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# taz.de -- Bayerische Pegida in der Hauptstadt: Münchner Nazi genießt Berlin
> Polizei sperrt Teile der Rigaer Straße und des Görlitzer Parks ab. Grund:
> Die 5-Personen-Kundgebung eines bundesweit bekannten Rechtsextremisten.
Bild: Proteste gegen die 5-Personen-Kundgebung in der Rigaer Straße
Es war bizarr. Gleich zweimal hat der bekannte Rechtsextremist und Chef der
Pegida München, Heinz Meyer öffentliche Räume in Berlin unter Ausnutzung
der Versammlungsfreiheit stundenlang für seine Propaganda nutzen können.
Die erste Kundgebung war von Freitag auf Samstag für 24 Stunden im
Görlitzer Park angemeldet worden. Die zweite von Samstagnachmittag bis
Mitternacht in der Rigaer Straße. In beiden Fällen hatte die Polizei den
Bereich weiträumig für Meyers 5-Mann-Kundgebung abgesperrt. Begleitet war
dies von Gegendemonstrationen. Über 400 Beamte waren insgesamt im Einsatz.
Der 58-jährige Heinz Meyer gehört Medienberichten zufolge zu den bundesweit
39 besonders gefährlichen Personen aus der rechten Szene. Seit 2012 werde
gegen den Münchner Pegida-Chef wegen Verdachts auf Bildung einer
terroristischen Vereinigung ermittelt. Unabhängig davon wurde er kürzlich
wegen Besitzes von kiloweise Schwarzpulver und zwei Fällen von
Volksverhetzung in München zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen
verurteilt.
Aber nicht nur deshalb dürfte der Berliner Polizei bekannt gewesen sein, um
wen es sich bei dem Anmelder der beiden Kundgebungen handelte. In Hamburg
hatte Meyer rund um den diesjährigen 1. Mai eine Dauerkundgebung vor dem
autonomen Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel angemeldet. Nachdem
die Polizei diverse Auflagen angekündigt hatte, war die Veranstaltung
abgesagt worden. Auch war Meyer von der Hamburger Polizei als
Versammlungsleiter abgelehnt worden, da er den Anforderungen nicht genüge.
Punkmusik gegen rechte Rapper in der Rigaer Straße
Samstagnachmittag in Berlin-Friedrichshain: 5 Personen, darunter Heinz
Meyer, verfolgten auf Plastikstühlen sitzend, wie die Polizei den ganzen
Schleidenplatz für sie absperrte. Es ist der letzte Zipfel der Rigaer
Straße, ein weitläufiger Platz, viele Geschäfte, der Zugang zur S-Bahn und
einem großen Einkaufszentrum. Alle fünf Zufahrtsstraßen wurden versperrt,
nur AnwohnerInnen konnten noch rein und raus. Zwei Frauen hatten sich
hinter die Absperrung gemogelt, die beiden hielten Schilder in den Händen:
„Kein Schleidenplatz für Pegida“ steht darauf, sie wurden von der Polizei
aus der Absperrzone geführt. Ein Anwohner versuchte mit lauter Punkmusik zu
übertönen, was Pegida München aus den Boxen blies. „Alerta Alerta
Antifascista“ gegen den identitären Rapper Komplott. „Mein Volk, wie kein
zweites auf der Erde / Heute bricht der Wolf in deine Herde“ brüllte der
vom Band. Pegida hatte eindeutig die lauteste Anlage an diesem Abend.
„Das ist Verhöhnung, verfassungsfeindlich“, beschwerte sich ein Anwohner
bei der Polizei, als aus den Pegida-Boxen schließlich immer wieder ein
muslimischer Gebetsruf ertönte. „Ist so genehmigt, können wir nichts
machen“, erwiderte der Beamte. „Wir haben nicht mal die Hälfte unserer
Kunden und das an einem Samstag. Wer ersetzt uns das?!“, schimpfte der
Verkäufer eines syrischen Imbisses über die Unverhältnismäßigkeit der
weiträumigen Absperrung, für fünf Leute. Der Geschäftsführer eines
Burgerladens in der Absperrzone stimmte zu, sagte aber auch: „Das berührt
mich doch nicht, diese paar Menschen. Gut, dass man sich von denen ein Bild
machen kann. Das so viele dagegen protestieren, ihr Gesicht zeigen, das
berührt mich viel mehr.“
Rund 150 GegendemonstrantInnen drängten sich hinter dem Absperrgitter an
der Südostachse des Platzes, trillernd, singend, schreiend, während die
Polizei ihre Gruppenwagen in Position brachte, um die Straßen bei Bedarf
noch dichter zu machen, als sie ohnehin schon waren. [1][In der Nacht soll
es Zusammenstöße mit der Polizei und Verletzte gegeben haben], während es
in der Nacht zuvor im Görlitzer Park ruhig blieb.
