| # taz.de -- Modelabel-Gründer über Engagement: „Mehr Aufmerksamkeit für da… | |
| > Jan Majora gründete eine Kleidungsmarke, mit der er sich für den Schutz | |
| > der Meere einsetzt. Ein Gespräch über Norderney, Surfen und soziale | |
| > Projekte. | |
| Bild: Mag Meer und Mode: Jan Majora | |
| taz: Herr Majora, wieso haben Sie auf Norderney ein Modelabel gegründet? | |
| Jan Majora: Das war 2014. Zu der Zeit habe ich angefangen, BWL zu | |
| studieren, jedoch im ersten Semester fast abgebrochen, weil es nicht so | |
| meins war. Die Semesterferien habe ich hier auf der Insel verbracht, wo ich | |
| mit einer Gruppe von Freunden viel in der Nordsee surfen war, aber sonst | |
| eigentlich wenig zu tun hatte. Hier habe ich Lust bekommen, ein eigenes | |
| Projekt zu starten. Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Kleidung | |
| und das Designen von T-Shirts schien mir einfach zugänglich. Und für viele | |
| andere Ideen braucht man einfach mehr Geld, welches mein Studentenkonto | |
| nicht hergab. | |
| Wie groß war das Team? | |
| Der Grundgedanke war zu Anfang, einen Blog über unsere norddeutsche | |
| Surfer-Gruppe schreiben. Wir waren Freunde, die alle irgendwo was zu dem | |
| Ganzen beigetragen haben. Trotzdem war ich der Initiator des Projekts. Wir | |
| haben erst mal 50 T-Shirts produziert, Fotos davon ins Netz gestellt und | |
| schnell kamen die ersten Kaufanfragen. Die T-Shirts aus Bio-Baumwolle | |
| wurden für 15 Euro verkauft. Ich bin damals zu jedem Kunden mit dem Fahrrad | |
| hingefahren und habe das T-Shirt überreicht. Ich dachte, alle T-Shirts | |
| würden an Freunde gehen, aber es hatten anscheinend auch direkt andere | |
| Leute von unserem Projekt Wind bekommen. Der Verkaufspreis war nicht gerade | |
| wirtschaftlich gedacht und wir haben vorerst nichts daran verdient. | |
| Mittlerweile haben wir aber um die 6.000 Produkte verkauft. | |
| Warum heißt die Marke „Salzwasser“? | |
| Am Anfang hieß sie „Ney“, was die Abkürzung von „Norderney“ ist. Als … | |
| etwas größer wurde, so ein Jahr später, bin ich zum Bremer | |
| Patent-Informationszentrum gerannt – die Abkürzung war schon patentiert. | |
| Dann haben wir uns im Freundeskreis gefragt, wo wir überhaupt hin wollen | |
| mit der Marke. Eigentlich waren die T-Shirts vorerst für uns sowie unsere | |
| Freunde gedacht und auf einmal war aus dem Projekt eine kleine | |
| Bekleidungsmarke geworden. Einfach nur T-Shirts verkaufen, das machen aber | |
| schon genug Leute. | |
| Also? | |
| Wir wollten einen größeren Sinn schaffen. So ist der Name entstanden: | |
| „Salzwasser“ spiegelt das Meer wider und wir wollen mit der Marke mehr | |
| Aufmerksamkeit für das Meer schaffen. | |
| Wie das? | |
| Die meisten Menschen, die „Salzwasser“ lesen, haben direkt die Assoziation | |
| mit dem Meer. Wir hoffen einfach, dass sich die Leute, wenn sie unsere | |
| Produkte kaufen, auch Gedanken über das Meer und den Hintergrund unserer | |
| Marke machen. Generell muss das Engagement für das Thema viel größer werden | |
| und da wollen wir unseren Teil zu beitragen. Wir möchten mit der Marke eine | |
| Community schaffen, die das Meer liebt und sich dafür in irgendeiner Form | |
| positiv einsetzt – das kann auch das Sammeln von Müll am Strand sein. Diese | |
| Aufgabe kann natürlich nicht alleine von uns und unserer Community gestemmt | |
| werden, sondern da ist vor allem die Politik gefragt. Es müssen zum | |
| Beispiel in den Ozeanen Schutzzonen geschaffen werden und dafür möchten wir | |
| uns stark machen. | |
| Was sind denn die größten Probleme des Meeres? | |
