| # taz.de -- Kampfsportler über Politik und MMA: „Spiel um körperliche Domin… | |
| > „Mixed Martial Arts“ (MMA) sei nicht brutaler als Boxen, sagt | |
| > Kampfsportler Jesse-Björn Buckler. Neonazis in der Szene will er nicht | |
| > hinnehmen. | |
| Bild: Zuletzt 2018 in Hamburg: Kampfsport-Event „We love MMA“ | |
| taz: Herr Buckler, ist [1][Mixed Martial Arts (MMA) noch ein Nischensport]? | |
| Jesse-Björn Buckler: Abgesehen vom Boxen führt jeder Vollkontakt-Kampsport | |
| in Deutschland ein Nischendasein. Fast jeder kennt den Boxer Henry Maske, | |
| kaum einer könnte einen MMA-Kämpfer nennen. | |
| MMA war lange als regellose Schlägerei im Käfig oder als „Blut-Boxen“ | |
| verrufen. [2][Mittlerweile darf der Sport im Fernsehen laufen]. Warum | |
| begeistern sich mehr Leute dafür? | |
| Ich denke, unsere Gesellschaft ist heimlich ins Kämpfen verliebt. Wir | |
| finden es einfach spannend, wenn Menschen gegeneinander kämpfen. Und in den | |
| letzten Jahren ist Kampfsport allgemein populärer geworden, weil der Sport | |
| weit genug raus aus der „Brutalo-Ecke“ ist. Der Profi-Kampfsport, egal ob | |
| Boxen, Kickboxen oder MMA, bedient diese Verliebtheit und macht daraus ein | |
| Geschäft. | |
| Aber MMA ist mehr als eine professionalisierte Schlägerei? | |
| Ja. Ein Problem ist, dass MMA mit dem harten Image spielt. MMA behauptet, | |
| besonders nah an echten Kämpfen zu sein. Die Ultimate Fighting Championship | |
| (UFC), die bedeutendste MMA-Organisation, hat sogar zeitweise mit dem | |
| Slogan „As Real As It Gets“ geworben und ganz bewusst mit der Nähe zur | |
| echten Gewalt kokettiert. | |
| Wie sehen Sie das? | |
| Ich bestehe auf dem Unterschied zwischen Sport und Gewalt. Gewalt ist | |
| etwas, was mir aufgezwungen wird, dem ich mich nicht entziehen kann, das | |
| mich verletzt und entwürdigt. Kampfsport hat zweifellos gewalttätige | |
| Komponenten, aber selbst ein verbissener Kampf im Ring oder Cage ist etwas | |
| anderes als eine Schlägerei auf der Straße. Im Kampfsport treffen sich zwei | |
| Freiwillige nach monatelanger körperlicher und mentaler Vorbereitung zum | |
| zuweilen annehmbar bezahlten Wettkampf. | |
| Gleichzeitig geht es oft brutaler zu als beim Boxen. | |
| Ja, manchmal geht es recht ruppig zu. MMA ist ein Vollkontakt-Kampfsport. | |
| Kämpfe enden wie im Boxen oft mit einem K.o., und hin und wieder fließt | |
| Blut – wie beim Boxen auch. Ich habe geboxt, MMA-, K1-Kickboxen und im Muay | |
| Thai-gekämpft. Tut alles weh, aber ich habe dabei meine MMA-Kämpfe nicht | |
| als brutaler oder härter erlebt. Übrigens ist das moderne MMA detaillierter | |
| reglementiert als das Thaiboxen oder Boxen. | |
| MMA ist in Deutschland auch wegen der [3][Teilnahme von Neonazis in Verruf] | |
| gekommen. Mittlerweile organisieren [4][Neonazis sogar eigene | |
| Kampfsport-Turniere]. | |
| Dass sich Nazis für Kampfsport begeistern, ist keine neue Entwicklung. Das | |
| primäre Problem ist nicht, das sich Neonazis durch Kampfsport zu effektiven | |
| Schlägern entwickeln, sondern dass sie eigene Erlebnisräume schaffen. | |
| Kampfsport wird zum Teil einer rechten Alltagskultur. Dass Nazis jetzt | |
| verstärkt eigene Kampfsportveranstaltungen organisieren, ist eine Reaktion | |
| darauf, dass es für bekannte Nazis in den vergangenen Jahren schwieriger | |
| geworden ist, bei professionellen Veranstaltungen anzutreten. Es ist ein | |
| Zurückweichen in die eigene Nische, weil sie Gegenwind bekommen haben. | |
| Ist der Sport ein Ort der politischen Auseinandersetzung? | |
| Ich mag es nicht, wenn der Sport politisch instrumentalisiert wird. Ich | |
| beharre aber auf ein paar Selbstverständlichkeiten. Dazu gehört das | |
| entschiedene Zurückweisen von rassistischem, sexistischem, | |
| heterosexistischem und anderem Gedankengut, das die fundamentale | |
| Gleichwertigkeit aller Menschen verneint. | |
| Sie haben aus ihrer antifaschistischen Überzeugung nie ein Geheimnis | |
| gemacht. Ist Ihnen das beim MMA schon mal auf die Füße gefallen? | |
| Freunde habe ich mir damit nicht gemacht. Und mittlerweile kämpfen wieder | |
| Leute mit tätowierten Rudolf-Heß-Zitaten auf den größten Galas. Den meisten | |
| Leuten ist das einfach egal. Nichts dazu zu sagen ist aber auch eine | |
