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# taz.de -- Bergbaukrise im Kongo: Weltgrößte Kobaltmine schließt
> Ein Fünftel des Kobalts der Welt kommt aus Mutanda in der Demokratischen
> Republik Kongo. Jetzt will Glencore die Mine dichtmachen.
Bild: Mutanda ist eine gigantische industrielle Tagebaumine. Hier wartet Kupfer…
Berlin taz | Die Hoffnungen der 80 Millionen Kongolesen auf bessere Zeiten
dank des globalen Kobaltbooms haben einen herben Dämpfer erlitten. Mutanda,
die größte Kobaltmine der Welt im Süden der Demokratischen Republik Kongo
und ein Motor der Rohstoffwirtschaft des Landes, macht dicht. Ein
entsprechendes Schreiben des Mehrheitseigners Glencore geriet am
Dienstagabend an die Öffentlichkeit.
„Leider“, so zitiert die Financial Times aus dem Schreiben, „ist die Mine
langfristig nicht mehr wirtschaftlich.“ Als Gründe nannte Glencore, ein
ursprünglich schweizerisches Rohstoffunternehmen mit globalen Minen- und
Handelsinteressen, den „erheblichen Rückgang des Kobaltpreises, gestiegene
Inflation bei einigen unserer Produktionskosten – vor allem Schwefelsäure –
und die zusätzlichen Steuern des (kongolesischen) Bergbaugesetzes“.
Damit bringt Glencore auf den Punkt, was die globale Bergbauindustrie
längst weiß: Der Boom des wichtigstens Rohstoffs für E-Autos und die
Energiewende ist vorbei.
Kongo, in dessen Südregion Katanga sich einige der wertvollsten
Mineralienvorkommen der Welt befinden, ist der Kobaltförderer Nummer eins:
111.713 Tonnen im Jahr 2018 nach Regierungsangaben, bei einer
Weltproduktion von 140.000 Tonnen. Fast alles davon geht nach China.
Förderung und Preise stiegen gleichzeitig auf Rekordniveaus. Zwischen 2016
und 2018 vervierfachte sich der Kobaltpreis, und die globale Förderung
stieg um fast die Hälfte.
Internationale Geldgeber prognostizierten dem Kongo deswegen bis vor Kurzem
hohe Wachstumsraten. Die Bevölkerung des Landes lebt nach Jahrzehnten von
Misswirtschaft und Krieg im Elend, dreißig Jahre Investitionsrückstand
müssen aufgeholt werden, damit Infrastruktur und soziale Dienste ein
Mindestmaß an Funktionsfähigkeit erfüllen.
In freudiger Erwartung hob Kongos Regierung im Jahr 2018 die Steuern im
Bergbau an, und im November erklärte sie Kobalt zum „strategischen
Mineral“, auf das eine Förderabgabe von 10 statt wie bisher 3,5 Prozent
fällig ist. Der neue Präsident Félix Tshisekedi, der seit Januar 2019
regiert, will damit gemäß seiner Parteiparole „Das Volk zuerst“ seine Pl�…
für Wiederaufbau und Armutsbekämpfung finanzieren.
Inzwischen verdüstern sich die Perspektiven. Die internationalen
Kobaltpreise sind von ihrem Spitzenniveau von 95.000 US-Dollar pro Tonne im
März 2018 auf aktuell rund 26.000 Dollar gefallen, Tendenz sinkend.
## Der Rohstoffbedarf sinkt
Die Diskussion über Kinderarbeit in Kongos Minen und über unzumutbare
Arbeitsbedingungen befördert die Entwicklung zertifizierter, teurerer
Handelsketten und treibt Abnehmer in die Suche nach Alternativen. BMW
verkündete im April den Verzicht auf kongolesisches Kobalt zugunsten von
australischem und marokkanischem.
Chinas Industrie hält gigantische Lagerbestände. Batterien werden kleiner
und leichter, der Rohstoffbedarf sinkt. Als Investorenliebling hat Kobalt
ausgedient.
In Mutanda, einem industriell betriebenen Erdloch pharaonischen Ausmaßes
östlich der Bergbaustadt Kolweezi, bündeln sich diese Probleme. Aus Mutanda
kamen im vorigen Jahr 27.300 Tonnen Kobalt, ein Fünftel der Weltproduktion.
Schon im Februar kündigte Glencore 2.000 Entlassungen unter der 7.500
Personen starken Belegschaft an.
Vorige Woche schrieb Glencore 350 Millionen US-Dollar als Gegenwert von
10.000 Tonnen unverkäuflichen kongolesischen Kobalts ab; an diesem Mittwoch
gab die Firma einen Rückgang ihres Halbjahresgewinns um 90 Prozent
gegenüber dem Vorjahreszeitraum bekannt.
Für Glencore entwickelt sich Kongo zur Belastung. Im November 2018 musste
das Unternehmen den Verkauf des Kobalts aus einer Mine wegen zu hoher
Radioaktivität einstellen. Im Juni 2019 starben in einer anderen Mine 43
Schürfer bei einem Erdrutsch. In den USA wird gegen Glencore wegen
Zahlungen an den unter US-Sanktionen stehenden israelischen Unternehmer Dan
Gertler ermittelt – Gertler, ein Freund des einstigen kongolesischen
Präsidenten Joseph Kabila, hatte Mutanda 2011 für ein Zehntel des realen
Werts erworben und machte beim Weiterverkauf an Glencore einen gigantischen
Gewinn.
Ab Jahresende soll Mutanda stillstehen. Und Kongos Regierung braucht neue
Einnahmequellen. Nach Angaben des unabhängigen „Observatoriums der
öffentlichen Ausgaben“ (Odep) wurden die Mittel aus Kongos Staatshaushalt
2019 schon im ersten Quartal fast zur Hälfte ausgegeben – und Präsident
Tshisekedi hat bis heute noch nicht einmal eine neue Regierung gebildet,
die alten Kabila-Minister amtieren geschäftsführend weiter. Laut Odep
buchen sie zahlreiche Ausgaben als „Sonderposten“ außerhalb der regulären
Kontrollen.
Es droht also ein gigantisches Loch in Kongos Staatsfinanzen. Die
altbekannten Folgen – unbezahlte Soldaten und Staatsdiener, die die
Bevölkerung ausplündern – wollen die 80 Millionen Kongolesen nicht noch mal
erleiden.
8 Aug 2019
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Kobalt
Katanga
Bergbau
Rohstoffe
Menschenrechte
Kongo
Kobalt
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profitiert jedoch nicht. Krumme Bergbaugeschäfte prägen den Handel.
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