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# taz.de -- Neue ZDF-Serie „Fett und Fett“: Münchner Lässigkeit
> Die Serie entwickelten zwei Filmstudenten eigentlich nur aus Spaß. Nun
> findet sie eine lohnende Fortsetzung im Nachtprogramm.
Bild: „Ich mach dir ’n Kaffee. Oder wir baden zusammen?“
„Was ist Ihr Problem?“, fragt die Therapeutin. „Bei mir ist, glaub ich, so
im Prinzip alles okay“, sagt der Jaksch. Aber er ist halt so einer von der
eher antriebslosen Sorte, nicht besonders durchsetzungsstark. Wenn ihm eine
immer noch erboste Ex hinterherruft, er solle bitte ’ne Therapie machen,
dann macht er das eben auch. Er erzählt der Therapeutin von dem Abend vor
dem Vorstellungsgespräch: „Und dann dachte ich aber so: Ja, wenn ich jetzt
heute nicht ausgehe, verpasse ich vielleicht an genau dem Abend in der Bar
die große Liebe. Die könnte ich da ja kennenlernen.“
Der alkoholisierte Atem war dann aber gar nicht mal das Hauptproblem im
Vorstellungsgespräch beim Intendanten der Münchner Kammerspiele Matthias
Lilienthal, gespielt vom Intendanten der Münchner Kammerspiele Matthias
Lilienthal. Lilienthal: „Ich find es wichtig, dass man irgend ’ne
Subjektivität hat.“
Die Therapeutin wendet sich entnervt an den Zuschauer: „Ich war doch nicht
sechs Jahre auf der Uni und vier Jahre in der Ausbildung, um mir hier die
Probleme von einem Dreißigjährigen nach dem anderen anzuhören, denen es
eigentlich gut geht, die sich aber alle darüber beschweren, dass sie nicht
wissen, was sie wollen, sich nicht entscheiden können und sich nicht
trauen, ihre Bedürfnisse zu äußern. Wer will denn so was hören?! Wer will
denn so was sehen?!“
Und ob man so was sehen will. Denn es ist ein kaum noch für möglich
gehaltener Glücksfall im zweiten Programm. Wie viele als hippe „Webserie“
gelabelte Miniserien über die Befindlichkeiten der Bewohner von Berliner
WGs hat es da schon gegeben? „Just Push Abuba“, „Nix Festes“. Gefühlt
müssen es noch etwa 15 mehr gewesen sein. Die waren alle nicht ganz
schlecht, aber eben auch arg angestrengt auf eine Zielgruppe gemünzt, die
gar nicht mehr weiß, wofür die Buchstaben Z, D und F überhaupt stehen.
## Das Lamento der Therapeutin
Und jetzt also: „Fett und Fett“. Jetzt also: der Jaksch. Ein Name ist das
wie: Tscharly. Der Held aus Helmut Dietls erster Fernsehserie „Münchner
Geschichten“ (1974). Das Lamento der Therapeutin hört sich an wie eine
Referenz auf den Titel des Buchprojekts von Maximilian Glanz, des Helden
aus Dietls zweiter Serie („Der ganz normale Wahnsinn“, 1979): „Woran es
liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut
geht.“
Und die Arglosigkeit, mit der dieser Jaksch durch die Münchner Straßen und
Nachtlokale streift – oder auch mal nur mit der Badehose am Körper quer
durch die Stadt radelt –, lässt sofort an den „Monaco Franze“ (1983)
denken, Dietls dritten Serienstreich. Als gelernter Berliner war man
jedenfalls fest davon überzeugt, dass die lässigen Tage Münchens lange
vorbei sind.
Welch ein Irrtum! Vielleicht liegt es daran, dass „Fett und Fett“ nicht in
so einem hauseigenen Kreativlabor des ZDF konstruiert wurde. Sondern von
zwei Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film München, so geht die
Legende, aus einer Laune heraus in der Transsibirischen Eisenbahn geboren
wurde. Dass Chiara Grabmayr (Buch und Regie) und Jakob Schreier (Buch und
Jaksch) die – zunächst fünfteilige – Serie dann auch gleich auf eigene
Faust auf die Beine und bei Vimeo reingestellt haben.
Wo sie die ZDF-Scouts dann nur noch entdecken und in die ZDF-Mediathek
rüberschieben mussten. Dort wird sie jetzt unter dem Label „Was zuvor
geschah“ als Prequel verkauft, nur damit die sechs unter Aufsicht und mit
dem Geld des ZDF neu gedrehten Folgen als „Staffel 1“ quasi zur Primetime
des Nachtprogramms (um 0.15 Uhr) im linearen ZDF-Fernsehen schon vorher
gezeigt werden können.
Aber die Lässigkeit, die Melancholie, die Unbeschwertheit, die
Selbstverständlichkeit, die sagenhafte Echtheit der wunderbaren Dialoge
blieb erhalten. Diese Sätze von Hanna (Isabella Wolf), bei der Jaksch
eigentlich nur eine Waschmaschine abholen wollte, könnten in die deutsche
Fernsehgeschichte eingehen: „Ich mach dir ’n Kaffee. Oder wir baden
zusammen?“
Die Waschmaschine muss weg, weil Hanna nach Berlin umzieht. Und weil Jaksch
sie da besucht, spielt die Serie dann übrigens doch noch in Berlin – wo
ihr, anders als dem (unterstellten) Vorbild Helmut Dietl mit seinem letzten
Film, die Lässigkeit auch nicht abhandenkommt.
14 Oct 2019
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
ZDF
Fernsehserie
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Helmut Dietl
Hawaii
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