# taz.de -- Studie zu Arm und Reich: Wer arm ist, bekommt auch nichts | |
> Das Bildungspaket zeigt nach einer Studie des Paritätischen | |
> Wohlfahrtsverbands kaum Wirkung. Das gilt besonders für Niedersachsen. | |
Bild: Bildungspaket: Auch für Schulranzen kann das Geld verwendet werden | |
Hannover taz | Der Monatsbeitrag im Sportverein kann damit bezahlt werden | |
oder teilweise die Klassenfahrt. Auch für Nachhilfe, Schulmaterialien und | |
Musikunterricht können Eltern mit geringen Einkommen Geld aus dem | |
[1][sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket] verwenden. Doch was 2011, als | |
diese Zuschüsse für finanziell schwache Familien eingeführt wurden, gut | |
gedacht war, zeigt heute kaum Wirkung. Vor allem Kinder und Jugendliche, | |
die in Hartz-IV-Haushalten in Niedersachsen und Bremen groß werden, | |
erreicht diese finanzielle Leistung selten. | |
Den Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge profitiert | |
nur etwa jedes zehnte Kind von den Zuschüssen. Im Vergleich zu den | |
Vorjahren hat sich dem Bericht zufolge nicht viel getan. Beträgt die | |
aktuelle sogenannte Teilhabequote in Niedersachsen 11,7 Prozent, lag sie | |
vor zwei Jahren bei 11,5 Prozent. In Bremen ist die Teilhabequote von 12,1 | |
auf 12,9 Prozent gestiegen. Diese Quoten seien „niederschmetternd gering“, | |
kommentiert der Verband. | |
Auch im Rest der Republik sieht es kaum besser aus. Das geht aus einer | |
Studie hervor, die der Verband am Dienstag veröffentlicht hat. Bundesweit | |
komme nur jeder siebte 6- bis 14-Jährige in den Genuss der Leistungen. „Das | |
Bildungs- und Teilhabepaket ist und bleibt Murks und geht komplett an der | |
Lebensrealität Heranwachsender und den Strukturen vor Ort vorbei“, sagt | |
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. „Dieses Paket ist | |
durch Reparaturen nicht zu retten. Es ist Zeit, sich von dem verkorksten | |
Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden.“ | |
Andere Länder im Norden schneiden besser ab. Schleswig-Holstein ist das | |
Bundesland mit der grundsätzlich höchsten Teilhabequote. Dort profitiert | |
nahezu jedes zweite anspruchsberechtigte Kind von den Leistungen, in | |
Mecklenburg-Vorpommern beträgt die Quote 28,4 Prozent. Am schlechtesten | |
dran sind Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz und im Saarland: 7,8 | |
und 6,7 Prozent. | |
Auch in den Kommunen hat der Verband regionale Unterschiede festgestellt. | |
In Verden etwa beträgt die Teilhabequote 94,1 Prozent, in Wolfsburg 55,2 | |
Prozent. Währenddessen sind die Region Hannover mit 3,8 Prozent und | |
Lüneburg mit 2,9 Prozent weit abgeschlagen. Das liege unter anderem an den | |
Verwaltungen selbst, heißt es dazu in der Studie – das Antragsverfahren sei | |
zu kompliziert. | |
Darüber hinaus gelinge es manchen Kommunen nicht, das Antragsprozedere so | |
zu vereinfachen, dass es betroffene Familien dazu einlädt, die Leistungen | |
zu beantragen. Wer die Verwaltungen in Hannover und der Region kennt, ahnt, | |
warum in der Landeshauptstadt und in den angeschlossenen Gemeinden so wenig | |
Familien das Bildungspaket in Anspruch nehmen. Die Behörden gelten nicht in | |
jedem Fall als bürger*innenfreundlich, mitunter arbeiten sie behäbig und | |
umständlich. | |
Das Bildungspaket hatte einst Ursula von der Leyen, heute | |
EU-Kommissionspräsidentin, auf den Weg gebracht. Damals war von der Leyen | |
Arbeitsministerin und wurde wegen ihres Engagements für | |
[2][Hartz-IV-Familien] als „Sozial-Nanny der Nation“ verunglimpft. | |
Belächelt wurde sie vor allem für ihren immer wieder vorgebrachten Einsatz | |
des „warmen Mittagessens“ für jedes Kind. Damals wurde bekannt, dass jedes | |
siebte Kind ohne Frühstück in die Schule geht. Manche, weil sie morgens | |
keinen Hunger, andere, weil ihre Eltern zu wenig Geld für eine ausgewogene | |
erste Mahlzeit hätten. | |
Das Bildungspaket, das Kindern aus sozial schwachen Familien helfen sollte, | |
ist weitgehend gescheitert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sehe es | |
daher am liebsten ganz abgeschafft. Ebenso sollte die Verteilung von | |
Gutscheinen ein Ende finden. | |
Stattdessen schlägt der Verband eine pauschale Auszahlung von 15 Euro pro | |
Kind pro Monat vor. Andere Verbände fordern seit Jahren eine | |
Kindergrundsicherung, die sämtliche Kinder-, Sozial- und Hilfeleistungen | |
zusammenfasst. Das Bündnis Kindergrundsicherung, dem Wohlfahrts- und | |
Familienverbände, Gewerkschaften und Einzelwissenschaftler*innen | |
angehören, schlägt monatlich 573 Euro für jedes Kind vor. | |
9 Oct 2019 | |
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[1] /Bildungs--und-Teilhabepaket-BuT/!5530021 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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