# taz.de -- Die Linkspartei nach den Wahlen: Burgfrieden bis Ende Oktober | |
> Nach dem desaströsen Wahlergebnis brechen die Flügelkämpfe wieder auf. | |
> Nach der Thüringen-Wahl könnte es richtig losgehen. | |
Bild: In Dresden bauen Arbeiter nach der Landtagswahl ein Wahlplakat ab | |
BERLIN taz | Anfangs, als die Fotografen in der Bundespressekonferenz ihre | |
Aufnahmen machten, blickten alle noch betont freundlich. Später war dem | |
linken Spitzenpersonal aus Sachsen und Brandenburg die Ratlosigkeit | |
deutlich anzusehen. Sachsens Landeschefin Anja Feiks schaute in die Luft, | |
Spitzenkandidat Rico Gebhardt ausdruckslos vor sich hin, die Brandenburger | |
Spitzenkandidatin Kathrin Dannenberg wirkte übermüdet. In Sachsen und | |
Brandenburg hat die Linke jeweils etwas über zehn Prozent erhalten, das | |
[1][schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.] | |
„Das war kein schöner Abend“, sagte Parteichef Bernd Riexinger. Das | |
Ergebnis sei nicht einfach zu analysieren: „Wir hatten Wählerwanderungen in | |
verschiedenste Bereiche.“ Die Linke müsse im Osten „neue Wählerschichten | |
gewinnen“, schon weil sie jetzt nur bei den über 70-Jährigen | |
überdurchschnittlich abschneide. Der Vorstand habe am Montag „gründlich und | |
solidarisch“ debattiert. Jetzt müsse die Partei nach vorne blicken, nach | |
Thüringen, wo Ende Oktober gewählt wird: „Wir hoffen, dort vom | |
Ministerpräsidentenbonus profitieren zu können.“ | |
In der Linken brach nach dem Ergebnis der alte Richtungsstreit wieder aus: | |
Noch-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die ihren Rücktritt für den Herbst | |
angekündigt hatte, schrieb auf Facebook: „Wenn wir als grünliberale | |
Lifestyle-Partei wahrgenommen werden, wenn Menschen das Gefühl bekommen, | |
dass wir auf sie herabsehen, ist es nur normal, dass sie sich von uns | |
abwenden.“ | |
## De Masi vergleicht Partei mit Titanic | |
Ihr Vize Fabio De Masi, der dem Wagenknecht-Lager zugerechnet wird, | |
twitterte: „Als die ‚Titanic‘ den Eisberg rammte, wurde auf dem Oberdeck | |
weiter getanzt, während im Maschinenraum und bei den einfachen Passagieren | |
bereits das Wasser stieg. Am Ende sank das ganze Schiff. Kann auch für | |
Parteiführungen lehrreich sein!“ | |
Auf Twitter löste er damit eine Debatte aus, an der sich auch andere | |
Spitzenpolitiker der Linken beteiligten. Das Erstaunliche daran: Vertreter | |
verschiedener Flügel forderten eine Neuaufstellung, wenn auch erst nach der | |
Thüringen-Wahl Ende Oktober. | |
So schrieb der Berliner Staatssekretär Alexander Fischer: „Schräges Bild. | |
Aber ich bin unbedingt dafür, dass nach der Thüringenwahl alles auf den | |
Prüfstand kommt, die Strategie, das Personal (zum „Oberdeck gehört auch die | |
Bundestagsfraktion).“ Die Fraktionsspitze muss im Herbst neu gewählt | |
werden, die Parteispitze regulär erst im nächsten Sommer. | |
Ähnlich wie Fischer äußerte sich auch Thüringens Kulturminister Benjamin | |
Hoff, der zum pragmatischen Reformerflügel zählt: „Ja, wir brauchen eine | |
schonungslose Debatte. Aber diese sollte nach den Landtagswahlen in | |
Thüringen stattfinden und alle politisch Verantwortlichen umfassen“, so | |
Hoff zur taz. Es reiche nicht, nur mit dem Finger auf die Parteiführung zu | |
zeigen und einmal mehr zu rufen: Die müssen weg. | |
„Es gibt keine einfachen Antworten“, sagte Rico Gebhardt auf der Berliner | |
Pressekonferenz am Montag. In Brandenburg sei man in der Regierung gewesen, | |
aber in Sachsen habe man als Oppositionspartei genauso verloren. Und | |
Wagenknecht habe einen Linken-Direktkandidaten in einem Leipziger | |
Plattenbaubezirk besonders unterstützt. Der sei nur auf Platz 3 | |
eingelaufen. | |
## Arbeiterpartei AfD | |
Die Zahlen boten ein schwieriges Bild für die Linke: Die neue | |
Arbeiterpartei in Sachsen ist die AfD. 41 Prozent der Arbeiter wählten sie, | |
nur 10 Prozent die Linke. Bei Arbeitslosen sieht es ähnlich schlecht aus: | |
41 Prozent der sächsischen Arbeitslosen wählten AfD, nur 13 Prozent die | |
Linke. | |
In Brandenburg fanden es selbst noch 32 Prozent der eigenen Wähler falsch, | |
dass die Partei früher als ohnehin geplant aus der Braunkohle aussteigen | |
will. 53 Prozent der gesamten Wähler sagten, die Linke sähen „die | |
Flüchtlinge viel zu positiv“, 70 Prozent, die Linke habe „in der | |
Landesregierung nichts durchgesetzt, was mir besonders aufgefallen wäre“. | |
Sebastian Walter, 29-jähriger Co-Spitzenkandidat in Brandenburg, sagte, die | |
Linke habe „in politischen Konflikten Angst vor der eigenen Courage | |
gehabt“, aber auch eigene Erfolge nicht deutlich machen können. Brandenburg | |
habe gegen den Widerstand der SPD einen Vergabemindestlohn eingeführt. | |
Während Gebhardt einen Rücktritt nicht ausschloss, wollten Dannenberg und | |
Walter nichts davon wissen: „Wir haben gerade erst angefangen“, sagte | |
Walter. | |
Und nun? Bis zur Thüringen-Wahl könnte noch weitgehend Ruhe herrschen. Aber | |
für den Fall, dass Bodo Ramelow als Ministerpräsident scheitert, dürften | |
die parteiinternen Debatten neu entbrennen. Während das Wagenknecht-Lager | |
eine zu große Annäherung an die Grünen sieht, machte Parteichefin Katja | |
Kipping am Montag das „Image der Unentschiedenheit als das eigentliche | |
Problem“ aus. Heißt: Wenn Wagenknecht und ihr Kurs weg ist, könnte es | |
endlich aufwärts gehen. | |
3 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Verluste-der-Linkspartei-im-Osten/!5619671 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
Anna Lehmann | |
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