| Einmal gibt es lokale Probleme. Hierzu zählen laut der Forschung die | |
| Verschmutzung durch Plastik, die Überfischung und die Überdüngung. Die | |
| Verschmutzung durch Plastik ist eine Problematik, welche bereits viel | |
| Aufmerksamkeit in den Medien besitzt. Plastikteile gelangen zum Beispiel in | |
| die Mägen der Meeresbewohner und verstopfen diese. Die Überfischung hat zur | |
| Folge, dass die Meeres-Ökosysteme zum Beispiel durch die Veränderung von | |
| Nahrungsketten tiefgreifend verändert werden. Zuletzt führt die Überdüngung | |
| zu einem Überangebot an Nährstoffen in den Meeren. Die Folge sind das | |
| massive Wachstum von Algenarten, die das Wasser trüben. Es kommt zu einem | |
| Lichtmangel für die am Meeresboden angesiedelten Pflanzen wie zum Beispiel | |
| Seegras, wodurch ebenfalls die Meeres-Ökosysteme aus der Balance geraten. | |
| Und globale Probleme? | |
| Da gibt es zwei große globale Probleme. Forscher sprechen von der | |
| Erderwärmung und der Ozeanversauerung. Zur Erderwärmung ist zu sagen, dass | |
| das Meer vermutlich 92 Prozent der zusätzlichen Wärme aufnimmt, was sich | |
| demzufolge weiter aufheizt und dies führt zum Beispiel zu einem Anstieg des | |
| Meeresspiegels. Das Meer nimmt außerdem laut der Forschung 27 Prozent des | |
| Kohlenstoffdioxids aus der Atmosphäre auf und übersäuert dadurch, denn der | |
| pH-Wert steigt. Den Organismen des Meeres wird damit die Lebensgrundlage | |
| genommen. | |
| Und wie können da Klamotten aus Norderney helfen? | |
| Wir spenden fünf Prozent unseres Gewinns. Wir haben zuerst an [1][„The | |
| Ocean Cleanup“] gespendet, ein Projekt, welches mit einer neuen Technologie | |
| Plastik aus dem Meer holen möchte. Dann haben wir das Projekt [2][„Plastic | |
| Bank“] unterstützt. Die bauen Plastik-Sammel-Stationen zum Beispiel auf | |
| Bali auf, in denen der Müll meistens einfach auf die Straße geschmissen | |
| wird. Das Projekt gibt dem Plastik einen Wert. Die Menschen dort können | |
| Plastik sammeln, es zu den Stationen bringen und kriegen Geld oder können | |
| ihre Handys aufladen. Ein Beispiel in Deutschland für dieses simple | |
| Umdenken, mit meiner Meinung nach sehr großem Wert, stellen die | |
| Pfandflaschen dar. | |
| Interessieren sich die Leute hier überhaupt für solche entfernten Projekte? | |
| Wir merken, dass es die Menschen nicht so stark interessiert, wenn sie die | |
| Problematik noch nie mit eigenen Augen gesehen haben. Natürlich denken, | |
| glaube ich, viele Kunden „Ah, die setzen sich ein, das ist ganz cool“, aber | |
| sie besitzen dazu oft keine emotionale lokale Komponente. Und da müssen wir | |
| den Spagat schaffen, denn wir wollen ja schon da helfen, wo wir den größten | |
| Einfluss auf die Umwelt haben, aber auf der anderen Seite auch die Menschen | |
| hier für die Projekte begeistern. Das ist eine Aufgabe, die wir unter | |
| anderem angehen möchten. | |
| Wie sehr ist Ihre Marke eigentlich an Norderney gebunden? | |
| Der Ursprung soll immer Norderney sein und ich glaube auch, dass unser | |
| Projekt nicht unbedingt in einer Großstadt funktioniert hätte: Da bieten | |
| genug Marken Bio und faire Klamotten an, und der Meeresbezug wäre | |
| wahrscheinlich einfach nicht so authentisch. Aber es soll keineswegs darauf | |
| begrenzt bleiben. Unsere Kleidung sollen die Menschen tragen, die das Meer | |
| lieben und diesem was Gutes tun wollen. Das geht von überall. | |
| Wo produzieren Sie? | |
| Die Mützen werden in Norddeutschland produziert. Da waren wir auch schon zu | |
| Besuch, das ist ein alter Familienbetrieb und es herrscht eine super | |
