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# taz.de -- Leichtathletik-WM in Katar: Zweierlei Maß
> Die Menschenrechtslage in Katar wird mit Blick auf die Fußball-WM 2022
> genau geprüft. Doch was ist mit der Leichtathletik-WM in wenigen Tagen?
Bild: Imagegewinn durch den Sport: in Katar setzt man vor allem auf die Fußbal…
Wieder einmal hat Katar seine Versprechen gebrochen. Der
Fußball-WM-Ausrichter und mächtige Player im globalen Sport lässt Arbeiter
weiterhin unter katastrophalen Bedingungen schuften, so [1][Amnesty
International]. Für einen Bericht hat die Organisation die Lage von
Hunderten Mitarbeitern dreier Unternehmen in der Bau- und Reinigungsbranche
dokumentiert, die monatelang ohne Bezahlung arbeiteten. Viele Gastarbeiter
kehrten ohne jedes Geld zurück. Zwar hat das Emirat ein Gremium zur
Streitschlichtung eingeführt, aber in 1.620 Fällen habe kein einziger
Beschwerdeführer eine Entschädigung erhalten, schreibt Der Standard.
Außerdem seien die Stellen so dünn besetzt, dass die Bearbeitung der Fälle
Monate dauere. Die Fifa wiederum hat daraufhin erst mal bekannt gegeben,
dass es sich nicht um WM-Baustellen handelte, und man sich weiterhin um die
Arbeiterrechte bei „WM-bezogenen Aktivitäten“ kümmere. Es ist ein
vielsagender Hinweis auf das Verständnis des Weltverbands von
Menschenrechten: sie zählen höchstens dann, wenn man selbst betroffen ist.
Andere Firmen im Gastgeberland? Ach komm, hör auf. Es geht um ein sauberes
Image der Fifa, nicht um Rechte in Katar.
Nun kann man die Fifa, andererseits, in dieser Hinsicht wirklich nicht
beneiden. Die meisten globalen Konzerne und Verbände dürfen munter
Geschäfte machen, mit wem sie wollen, ohne sich von der Öffentlichkeit
hinterfragen zu lassen. Das gilt auch für die Sportverbände: in einer Woche
zum Beispiel beginnt die [2][Leichtathletik-WM] in, genau, Katar, völlig
ohne Begleiterscheinungen wie Menschenrechtsdebatten. Man ist ja froh, wenn
irgendjemand für Leichtathletik zahlt.
Im Fußball, zumindest, findet die Diskussion statt. Das Emirat musste sich,
auch das ein Verdienst der Menschenrechts-Organisationen, auf
mikroskopische rechtliche Verbesserungen einlassen. Einem Staat, der Sport
so massiv für das eigene Image nutzt, tun Boykott-Diskussionen tatsächlich
weh.
## Druckmittel auf Zeit
Der Fußball hat es geschafft, sehr ansatzweise, eine Rolle zu übernehmen,
die die Zivilgesellschaft dort nicht übernehmen kann. Weil von den 2,7
Millionen Einwohnern rund zwei Millionen Ausländer sind, oft weitgehend
rechtlose Gastarbeiter. Im besten Fall gibt der kurze Leuchtkegel der
Welt-Aufmerksamkeit ihnen Werkzeuge an die Hand, um sich zur Wehr zu
setzen. Fußball wird ein unfreiwilliges Druckmittel auf Zeit – bis die WM
weiterzieht. Denn, nein, das Engagement einer lokalen Zivilgesellschaft
kann der Fußball dauerhaft nicht ersetzen.
Ein bitterer Beigeschmack bleibt unbeachtet: die politische Kritik rund um
Großturniere ist höchst asymmetrisch. Sie richtet sich aus westlichen
Industrienationen an den Rest der Welt, und nie umgekehrt. Man könnte ja
auch auf die Idee kommen, ein deutsches Turnier an Bedingungen zu knüpfen.
Ein Land, das tausende Bürger anderer Staaten mutwillig im Mittelmeer
ertrinken lässt, das unbescholtene Menschen „abschiebt“ und rücksichtslos
so viel CO2 in die Luft pustet, dass es die Lebensgrundlage gerade der
Ärmsten und letztlich aller bedroht: vielleicht sollte so ein Land auch
keine EM ausrichten dürfen.
Nein, man sollte auch so ein Turnier an Verbesserungen knüpfen. Aber
welches Land aus dem globalen Süden hätte die Macht, das mit
Erfolgsaussicht zu fordern? Und die katarischen Machthaber, die den
Einfluss hätten, nun ja: denen sind Menschenrechte eben scheißegal.
20 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/katar-baufirma-wm-austragungsort…
[2] https://iaafworldathleticschamps.com/doha2019/
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Kolumne Frühsport
Katar
Menschenrechte
Leichtathletik-WM
Fifa
Fußball-WM 2022
Katar
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US-Sport
Katar
Frauen-WM 2019
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