| Positionierung. Also sag ich etwas. | |
| Wie wird mit [5][Kämpfern mit Neonazi-Tattoos umgegangen]? | |
| Sehr unterschiedlich. Bei vernünftigen Veranstaltern dürfen Nazis nicht | |
| antreten. Andere wollen, dass sie verbotene Symbole nur abkleben. | |
| Warum ziehen MMA-Veranstaltungen gerade im Osten ein so einschlägiges | |
| Publik an? | |
| Grundsätzlich ist Kampfsport besonders attraktiv für Menschen, in deren | |
| Leben und Alltag körperliches Durchsetzungsvermögen eine wichtige Rolle | |
| spielt. Also beispielsweise Polizeibeamte, Türsteher und Personenschützer. | |
| Das gilt aber auch für Menschen in kriminellen Milieus. Rotlicht-Rocker, | |
| Hooligans oder Nazischläger müssen sich körperlich durchsetzen können – | |
| oder zumindest so wirken. Sonst funktioniert das ja alles nicht. Die | |
| Fähigkeit zur direkten Gewaltausübung ist daher auch ein essenzieller | |
| Bestandteil der Identität dieser Leute. Ein gemeinsames Merkmal der | |
| aufgezählten Gruppen ist die Männerbündigkeit. | |
| Ist Kampfsport also eine „Macker-Sache“? | |
| Kampfsport an sich nicht. Das Problem ist die Selbstinszenierung, die es | |
| zur „Macker-Sache“ macht und Anknüpfungspunkte für reaktionäre Weltbilder | |
| schafft. Kampfsport ist ein Spiel um körperliche Dominanz. Die | |
| Zurschaustellung dieser Fähigkeit ist gesellschaftlich stark männlich | |
| konnotiert. | |
| Wie lässt sich das ändern? | |
| Ich hoffe durch Perspektivwechsel. Zum Kampfsport gehört für mich die | |
| Erkenntnis, dass Kämpfe auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Sich im Ring | |
| beim Thaiboxen oder im Cage beim MMA auszutesten, ist nur eine davon. | |
| Kampfsport heißt für mich, über den eigenen Schatten zu springen, sich | |
| neuen Herausforderungen zu stellen und einen anderen Zugang zum Kämpfen zu | |
| finden. Also die Frage zu diskutieren, ob Vollkontaktsport in einem | |
| grundsätzlichen Widerspruch zu einer emanzipatorischen Praxis steht – oder | |
| sogar Teil einer persönlichen und kollektiven Empowerment-Strategie sein | |
| kann. | |
| 9 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mixed-Martial-Arts-in-Deutschland/!5049742 | |
| [2] /Mixed-Martial-Arts-in-Berlin/!5204740 | |
| [3] /Auschluss-eines-rechten-Kaempfers/!5585545 | |
| [4] /Rechtsextremer-Kampfsport/!5589008 | |
| [5] /Rechter-Kaempfer-bei-MMA-Event/!5200727 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
| ## TAGS | |
| MMA | |
| Mixed Martial Arts | |
| Kampfsport | |
| Rechtsextremismus | |
| Rechte Gewalt | |
| Kolumne Der rechte Rand | |
| Kampfsport | |
| Kampfsport | |
| Kolumne Russisch Brot | |
| Rechte Szene | |
| Kampfsport | |
| Kampfsport | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rechtsextreme in der Kampfsport-Szene: Training für den Straßenkampf | |
| Der Veranstalter „Hamburg Underground Fights“ hat den rechten Schläger | |
| Lasse Richei vom nächsten Kampf ausgeschlossen. Aber Richei ist kein | |
| Einzelfall. | |
| US-Thaiboxerin über Feminismus: „Wie die Bewegung einer Ballerina“ | |
| Die US-Amerikanerin Sylvie Von Duuglas-Ittu steigt in Thailand als | |
| Thaiboxerin in den Ring. Dort kämpft sie auch gegen das Patriarchat. | |
| Doku-Serie „Fight Hard, Fight Fair“: Die netten Cagefighter von nebenan | |
| Vor Jahren sollte MMA noch verboten werden. Die ZDF-Doku zeigt sechs | |
| Menschen, die Faszination statt Angst für den Kampfsport im Käfig | |
| empfinden. | |
| MMA-Superstar Nurmagomedow: Islamistischer Käfigkämpfer | |
| Die ehemalige MMA-Größe Chabib Nurmagomedow überzieht Frankreichs | |
| Präsidenten Emmanuel Macron nach dessen Plädoyer für westliche Werte mit | |
| Hasspostings. | |
| Auschluss eines rechten Kämpfers: Rechtsausleger im Kampfring | |
| In letzter Minute wird ein rechter Hooligan aus dem Programm eines | |
| Kampfabends gestrichen. Es gibt kaum Berührungsängste im Ring. | |
| Fanforscher über Nazikampfsport: „Ein internationales Netzwerk“ | |
| Fanforscher Robert Claus vor dem Szene-Event „Kampf der Nibelungen“ in | |
| Ostritz über die Professionalisierung der rechten Kampfsportszene. | |
| Mixed Martial Arts: Brasiliens lesbische Löwin | |
| Am Wochenende ist die Brasilianerin Amanda Nunes die erste offen lesbische | |
| Meisterin der Ultimate Fighting Championship geworden. |