# taz.de -- Fast Food gefährlich für Wildtiere: Auch Vögel lieben Burger | |
> Essensreste von Fast Food landen oft im Müll und werden dann von | |
> Wildtieren gefressen. Die Menschennahrung kann sie allerdings krank | |
> machen. | |
Bild: Zu hoher Cholesterinwert bei Vögeln in New York – zu viele Burgerreste… | |
BERLIN taz | Der Ornithologe Peter Berthold, einst Leiter der Vogelwarte | |
Radolfzell, veröffentlichte u. a. ein Buch über „Vögel füttern, aber | |
richtig“. Er hält das Füttern, auch wenn dabei die Fressfeinde der Vögel | |
mit angelockt werden, für eine „moralische Pflicht“. Berthold verfüttert | |
nach eigenen Angaben sieben Tonnen pro Jahr an vier Großfutterstellen. | |
Wer den Vögeln wirklich helfen wolle, müsse das ganze Jahr [1][über Nahrung | |
bereitstellen] – nicht nur im Winter, meint Berthold, der sich über diese | |
Frage mit „seiner“ Naturschutzorganisation zerstritt; sie hielt die | |
Winterfütterung für ausreichend, das war noch vor dem „Insektensterben“. | |
Bei den Vögeln gibt es ein Kommen und Gehen. Der Biologe der | |
Humboldt-Universität, Rolf Schneider, hat den Eindruck, dass die Dohlen in | |
Berlin und im Umland langsam verschwinden, dafür kommen immer mehr Elstern | |
und Eichelhäher. | |
Die größte Dohlen-Kolonie befand sich in Köpenick, wo es ab 2003 eine | |
Kooperation der HUB-Biologen mit dem Nabu gab, der Nistkästen für sie | |
aufhing. Laut Schneider bekommen die Dohlen in der Stadt weniger Nachwuchs | |
als auf dem Land: „Das Futterangebot ist problematisch. Zwar gibt es genug | |
Kohlehydrate (Brot z. B.), aber sie brauchen für die Aufzucht Eiweiß | |
(Insekten, Würmer etc.). Die Sterberate der in der Stadt geborenen Jungen | |
beläuft sich auf 70 bis 100 Prozent, auf dem Land betrifft es nur 25 | |
Prozent. Viele der Köpenicker Jungvögel erreichten das Ausfliegegewicht | |
nicht, wir fanden Anzeichen von Pilz- und Nierenerkrankungen.“ | |
## Fütterungsverbote in Städten | |
In Berlin ernähren sie sich quasi vegetarisch, weil es hier als Ersatz für | |
Würmer und Insekten nicht genug Fleischabfälle gibt, die vor allem ihre | |
Jungen brauchen. Zwar haben sich hier die türkischen Schnellimbisse extrem | |
vermehrt, aber ihre Döner werden zumeist aufgegessen und nicht weggeworfen. | |
In den USA ist das anders, denn dort ergaben Untersuchungen an Krähen in | |
New York, dass sie sogar zu viele Hamburgerreste fressen, weswegen sie | |
einen zu hohen Cholesterinspiegel haben. Die Oberhessische Presse schrieb | |
über die Studie: „Fast Food macht krank – diese Warnung können Tiere ihrem | |
Nachwuchs nicht mit auf den Weg geben. Nötig wäre es durchaus.“ | |
Wildvögeln die richtige Nahrung zu geben, kann in einigen Städten aber | |
viele Menschen verärgern. Wie der Gelsenkirchener Jurist Guido Rohrer, der | |
etwa einen Zentner Körnerfutter im Monat kauft, um damit die Tauben zu | |
füttern. | |
Dafür erntet er „Hasskommentare“ wie: „Das ist verboten!“ „Ich rufe … | |
Polizei“, „Du gehörst eingesperrt“. In der Lokalausgabe der WAZ wurde ni… | |
nur das Fütterungsverbot als „ethischer Tierschutz“ bezeichnet und auf die | |
„Zerstörung von Eigentum“ durch die Taubenscheiße hingewiesen, sondern au… | |
dazu aufgefordert, Taubenfütterer polizeilich zu melden. Guido Rohrer | |
meint: „Das ist ein Aufruf zur Denunziation von Leuten, die die Tauben | |
nicht langsam verhungern lassen wollen. Hier werden Tierfreunde wie | |
Verbrecher behandelt.“ | |
## Artgerechtes Füttern | |
Es gibt allerdings mehr Taubenfütterer als man denkt – auch in | |
Gelsenkirchen: „Die meisten tun das jedoch heimlich – abends oder | |
frühmorgens. Und selbst da gibt es Leute, die sie mit Taschenlampen | |
verfolgen.“ Man muss sich die Taubenfütterer vielleicht so ähnlich | |
vorstellen wie das internationale Netzwerk alter Damen, die auf den | |
städtischen Friedhöfen verwilderte Katzen und nebenbei auch noch Füchse und | |
Krähen füttern. Diesen Frauen, schreibt Eva Demski (in „Katzentreffen“ | |
2015) „sieht man auf den ersten Blick nicht an, dass sie im großen Spiel | |
des Lebensgleichgewichts eine besondere Rolle spielen. Sie erscheinen | |
regelmäßig auf den Friedhöfen der Welt, ob in Berlin oder in Rom, Wien, | |
London, Frankfurt, Tübingen oder in Paris.“ | |
Auch die Stadttauben müssten gefüttert werden, sonst ernähren sie sich | |
falsch: Sie müssen zwar kein tierisches Eiweiß für die Aufzucht ihrer | |
Jungen finden, weil sie die einzigen Vögel sind (neben den Flamingos), die | |
Milch produzieren, „Kropfmilch“, mit der sie die Jungen füttern, aber sie | |