| familiäre Stimmung. Die Rohlinge für die Kleidung werden momentan in | |
| Bangladesch durch einen Partner produziert, der von der [3][Fair Wear | |
| Foundation] und [4][GOTS – dem „Global Organic Textile Standard“] – | |
| zertifiziert ist. Der nächste Schritt ist jedoch für uns, die Produktion | |
| nach Portugal zu verlagern. Uns stört momentan enorm, dass wir bei unserem | |
| Partner in Bangladesch nicht wissen, wie es genau vor Ort abläuft. Man kann | |
| nicht mal schnell selbst da sein und sich ein eigenes Bild machen. | |
| Nicht sehr transparent. | |
| Deswegen wollen wir nach Portugal gehen, weil wir alles in Europa machen | |
| wollen. So können wir hinfahren, alles dokumentieren und zum Beispiel | |
| bestimmen, wo die Bio-Baumwolle herkommen soll. Wir wollen außerdem | |
| komplett plastikfrei werden. Bisher ist noch Polyester in den Stickereien | |
| und einzelnen Textilien. Ich glaube, der Schlüssel ist, dass man sich immer | |
| wieder hinterfragt und sich so in einem Prozess weiter verbessert. Deswegen | |
| ist jetzt nach meinem Studium ein größerer Fokus auf die Marke wichtig. | |
| Für wen sind denn Ihre Klamotten? Für Surfer? | |
| Wir möchten alle ansprechen, die das Meer lieben und das kann auch der | |
| SUV-Fahrer sein, der viel hin und her fliegt, bequem lebt und einen großen | |
| ökologischen Fußabdruck besitzt. So können wir es vielleicht schaffen, dem | |
| Menschen auf eine positive Art und Weise ein Zeichen in Richtung | |
| Nachhaltigkeit zu geben, da er das Meer ja genauso liebt. Da denken wir, | |
| glaube ich, manchmal zu sehr in Nischen, wir müssen alle Generationen und | |
| alle gesellschaftlichen Schichten ansprechen, um etwas zu verändern. Ich | |
| finde es am coolsten, wenn hier eine Oma auf der Insel mit einer unserer | |
| Mützen rumläuft, die aus Merino-Schurwolle in Deutschland produziert wurde, | |
| und sagt: „Da haben Sie ein tolles Produkt gemacht.“ Das gibt mir einfach | |
| sehr viel. Wir wollen alle ins Boot holen. | |
| Hat Ihr Studium Ihnen beim Gründen geholfen? | |
| Natürlich passt das schon gut, ich habe meinen Master jetzt gerade in BWL | |
| mit Schwerpunkt Marketing und Entrepreneurship gemacht. Aber ich sehe einen | |
| großen Kritikpunkt in diesem Studium, dass dort nie über die großen | |
| Problematiken, die mit Wirtschaftsunternehmen einhergehen, gesprochen | |
| wurde. Man lernt sehr stark, wie man gut wirtschaftet und im Endeffekt Geld | |
| macht, aber wenig, wie wirtschaftliche Entscheidungen einen negativen | |
| Einfluss auf die ökologische und soziale Umwelt haben können. Das ist nicht | |
| der richtige Weg. | |
| Wie meinen Sie das? | |
| Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Eine Firma möchte ein Produkt verpacken | |
| und hat die Wahl zwischen Plastik oder zertifizierten, recyceltem Papier. | |
| Wirtschaftlich gedacht, würde sich das Unternehmen vermutlich für das | |
| Plastik entscheiden und die ökologischen Folgen nicht betrachten. Wir | |
| wollen eher den Weg gehen wie Viva Con Agua, die Brunnen bauen, oder die | |
| Suchmaschine Ecosia, die Baumpflanzprojekte unterstützt, und im Endeffekt | |
| „business for cause“ betreiben. Das heißt: Man wirtschaftet, aber immer mit | |
| dem Hintergedanken, dass man etwas Größeres damit unterstützt. | |
| 19 Aug 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://theoceancleanup.com/ | |
| [2] https://www.plasticbank.com/de/wer-wir-sind/ | |
| [3] https://www.fairwear.org/ | |
| [4] https://www.global-standard.org/de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Frieda Ahrens | |
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