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# taz.de -- Die Mär vom Grünen-Ballonverbot: Aufgeblasener Zankapfel
> Einfach zu verlockend: Zwar will Niedersachsens Grünenchefin gar keine
> Luftballons verbieten, aber Karriere machte diese die Behauptung
> trotzdem.
Bild: Wenn das die Freiheitsfreunde sehen: aufblasbares, nicht ganz frisches Gr…
Hamburg taz | Es war eine Sache von Stunden: Mitten in der Nacht zum
Donnerstag schickte die Neue Osnabrücker Zeitung [1][eine Vorabmeldung in
die Welt], „Niedersachsens Grüne für Luftballonverbot“, stand oben drübe…
Demnach hatte die Landesvorsitzende der Aufwind-Partei, Anne Kura, dem
Blatt gegenüber begrüßt, dass sich das nordrhein-westfälische Gütersloh
Anfang September zur „ballonfreien Zone“ erklärt habe.
Genauer besehen hatte der örtliche Umweltausschuss [2][nur beschlossen],
dass in der Bertelsmann-Bastion auf öffentlichen Flächen und bei
städtischen Veranstaltungen keine mit Gas gefüllten Luftballons mehr in die
Luft steigen sollen. Aber mit der Genauigkeit war’s so eine Sache am
Donnerstag.
Auch wenn der Ballon, historisch gesprochen, ein Londoner ist, 1824
erfunden von Michael Faraday an der Royal Institution: Es war kein
antienglischer, kein aus Brexittrotz sich speisender Impuls, sondern ein,
nun ja, grüner: Kura hatte presseöffentlich ja einfach nur darüber
nachgedacht, dass [3][dem vergleichsweise kurzen Spaß am aufsteigenden
Gummihohlkörper der qualvolle Tod von Vögeln gegenübersteht:] Die fressen
später in der Landschaft herumliegende Ballonfetzen und verhungern, den
Bauch voll Gummi. Applaus kam für die Gütersloher Idee dann auch aus
Mecklenburg-Vorpommern, unter anderem, von BUND und, tja, Grünen.
Auch wenn sich nun eine [4][ballonfreie Bad Zwischenahner Woche]
abzeichnet: Die anfängliche Nachricht wurde recht bald korrigiert von Neuer
Osnabrücker (und der so flugs verbreitenden Agentur). Aber Grüne und
Verbot: Es war wohl einfach zu verlockend für Augenmaß oder gar
Faktentreue, nach Veggie-Diktatur in Kitas und
Verbrennungsmotoren-Stalinismus.
Dazu dann mit Meinungen die Erdatmosphäre weiter aufzuheizen, und das so
erwartbar wie möglich: Das ging schneller, als so ein Luftballon platzt.
FDP-Funktionsträger und [5][wirtschaftsnahe Presse] wähnten, klar, die
Freiheit in Gefahr, auch [6][die Niedersachsen-CDU twitterte] eine
Traurige-Kulleraugen-Optik: Am aufgeblasenen Gummi zu rühren, das scheint
unter diesen Leuten ein Angriff auf unbeschwerte Kindergeburtstage, ach
was: die Kindheit an sich zu sein – und die ist ja ohnehin [7][nicht mehr,
was sie war], mit all den verordneten „Schaumküssen“ und orwellsch
neugeschriebenen „Die kleine Hexe“-Ausgaben. Und die AfD … ach, nicht noch
mehr Bühne für diesen haufen.
Hatten wir oben vom allzu Erwartbaren geschrieben? Den Kontrapunkt setzte
ausgerechnet SPD-Landeswirtschaftsminister Lies per Griff zum Poesiealbum –
oder ließ eine Pressemitteilung zum Grundrecht auf die zivile Luftfahrt
remixen, wer weiß: „In den Himmel steigende Luftballons haben die Menschen
schon immer mit Träumen und Hoffnungen verbunden“, teilte jedenfalls sein
Ministerium mit. „Warum sollten wir ihnen diese Gefühle nehmen?“
Kinder ohne Freude also, ja: der Mensch, aller seiner Träume beraubt: Man
konnte sich vorkommen wie in einem Michael-Ende-Buch. (Dürfen die
eigentlich noch so erscheinen, wie wir sie, [8][mehr oder minder zufällig],
kennen?)
Vergleichsweise neu war dann doch noch etwas in der bundesweit
resonierenden Erregungsfarce: [9][Ein Kommentator des Berliner
Tagesspiegels korrigierte sich] angesichts der geänderten Ausgangsnews und
thematisierte dabei ganz kritisch sein persönliches Framing: „Als die dpa
am Donnerstagmorgen meldete, die Grünen in Niedersachsen würden generell
Luftballons verbieten, habe ich das geglaubt“, schrieb also jener Joachim
Huber. „Warum habe ich das getan? Ich traue den Grünen ein solches Verbot
durchaus zu.“
Ach ja, die Wasser-predigen-und-Wein-trinken-Trope durfte nicht fehlen: Die
ganz Plietschen unter den Framenden entdeckten, dass die vermeintliche
Habeck-Fanpartei, das Vogelwohl an anderer Stelle bereitwillig der
Wind-Lobby unterwerfend, so heißt es, [10][selbst einen „Luftballon Europa“
als Wahlkampfmittel feilbietet], 15 Cent das Stück. Das Naturkautschuk-Ding
freilich ist im Shop mit dem Hinweis versehen: „Der Umwelt zuliebe bitte
nur in Innenräumen verwenden!“ Aber auch das las wohl nur, wer das wollte.
13 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/pm/58964/4372751
[2] https://www.guetersloh.de/de/rathaus/presseportal/news/meldungen/luftballon…
[3] https://twitter.com/Anne_Kura/status/1172097806666014722
[4] https://www.nwzonline.de/ammerland/lokalsport/bad-zwischenahn-diskussion-um…
[5] https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-bei-den-luftballo…
[6] https://twitter.com/CDUNds/status/1172084853338247168
[7] /Kolumne-Besser/!5047761
[8] /Jim-Knopf-Jubilaeumsausgabe/!5220958
[9] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/die-gruenen-verbieten-luftb…
[10] https://www.shop-gruene.de/luftballon-europa.html
## AUTOREN
Alexander Diehl
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