| # taz.de -- Flüchtlinge aus Libyen evakuiert: Endlich ohne Angst | |
| > Der erste UN-Flug für in Libyen inhaftierte Migranten ist in Ruanda | |
| > gelandet. 66 Eritreer, Sudanesen und Somalier waren dabei. | |
| Bild: UNHCR-überwacht: Ankunft in Kigali und Einstieg in den Bus nach Gashora | |
| Tunis/Berlin taz | Bürgermeister Richard Mutabazi begrüßte jeden Flüchtling | |
| persönlich mit einer Umarmung. Ein Kleinkind strahlte, als er es grinsend | |
| an die Decke hob. „Hier sind meine neuen Freunde, Noho (3 Jahre) und | |
| Bethlehem (4 Jahre)“, schrieb der Bürgermeister des ruandischen Distrikts | |
| Bugesera auf seinem Twitterkonto im Begleittext zu diesen Fotos. „Noho ist | |
| total süß und ich kann jetzt zu Bett gehen, da sie alle schlafen, nach | |
| ihrer ersten ruandischen Mahlzeit: Sie haben auch ihr erstes ruandisches | |
| Wort gelernt: Hobeee“ (Sei umarmt). | |
| Es war später Abend am vergangenen Donnerstag, als das vom | |
| UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gecharterte Flugzeug mit 66 Eritreern, | |
| Sudanesen und Somaliern an Bord am Flughafen in Ruandas Hauptstadt Kigali | |
| landete. | |
| Jüngster Passagier unter den 66 war ein zwei Monate altes Baby, das seine | |
| somalische Mutter in einem libyschen Lager geboren hatte. 22 der | |
| Evakuierten sind unbegleitete Kinder. | |
| Es war der erste Evakuierungsflug in einer geplanten Luftbrücke, die | |
| inhaftierte Migranten aus Libyen in Ruanda in Sicherheit bringen soll. Ein | |
| zweiter Flug nach Kigali ist für Mitte Oktober mit 125 Menschen an Bord | |
| geplant. | |
| ## Die EU bietet keinen Schutz | |
| Die ruandische Regierung hatte sich Anfang September in einer mit dem UNHCR | |
| und der Afrikanischen Union geschlossenen Vereinbarung bereit erklärt, | |
| zunächst 500 in der libyschen Hauptstadt Tripolis inhaftierte Migranten | |
| aufzunehmen. | |
| Illegale Migration gilt in Libyen als Straftat, viele der nach UN-Angaben | |
| 42.000 Flüchtlinge dort fürchten, von Milizen auf offener Straße entführt | |
| zu werden. Migranten und Flüchtlinge in Tripolis berichten immer wieder von | |
| Zwangsarbeit an den Frontlinien des libyschen Bürgerkrieges im Süden der | |
| Stadt. Aber Tunesien und die EU-Länder weigern sich, den von Folter und | |
| Zwangsarbeit traumatisierten Betroffenen vorübergehend Schutz zu gewähren. | |
| Bisher war nur Niger bereit, 1500 Asylbewerber aufzunehmen. | |
| Wegen des Krieges um die libysche Hauptstadt wollen die UNO und das | |
| libysche Innenministerium nun zumindest die offiziellen Gefängnisse mit | |
| ehemals 4500 Insassen räumen. Im Juli waren über 40 Menschen bei einem | |
| Luftangriff auf eine Lagerhalle gestorben, in der Migranten und Flüchtlinge | |
| als Häftlinge untergebracht waren. | |
| Es ist höchste Zeit. Nachdem in der Stadt Zintan bereits Lagerinsassen an | |
| einer einfachen Wundinfektion starben, sind dort mehrere Hundert Eritreer | |
| in einen Hungerstreik getreten. Der libysche Arzt Mohamed Aborgba hat in | |
| den letzten Wochen mehrere Gefängnisse besucht und warnt vor dem Ausbruch | |
| von Seuchen: „Wir haben schon zu wenig Medikamente für die Verletzten an | |
| der Front und den 120.000 libyschen Kriegs-Flüchtlingen. Die Spannungen | |
| zwischen der Bevölkerung und den Migranten steigen.“ | |
| ## Nur wenige Kilometer an der Frontlinie vorbei | |
| Da der Flughafen von Tripolis für den zivilen Flugverkehr gesperrt ist, | |
| müssen die Evakuierungsflüge nach Ruanda aus dem 200 Kilometer entfernten | |
| Misrata starten. Die Fahrt dorthin aus Tripolis führt nur wenige Kilometer | |
| an der Frontlinie vorbei. | |
| In Ruanda wurden die Evakuierten vom Flughafen direkt ins UNHCR-überwachte | |
| Transitzentrum Gashora im Distrikt Bugesera im Südosten des Landes gebracht | |
| und dort offiziell willkommen geheißen. Im Lager erhalten sie nach | |
| UNHCR-Angaben Grundversorgung, medizinische Behandlung sowie Sprach- und | |
| Berufsausbildung. In Interviews sagten Migranten, am wichtigsten sei ihnen | |
| die Impfung ihrer Kinder und Schulbildung. | |
| Zugleich wird geprüft, ob die Migranten asylberechtigt sind, für eine | |
| Ansiedlung in einem Drittland (Resettlement) in Frage kommen, sich in | |
| Ruanda niederlassen oder in die Heimat zurückkehren wollen. „Man kann gar | |
| nicht überbewerten, wie wichtig diese Evakuierungen sind“, sagte | |
| UNHCR-Sonderbeauftragter Vincent Cochetel. „Sie sind lebenswichtig.“ Das | |
| UNHCR veranschlagt die Kosten des Evakuierungs- und Hilfsprogramms auf 10 | |
| Millionen US-Dollar bis Jahresende. | |
| 30 Sep 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
| Dominic Johnson | |
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