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# taz.de -- Justizministerin zur DNA-Strafverfolgung: „Das ist keine Stigmati…
> Die Polizei soll aus genetischen Tatortspuren auch die Hautfarbe des
> Täters prognostizieren. Die Justizminiserin Christine Lambrecht sieht
> darin kein Problem.
Bild: Hier wird die DNA vom Beweismittel extrahiert und für eine Analyse vorbe…
taz: Frau Lambrecht, können wir aus Tatortspuren bald ein vollständiges
Fahndungsbild des Täters anfertigen?
Christine Lambrecht: Nein. Es wäre zwar sehr hilfreich, wenn man nur eine
Spur auswerten müsste und schon wüsste, wie der mutmaßliche Täter aussieht.
Aber so weit ist die Wissenschaft noch nicht. Sie kann zum Beispiel noch
nicht mit der für das Strafverfahren ausreichenden Sicherheit sagen, wie
die Stirn-, Wangen- oder Kinnpartie des Täters aussieht, es kann also kein
Gesicht dargestellt werden.
Was kann die Wissenschaft bereits?
Wenn am Tatort beispielsweise eine Blut- oder Sperma-Spur gefunden wurde,
dann kann eine DNA-Analyse ausreichend sichere Hinweise auf die Haar-,
Augen- und Hautfarbe des Täters geben und auch auf das Alter.
Und das wollen Sie der Polizei künftig erlauben?
Ja. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in der Ressort-Abstimmung der
Bundesregierung. Aber das war nicht meine persönliche Initiative. Die
erweiterte DNA-Analyse steht schon im Koalitionsvertrag.
Würden Sie als SPD-Justizministerin dieses Projekt denn auch dann
verfolgen, wenn es nicht im Koalitionsvertrag stünde?
Warum nicht? Die Polizei soll moderne Ermittlungsmethoden nutzen können. Es
hilft den Ermittlern, wenn sie mit der erweiterten DNA-Analyse den
Täterkreis eingrenzen können.
Ist es sozialdemokratisch, wenn die Polizei künftig nach einem schwarzen
Täter suchen kann, weil Tatortspuren nun auch auf die Hautfarbe untersucht
werden dürfen?
Wenn ein Zeuge sagt, der Täter war dunkelhäutig, dann fahndet die Polizei
selbstverständlich auch heute schon nach einem dunkelhäutigen Täter. Die
erweiterte DNA-Analyse stellt nur äußere Merkmale fest, die auch ein Zeuge
beschreiben könnte.
Da dunkle Hautfarbe in Deutschland viel seltener ist als helle Hautfarbe,
wird die Polizei nur Hinweise auf dunkle Hautfarbe für Fahndungszwecke
benutzen. Ist das nicht stigmatisierend?
Nein. Ein seltenes Merkmal ist für die Polizei immer nützlicher als ein
häufiges Merkmal. Das ist doch keine Stigmatisierung. Auch bei einer
Zeugenaussage engt der Hinweis auf einen dunkelhäutigen Täter den
Täterkreis weiter ein als der Hinweis auf einen hellhäutigen Täter. Ähnlich
wäre es auch, wenn es Aufnahmen einer Kamera gäbe.
Die erweiterte DNA-Analyse ist also eine Technik, mit der man vor allem
Dunkelhäutige effizienter verfolgen kann?
Man kann Dunkelhäutige auch entlasten – wenn die Analyse ergibt, dass der
Täter hellhäutig war. Und das wird, wie Sie richtig sagen, viel häufiger
der Fall sein.
Wenn die DNA-Auswertung ergibt, dass der Täter vermutlich dunkelhäutig war,
könnte die Polizei einen Massen-Gentest an allen Dunkelhäutigen der Stadt
vornehmen, so der Gesetzentwurf. Wäre das nicht stigmatisierend, wenn
regelmäßig die Dunkelhäutigen zum Speicheltest gerufen werden?
Deshalb gibt es für Massen-Gentests schon bisher einen Richtervorbehalt und
weitere Voraussetzungen, die die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme
gewährleisten. Die Richter werden verhindern, dass so etwas inflationär
vorkommt. Die Teilnahme an so einem Test kann übrigens nicht angeordnet
werden, sie ist immer freiwillig.
Wird der Täterkreis bei der erweiterten DNA-Analyse wirklich zuverlässig
eingegrenzt? Die Technik ist ja eher ungenau.
Die Technik ist nicht exakt und das weiß die Polizei auch. Es geht immer
nur um Wahrscheinlichkeiten. Wie bei der Zeugenaussage auch. Ein Zeuge kann
sich irren oder falsch erinnern. Dennoch käme niemand auf die Idee,
Zeugenaussagen zu verbieten.
Die erweiterte DNA-Analyse kann auch in die Irre führen. Wenn der Test
blaue Augen anzeigt und der Täter braun gefärbte Kontaktlinsen trägt …
Das wird die Polizei alles in Rechnung stellen, auch die noch viel größeren
Ungenauigkeiten bei Mischformen in der Augen- oder in der Hautfarbe. Viele
Beweismethoden der Polizei sind nicht 100-prozentig genau. Es kommt immer
auf das Gesamtbild an.
