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# taz.de -- Urteil zum Versammlungsrecht: „Faktischer“ Anführer ist strafb…
> Robin Wood protestierte 2017 gegen Atommülltransporte. Verfassungsrichter
> billigen nun die Verurteilung des Mannes, der die Kommandos gab.
Bild: Spezialschiff mit radioaktivem Müll auf dem Neckar bei Haßmersheim im S…
Karlsruhe taz | Der „faktische Leiter“ einer unangemeldeten Kundgebung kann
bestraft werden. Das entschied jetzt eine Kammer des
Bundesverfassungsgerichts mit einem am Donnerstag veröffentlichten
Beschluss.
Konkret ging es um eine Aktion von Robin Wood in Heilbronn. Am Morgen des
11. Februar 2017 seilten sich Aktivisten von der Rosenbergbrücke ab, die
über den Necker führt. Sie befestigten dabei ein Banner mit der Botschaft
„Kein Atommüll auf dem Neckar“. Damit protestierte Robin Wood gegen
Schiffstransporte mit Castor-Behältern vom AKW Obrigheim zum AKW
Neckarwestheim. Die Transporte waren deshalb nötig, weil der AKW-Betreiber
EnBW nur in Neckarwestheim ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente
eingerichtet hatte.
Die Kletteraktion, an der fünf Robin Wood-Aktivisten teilnahmen, war nicht
angemeldet. Ein Mann, der per Funkgerät Anweisungen gab und die Aktion
letztlich beendete, erhielt einige Monate später vom Amtsgericht Heilbronn
eine Verwarnung mit Strafvorbehalt, sozusagen eine Geldstrafe auf
Bewährung. Begründung: Er habe eine nicht angemeldete Versammlung
durchgeführt, was gemäß Paragraf 26 Versammlungsgesetz strafbar ist.
Trotz der minimalen Strafe ging der Robin Wood-Aktivist durch die
Instanzen. Die Verurteilung habe seine Grundrechte verletzt. Die bloße
Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung sei nicht strafbar.
Bestraft werden könne nur der Veranstalter und der formelle Leiter. Wenn
das Amtsgericht Heilbronn auch einen „faktischen Leiter“ verurteile,
verstoße das gegen das strafrechtliche Analogieverbot. Danach kann eine Tat
nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich definiert war, bevor
die Tat begangen wurde. Das Gericht kann vermeintliche Lücken im Gesetz
nicht durch Analogien füllen, sondern muss dann freisprechen.
Das Bundesverfassungsgericht sah nun aber das Analogieverbot nicht
verletzt. Im Gegenteil sei es sogar naheliegend, dass Paragraf 26 auch die
Personen erfasse, die die Versammlung tatsächlich leiten. Es bestehe auch
keine Gefahr, dass nun alle Teilnehmer einer nicht angemeldeten Kundgebung
bestraft werden. Faktischer Leiter könne nur sein, wer „eindeutig“ das
Sagen hat, zum Beispiel indem er den Ablauf der Kundgebung, die Reihenfolge
etwaiger Redner und das Ende der Aktion bestimmt.
Versammlungen unter freiem Himmel müssen in Deutschland zwar nicht
genehmigt, aber angemeldet werden. Nur Spontanversammlungen sind von der
Anmeldepflicht befreit.
(Az.: 1 BvR 1257/19)
16 Aug 2019
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Verfassungsgericht
Protest
Anti-Atom-Bewegung
Atom
Schwerpunkt Atomkraft
Atommüll
Karlsruhe
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