## Pegida-Filmnacht im Görli
24 Stunden hatte die Polizei ab Freitagmittag den Bereich im Görlitzer Park
rund um den Pamukkale-Brunnen weiträumig abgesperrt. In der Mitte der weiße
Van, eine Leinwand, Lautsprecher, Fahnen und fünf Personen, die sich
abwechselnd in das Auto zurückzogen. Von den gezeigten Filmen war aus der
Ferne nicht viel zu sehen. Den ganzen Freitagnachmittag über und auch
nachts, als es in Strömen goss, bildeten sich an der Absperrung immer
wieder kleine Gruppen von Gegendemonstranten. In der Regel waren es nach
Informationen der taz ganz normale Kreuzberger Anwohner. Die Polizei habe
grundsätzlich niemanden durchgelassen, berichtet eine Jurastudentin. Sie
habe sich nach der Rechtsgrundlage für die unverhältnismäßige Absperrung
und Zeitdauer der Veranstaltung erkundigt.
Auch einen Tag danach zeigen sich Anwohner des Görli noch fassungslos. „24
Stunden Absperrung öffentlicher Plätze für fünf Hansel – wenn das Schule
macht, gute Nacht“, sagt ein Mann. „Das Ganze hatte etwas Verhöhnendes,
Obszönes“, sagte eine Frau, in deren Wohnung die ganze Nacht das Licht der
Bilder flackerte. „Sie schließen die Öffentlichkeit aus und dringen
gleichzeitig in die Privatheit der Anwohner.“
Die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut, so Polizeisprecher Thilo
Cablitz auf Nachfrage. Für die Polizei gehe es darum, die betroffenen
Rechtsgüter in Einklang zu bringen. Die Öffentlichkeit habe
Beeinträchtigungen hinzunehmen, egal wo man wohne. In der Rigaer Straße sei
die Kundgebung, die ursprünglich vor dem Hausprojekt Nummer 94 stattfinden
sollte, allerdings aus Sicherheitsgründen ans andere Ende der Straße auf
den Schleidenplatz verlegt worden. In diesem Punkt ist die Berliner Polizei
dem Beispiel Hamburg. Auch der beantragte Zeitraum für die Kundgebung wurde
laut Cablitz um elf Stunden verkürzt. Um Mitternacht sei die Pegida-Leute
aufgefordert worden, einzupacken.
Im Bereich Görlitzer Park hingegen, so Cablitz, habe man keine
Beeinträchtigung gesehen, die zeitliche oder räumliche Auflagen
gerechtfertigt hätten. Das Abspielen des Deutschlandlieds sei auf beiden
Kundgebungen untersagt worden.
„Das muss nicht jedem gefallen“, verweist Niklas Schrader, innenpolitischer
Sprecher der Linken auf die Rechtslage. Aber jeder könne eine Veranstaltung
mit drei Leuten anmelden, auch verurteilte Straftäter. Auch der zeitlichen
Dauer seien keine Grenzen gesetzt. Auflagen bis hin zum Verbot könnten nur
wegen zu erwartender Straftaten erlassen werden. Die Polizei müsse aber
immer dafür sorgen, dass Proteste in Hör- und Sichtweite möglich sind.
Auch der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro verweist
auf das Versammlungsgesetz. Aber natürlich sei man bei der Polizei „nicht
glücklich darüber, dass ein bekannter Rechtsextremist nach Berlin kommt und
für einen Ausnahmezustand sorgt“. Der hohe Personaleinsatz sei wegen zu
erwartender Gegenproteste allerdings gerechtfertigt gewesen.
6 Oct 2019
## LINKS
[1] /Boese-Polizisten/!5628520
## AUTOREN
Manuela Heim
Plutonia Plarre
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Pegida
Görlitzer Park
Rigaer Straße
Polizei Berlin
Rechtsextremismus
Antifaschismus
Schwerpunkt Pegida
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