Von der Gentechnik sind Polizei und Öffentlichkeit aber eine extrem hohe
Genauigkeit gewohnt. Beim genetischen Fingerabdruck, der nur zur
Identifizierung benutzt wird, liegt die Gefahr einer Falschverdächtigung
bei etwa eins zu zehn Milliarden. Dagegen liegt die Fehlerrate bei der
Feststellung blonder Haarfarbe etwa bei 30 Prozent. Das heißt, in einem von
drei Fällen ist der Täter gar nicht blond, sondern braun- oder
schwarzhaarig.
Aber das weiß die Polizei doch alles. Die Ermittler sind es gewohnt,
unterschiedlichste Beweismethoden anzuwenden, und alle haben sie
unterschiedliche Genauigkeiten.
Warum steht aber im Gesetzentwurf, es dürften „Feststellungen“ zum Beispiel
über die Haarfarbe gemacht werden. Eine „Feststellung“ ist doch eine
Tatsachenbehauptung. Lädt der Gesetzentwurf damit nicht zu
Missverständnissen ein?
Nein. Festgestellt wird ja nicht die Eigenschaft, sondern eine bestimmte
Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Eigenschaft vorliegt. In der
Begründung wird auf die Vorhersagegenauigkeit der einzelnen Merkmale
verwiesen. Das Alter des Täters kann zum Beispiel in einem Korridor von
plus oder minus fünf Jahren festgestellt werden. Das ist doch besser als
nichts.
Wird die erweiterte DNA-Analyse bald zehntausendfach genutzt werden wie
etwa die Überwachung von Telefonen?
Das ist nicht zu erwarten. Die erweiterte DNA-Analyse ist in der Regel nur
das letzte Mittel der Ermittler – zumal man dafür auch eine gewisse Menge
DNA braucht, die nicht verunreinigt sein darf. Wenn die Polizei einen
Augenzeugen hat, dann braucht sie keine DNA-Analyse, um äußere Merkmale des
Täters festzustellen. Ebenso wenig, wenn sie Videoaufnahmen hat. Auch ein
Vergleich der Tatortspur mit den gespeicherten genetischen Fingerabdrücken
beim Bundeskriminalamt hat Vorrang.
Warum haben Sie das nicht in den Gesetzentwurf geschrieben?
Weil es selbstverständlich ist. Eine DNA-Auswertung der Tatortspur ist
teuer und zeitaufwendig. Das macht die Polizei nur, wenn es wirklich nötig
ist.
Warum haben Sie keinen Richtervorbehalt vorgesehen, um die
Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sicherzustellen?
Weil es hier nur um die Feststellung äußerer Merkmale geht, die ohnehin
jeder sehen kann. Eine Zeugenaussage muss ja auch nicht vorab von einem
Richter genehmigt werden.
Und aus diesem Grund ist die erweiterte DNA-Analyse auch nicht auf schwere
Straftaten beschränkt?
Genau.
Wenn alles so harmlos ist: Warum haben Sie dann nicht auch die Ermittlung
der Herkunft in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen? Sie verzichten
ausgerechnet auf das Merkmal, das nach Angaben von Wissenschaftlern am
genauesten festgestellt werden kann, nämlich mit 99,9 Prozent
Wahrscheinlichkeit.
Dagegen habe ich mich bewusst entschieden, das ist mir wichtig. Die
„biogeografische Herkunft“ trifft Aussagen darüber, von welchem Kontinent
jemand kommt oder seine Vorfahren stammen. Das hilft ermittlungstaktisch
nicht weiter. Es kann aber dazu führen, dass größere Gruppen an den Pranger
gestellt werden, etwa alle Afrikaner oder alle Asiaten. Hier fände ich den
Vorwurf der Diskriminierung angebracht.
Wo ist der Unterschied? Sie wollen die Fahndung nach einem vermutlich
Dunkelhäutigen zulassen, aber nicht die Fahndung nach einem Afrikaner?
Ich will die Feststellung äußerer Merkmale erlauben, aber nicht die
Ermittlung sonstiger Tatsachen. Woher jemand – oder seine Familie – kommt,
kann man nicht sehen, wie er aussieht, hingegen schon.
Ist das Vorhaben nicht ein ethischer Dammbruch? Was kommt als Nächstes? Die
Untersuchung auf bestimmte Krankheiten?
Nein. Zum einen ist eine inhaltliche Auswertung der DNA nicht völlig neu.
Das Geschlecht darf bei einer Tatortspur schon seit 2003 festgestellt
werden. Informationen über Erbkrankheiten will aber wirklich niemand
erheben. Es wäre nach meiner Einschätzung auch verfassungswidrig, wenn die
Polizei Erbkrankheiten des Täters herausfindet, von denen er vielleicht
selbst noch nichts weiß. Denn das betrifft den Kernbereich der
Persönlichkeit, anders als das Aussehen.
12 Sep 2019
## AUTOREN
Christian Rath
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