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# taz.de -- Proteste in Hongkong: Maskiert trotz Verbot
> Hunderte Demonstranten widersetzten sich am Samstag dem Erlass der
> Regierung. Das U-Bahnnetz blieb stillgelegt. Ein weiteres Schussopfer ist
> zu beklagen.
Bild: Sie demonstrieren dennoch mit Gesichtsschutz gegen Polizeibrutalität
HONGKONG dpa | Hunderte meist maskierte Demonstranten haben am Samstag in
Hongkong dem [1][neu erlassenen Vermummungsverbot] getrotzt. Bei einem
ungenehmigten Marsch durch ein Einkaufsviertel protestierten sie gegen
Polizeibrutalität und die Regierung.
Nach den schweren Ausschreitungen am Freitagabend sprach Regierungschefin
Carrie Lam von einer „sehr dunklen Nacht“. Die Proteste waren im Laufe des
Abends eskaliert und in Chaos umgeschlagen. Radikale Kräfte bauten
Straßenblockaden, warfen Brandsätze, demolierten U-Bahnstationen und
Geschäfte. „Die Stadt ist heute halb gelähmt“, sagte Lam. Die Regierung
werde mit „äußerster Entschlossenheit“ gegen Gewalt vorgehen.
Eigentlich waren an diesem Wochenende in der chinesischen
Sonderverwaltungsregion kaum Proteste geplant. Doch die überraschende
Verhängung des Vermummungsverbotes mit einem Rückgriff auf ein fast 100
Jahre altes koloniales Notstandsgesetz hat die Spannungen wieder
verschärft. Es gibt Regierungschefin Carrie Lam noch viel weiter reichende
Vollmachen.
In einem ungewöhnlichen Schritt war das U-Bahnnetz, das sonst täglich
Millionen von Passagieren transportiert, auch am Samstag zunächst
stillgelegt. Der Dienst auf allen Linien war am Vorabend gestoppt worden,
weil Protestierende Stationen demoliert und Brände gelegt hatten. Auch der
Airport Express fuhr erst am frühen Nachmittag Ortszeit wieder von der
Innenstadt zum internationalen Flughafen.
Aus Angst vor neuen Ausschreitungen blieben am Samstag viele
Einkaufszentren geschlossen. Auch hatten Geschäfte und Banken zu, die
Beziehungen zu China haben und deswegen zum Ziel von Protestaktionen werden
könnten. Selbst der legendäre Hongkonger Jockey Club sagte alle
Pferderennen ab. In sozialen Netzwerken gab es Aufrufe zu neuen
Demonstrationen, aber auch den Vorschlag, „einen Tag Pause“ einzulegen.
## Video zeigt Angriff mit Brandsatz
Es gab ein [2][zweites Schussopfer] bei den Protesten. Ein erst 14-Jähriger
wurde von einem Polizisten angeschossen. Die Kugel traf seinen
Oberschenkel. Während es zunächst geheißen hatte, der Polizist sei nicht im
Dienst gewesen, teilte die Polizei in der Nacht mit, ein Beamter in Zivil
habe „einen Schuss in Selbstverteidigung“ abgegeben. Sein Leben sei
ernsthaft bedroht gewesen. Er sei von einer „großen Gruppe von Aufrührern“
angegriffen worden.
In einem Video in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie der Polizist
verprügelt wurde. Dann wurde ein Brandsatz auf ihn geworfen, der ihn kurz
in Flammen hüllte. Doch konnte er dem Feuer entkommen. Ihm entglitt die
Waffe. Er holte sie jedoch vom Boden zurück, bevor ein Demonstrant sie
aufgreifen konnte. Er verlor aber sein Magazin. Als der Beamte im Gesicht
blutend versuchte, über das Handy Hilfe zu rufen, landete ein weiterer
Brandsatz brennend vor seinen Füßen.
## Experten skeptisch, ob Verbot durchsetzbar ist
Das Vermummungsverbot gilt seit Mitternacht. Es dürfte jedoch erst langsam
umgesetzt werden, weil die Polizisten noch instruiert werden müssen, wie
sie vorgehen sollen. Experten zeigten sich auch skeptisch, ob es radikale
Demonstranten abschreckt. Sie hätten sich trotz angedrohter Haftstrafen bei
illegalen Versammlungen nicht davon abhalten lassen, auf die Straße zu
gehen, wenn Protestmärsche verboten worden waren, wurde argumentiert.
Obwohl für den Bann das fast 100 Jahre alte Notstandsgesetz bemüht wurde,
betonte Regierungschefin Lam, dass sie nicht den Notstand ausrufe. Auch sei
Hongkong nicht in einem Notstand. Das Gesetz „für Notfälle und bei
öffentlicher Gefahr“ hatten die britischen Kolonialherren 1922 erlassen und
nur zweimal angewandt wurde: Um im selben Jahr einen Streik von Seeleuten
niederzuschlagen sowie 1967 bei Unruhen prokommunistischer Kräfte.
Das Gesetz unter Kapitel 241 ermöglicht weitere Notstandsmaßnahmen, „die
als notwendig im öffentlichen Interesse betrachtet werden“. Ausdrücklich
genannt werden unter anderem Zensur, erleichterte Festnahmen und
Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme und die Unterbrechung von
Kommunikationsnetzwerken.
## Weitere Notstandsmaßnahmen möglich
Justizministerin Theresa Cheng wollte nicht ausschließen, dass die
Regierung mit Hilfe des Notstandsrechtes noch weitere Schritte beschließen
könnte, [3][wie die South China Morning Post berichtete]. Genannt wurden
unter anderem längere Haftzeiten für Festgenommene. Bisher wurden mehr als
2.000 Demonstranten festgenommen. Viele sind auf Kaution auf freiem Fuß,
bis sie vor Gericht erscheinen müssen.
Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie mit
einem eigenen Grundgesetz nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“
autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger stehen unter Chinas
Souveränität, genießen aber – anders als die Menschen in der
kommunistischen Volksrepublik – [4][mehr Rechte wie Meinungs- und
Versammlungsfreiheit, um die sie jetzt fürchten].
5 Oct 2019
## LINKS
[1] /Anhaltende-Krise-in-Hongkong/!5631233
[2] /Proteste-in-Hongkong/!5626728
[3] https://www.scmp.com/news/hong-kong/politics/article/3031680/hong-kong-lead…
[4] /Menschenrechte-in-Hongkong/!5629286
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