brauchen dafür Körnerfutter, kein Weißbrot. | |
In Berlin gibt es kein Fütterungsverbot. Auch die Taubenexpertin Almut | |
Malone ist strikt dagegen, dass sich 7.000 Jahre domestizierte, verwilderte | |
Haustauben von unseren Abfällen ernähren, denn die Tauben brauchen | |
artgerechtes Futter (Körner mit Kalkzusatz). Das, und auch frisches Wasser, | |
gibt man ihnen am Besten in Taubenschlägen, wo sie auch brüten – und man | |
ihnen dann die Eier durch Attrappen ersetzen kann. Wenn man wollte, hätte | |
man in diesen Taubenschlägen auch gleich noch wertvollen Guano-Dünger. | |
## Tauben-Population eindämmen | |
Die Tiermedizinerin Malone hat drei Volieren im Garten und versorgt | |
verwaiste und verletzte Jungtauben. Täglich bekommt sie zehn bis 30 | |
Notrufe, mehrheitlich zu den ganzjährig brütenden Straßentauben. Die | |
gesundgepflegten Tauben werden als kleiner Schwarm im Schlag freigelassen. | |
So sind ihre Überlebenschancen größer, sie hatten alle keine Eltern, die | |
ihnen zeigten, wer Freund und wer Feind ist. | |
Tauben können sieben Mal im Jahr jeweils zwei Küken ausbrüten, nach vier | |
Wochen sind sie flügge und nach vier Monaten geschlechtsreif. In zwei | |
Jahren wären das theoretisch fast 200 Tauben, aber sie haben große | |
Verluste: Etwa 80 Prozent der Küken und 50 Prozent der Jungtauben sterben, | |
schätzt Malone, da die Population gleich hoch bleibt. Sie richtet | |
Taubenschläge, z. B. in der Nähe von Bahnhöfen ein, an denen die Deutsche | |
Bahn Tauben brüten lässt. Die meisten Schläge werden dann von einem Umwelt- | |
und Sozialprojekt mit Jobcenter-Maßnahmen betreut – der von Malone | |
finanzierte ehrenamtlich. | |
In Augsburg hat man es bereits stadtweit geschafft, dass die Tauben weniger | |
und gesünder werden – mit 13 Taubenschlägen und ohne Fütterungsverbot. Für | |
Berlins etwa 10.000 Tauben bräuchte man rund 50 Taubenschläge, bisher gibt | |
es nur sechs. Aber mit solch einem Programm, das etwa drei Millionen Euro | |
kosten würde, „könnte man alle Tauben von den Bahnhöfen und Brücken | |
wegbekommen“. Noch scheut die Deutsche Bahn mit ihren 160 Bahnhöfen in | |
Berlin und der für die Brücken verantwortliche Senat die Ausgaben dafür. | |
## Wildtierjagd in der DDR | |
Das war in der DDR anders, jedenfalls bei den jagbaren Tieren. Die Jagd | |
gehörte dem Volk – bis auf die „Sonder-“ und „Staatsjagdgebiete“. 19… | |
sicherten sich die Politbüromitglieder die interessantesten Jagdgebiete: | |
129 insgesamt, sie wurden immer mehr erweitert, stärker geschützt und | |
eingezäunt. | |
Gleichzeitig wurden ihre „Jagdhütten“ immer üppiger ausgebaut. | |
Zusammengenommen umfassten diese Gebiete schließlich rund 1.200 | |
Quadratkilometer. Im Gegensatz zur BRD hatte dort „die Wildbewirtschaftung | |
absoluten Vorrang gegenüber der Waldbewirtschaftung“, wie der | |
Jagdhistoriker Helmut Suter schreibt (in „Honeckers letzter Hirsch“ – | |
2018). „Um die Jagd interessant zu gestalten und den Erfolg nicht nur dem | |
Zufall zu überlassen, wird in Zukunft von der Möglichkeit, das Wild zu | |
locken, mehr Gebrauch gemacht“, nahm man sich vor. | |
Den Staatsmännern ging es dabei um die Trophäen – wofür sie sich je nach | |
deren Größe Bronze-, Silber- und Goldmedaillen verliehen. Erst einmal | |
musste wegen des zu dichten Wildbestandes zugefüttert werden: mit Hafer, | |
Mais, Kartoffeln, Rüben und einer Silage aus Süßlupinen und Sonnenblumen. | |
Da die Hirsche damit aber nicht schnell genug auf „die gewünschte | |
Geweihmasse“ kamen, wurde das Rotwild auch im Sommer mit Kraftfutter | |
versorgt, „das aus Erdnuss-, Hafer-, Lein- und Sojaschrot sowie einem | |
Mineralstoffgemisch bestand. Jeder Hirsch sollte täglich drei Kilogramm | |
bekommen.“ | |
Für 1972 plante die Jagdwirtschaft laut Helmut Suter einen Bedarf von 1.087 | |
Tonnen Kraftfuttermischung ein, dazu 650 Tonnen Mais und 14 Tonnen Hafer. | |
„Diese Menge lag schon im Jahr darauf bei 1.141 Tonnen. Ähnliches vollzog | |
sich bei den Wildschweinen, wo eine tägliche Zufütterung von einem | |
Kilogramm Mais eingeplant war, hinzu kamen noch Rüben und Raufutter.“ | |
Darüber hinaus brauchte es „neue Äsungsflächen“, deren Fruchtbarkeit man | |
mit Düngung und Beregnungsanlagen verbesserte. Für letztere wurden 14 | |
Tiefbrunnen angelegt. Und das alles, schreibt Helmut Suter, nur wegen des | |
zunehmenden „Wahns nach stärkeren Trophäen“. | |
12 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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