleiben. Der irisch-nordirische Warenverkehr auf | |
der Insel könnte damit zollfrei bleiben, so als sei Nordirland in der | |
EU-Zollunion. Nordirland wäre aber Teil des britischen Zollgebiets, was den | |
gesamten anderen Handel angeht. | |
Experten sagen: Das funktioniert, ist aber höllisch kompliziert zu regeln. | |
Wie gießt man das also auf die Schnelle in einen wasserdichten | |
Vertragstext, den alle gutheißen? Und kann dieser rechtzeitig ratifiziert | |
werden, damit der Brexit zum 31. Oktober eintreten kann? [3][Der EU-Gipfel] | |
soll sich am Donnerstagnachmittag damit befassen. | |
17 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Neue-Hoffnung-im-Brexit-Streit/!5632785 | |
[2] /Boris-Johnsons-Parteitagsrede/!5631056 | |
[3] /Brexit-Verhandlungen-vor-dem-EU-Gipfel/!5633892 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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