# taz.de -- Proteste in Hongkong: Gewalt als zynisches Kalkül | |
> Bei den Straßenprotesten schießt die Polizei erstmals gezielt auf einen | |
> Demonstranten. Ein Eingreifen Pekings hätte einen sehr hohen Preis. | |
Bild: Szenen der Zerstörung: Demonstrant vor einer brennenden Barrikade in Hon… | |
Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis es bei den seit Wochen andauernden | |
Massenprotesten in Hongkong erste Tote gibt. Bis jetzt war dies zum Glück | |
noch nicht der Fall. Doch machten allein an diesem 1. Oktober, [1][Chinas | |
Nationalfeiertag] und Hongkongs „Tag der Trauer“, Polizisten bislang | |
fünfmal von der Schusswaffe Gebrauch. [2][Erstmals wurde gezielt auf einen | |
Demonstranten geschossen], der in die Brust getroffen wurde. Bisher hat er | |
überlebt. Umgekehrt prügeln einige Demonstranten mit großer Heftigkeit auf | |
Polizisten ein, die dabei um ihr Leben fürchten dürften. Auch beim Werfen | |
mit Brandsätzen oder dem Anzünden von Gebäudeeingängen und U-Bahnhöfen kann | |
es zu Todesopfern kommen. | |
Auf beiden Seiten scheint es Personen zu geben, denen dies ins Kalkül | |
passt. Hongkongs Regierung hat von vornherein die hinter den Protesten | |
stehenden politischen und sozialen Probleme hauptsächlich mit polizeilichen | |
Mitteln zu lösen versucht. Eine politische Antwort, die Rücknahme des | |
umstrittenen Auslieferungsgesetzes, kam viel zu spät. | |
Da hatten Demonstranten längst das Gefühl, dass sie auch dann ignoriert | |
werden, wenn sie [3][mit zwei Millionen Menschen auf die Straße] gehen. | |
Mehr Druck könnten sie nur noch ausüben, wenn sie zu Gewalt greifen, ist | |
die fatale Schlussfolgerung. Zuvor hatten manche schon die Erfahrung | |
gemacht, dass sie bei Wahlen nicht zugelassen oder ihnen später ihre Sitze | |
wieder aberkannt wurden. Seitdem tragen Ohnmacht und Verzweiflung zur | |
Gewalt der Demonstranten bei. | |
Hongkongs Polizei genoss früher hohes Ansehen. Der Ruf ist inzwischen | |
ruiniert. Zum einen, weil sie die Gewalt prochinesischer Schlägertrupps | |
tolerierte. Zum anderen, weil sie selbst immer brutaler agiert. Die | |
Regierung in Peking fordert seit Wochen ein hartes Vorgehen, weil sie die | |
Demonstranten nur als Chaoten sieht. Gibt es Tote, würde dies einen | |
[4][willkommenen Vorwand zum hartem Durchgreifen Chinas] liefern. Denn das | |
würde zeigen: Hongkong kann seine Probleme nur mit Pekings Hilfe | |
bewältigen. | |
## Es braucht ehrliche politische Angebote | |
Doch die Gewalt und mögliche Tote lassen sich nicht mit | |
Demonstrationsverboten verhindern, wie Hongkongs Regierung das bisher | |
versucht. Dies scheint den Widerstand sogar noch anzufachen. Ein | |
gewaltsames Eingreifen Chinas hätte auch für Peking einen sehr hohen Preis. | |
Es braucht ehrliche politische Angebote und eine Art Runden Tisch, der, wie | |
von den Demonstranten seit Wochen gefordert, auch die Gewalt der Polizei | |
(und die der Demonstranten) thematisiert. Das zu verweigern heißt, weiter | |
auf Gewalt zu setzen und Tote billigend in Kauf zu nehmen. | |
1 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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