# taz.de -- Start der autofreien Zone in Ottensen: Raum zum Sein | |
> In Ottensen müssen sich die Menschen erst noch daran gewöhnen, dass die | |
> Straßen im Ortskern seit Sonntag den Fußgänger- und RadfahrerInnen | |
> gehören. | |
Bild: Nehmen sich den Raum nur zögerlich: FußgängerInnen in Ottensen | |
HAMBURG taz | Eigentlich hätten die FußgängerInnen in Ottensen jetzt jede | |
Menge Platz. Aber noch trauen sich nicht alle, die schmalen Gehwege zu | |
verlassen: Das Kopfsteinpflaster der Bahrenfelder Straße ist meist leer. So | |
richtig genutzt wird die [1][autofreie Zone in Ottensen] in den ersten | |
Tagen noch nicht. | |
Dafür verirren sich immer wieder trotz der neuen Schilder und gelben | |
Markierungen Autos und LieferantInnen in die neue FußgängerInnenzone – auch | |
ohne die erforderliche Ausnahmegenehmigung. Am Dienstagmittag waren zwei | |
Polizisten unterwegs, um sie aus dem Ortskern zu verbannen. | |
Ausnahmen gelten hier seit Sonntag nur für Krankentransporte, Taxen und | |
MarkthändlerInnen. Lieferfahrzeuge dürfen zwischen 23 und 11 Uhr fahren, | |
AnwohnerInnen und Gewerbetreibende brauchen eine Sondergenehmigung. Das | |
hatte im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. | |
Wer alt oder krank sei, könne eben nicht mit dem Fahrrad fahren, sagt der | |
Ottenser Klaus Knebel: „Anwohnerparken müsste weiter erlaubt sein.“ | |
Eine Ausnahmegenehmigung bekämen AnwohnerInnen problemlos, wenn sie einen | |
privaten Stellplatz haben, teilte das Bezirksamt Altona auf Anfrage der taz | |
mit. Mittlerweile sei der überwiegende Teil der Genehmigungen den | |
AntragstellerInnen zugegangen. Alle anderen könnten für den Projektzeitraum | |
günstigere Dauerstellplätze in den umliegenden Parkhäusern mieten. | |
163 Parkplätze sind für das Projekt weggefallen. Das fällt im Viertel auf. | |
Ohne die sonst überall parkenden Autos ist hier viel Raum. Doch nicht allen | |
gefällt die Leere: „Das sind Geisterstraßen“, sagt Daniela Scholl, | |
Inhaberin eines Blumenladens an der Bahrenfelder Straße. | |
Die Floristin schlägt Begrünungen und Bänke für die autofreie Zone vor. | |
Dafür erscheint der vom Bezirk Altona gewählte Projektzeitraum von | |
September bis Februar allerdings ungünstig. Im Sommer gäbe es wohl mehr | |
Möglichkeiten – und mehr Menschen, die sich auf der Straße aufhalten | |
wollen. | |
Ob ihr Geschäft unter der neuen FußgängerInnenzone leiden werde, will | |
Scholl noch nicht abschätzen. Das zeige sich in der Vorweihnachtszeit. | |
„Wenn es im November und Dezember nicht läuft, haben viele von uns | |
Gewerbetreibenden ein Problem.“ Sie will aber nicht ausschließen, dass sich | |
das Experiment am Ende positiv auswirkt. | |
Wie viele OttenserInnen sieht sie den nächsten Monaten mit gemischten | |
Gefühlen entgegen. Ob auf der Straße oder auf dem Markt zwischen Käse- und | |
Gemüsestand: Das Thema ist überall. „Als Nicht-Autofahrerin freue ich mich, | |
und für Kinder ist es gut“, sagt Marktbesucherin Miriam Böckeler. Sie sehe | |
aber auch die verstopften umliegenden Straßen. „Die Frage ist, ob es | |
sinnvoll ist, den Verkehr so zu verlagern“, sagt Böckeler. | |
Tatsächlich gibt es an den Eingängen in die neue Zone immer wieder Chaos, | |
wie an der Kreuzung der Bahrenfelder Straße und der Klausstraße. Wer trotz | |
des neuen Verbots in die Zone gefahren ist, muss rückwärts fahren und | |
mitten auf der Kreuzung wenden. Dahinter bilden sich lange Schlangen. | |
Die Verkehrsdaten untersucht während des Projekts die Technische | |
Universität Hamburg. Für die wissenschaftliche Auswertung befragen | |
Studierende die AnliegerInnen. Von ihren Ergebnissen hängt unter anderem | |
ab, ob der Bezirk das Testgebiet noch um zwei weitere Straßenabschnitte | |
erweitert. Ob das Experiment weitergeht, entscheidet sich im Februar. Dann | |
könnte Ottensen dauerhaft eine größere FußgängerInnenzone bekommen – und | |
ein Vorbild für weitere Stadtviertel sein. | |
5 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jana Hemmersmeier | |
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