| # taz.de -- US-Drama „Killerman“ im Kino: Bang boom bang | |
| > Regisseur Malik Bader setzt in seinem Film über die New Yorker Unterwelt | |
| > auf viel Grausamkeit. Das Geballer lässt kalt – denn es fehlt eine | |
| > wichtige Zutat. | |
| Bild: Schießt viel rum: Liam Hemsworth in „Killerman“ | |
| In der New Yorker Unterwelt wird erst geschossen, dann gefragt. Erst | |
| gebrüllt, dann leise gesprochen. Und erst gevögelt, dann nachgeguckt, wer | |
| eigentlich vor einem liegt: Es ist eine toxische Machowelt, in der sich | |
| Geldwäscher Moe (Liam Hemsworth) und sein bester Freund Skunk (Emory Cohen) | |
| bewegen. Als die beiden Schmalspurganoven entscheiden, zwei Millionen | |
| Dollar von Skunks raubeinigem Onkel, dem Unterweltboss Perico (Zlatko | |
| Burić) für einen privaten Drogendeal abzuzwacken, kann man an fünf | |
| (Abzugs-)Fingern abzählen, dass etwas schiefläuft. | |
| Der Deal erweist sich als Falle, Moe und Skunk werden von korrupten | |
| Polizisten verfolgt, bauen einen Autounfall, und Moe erwacht im Krankenhaus | |
| – ohne Gedächtnis. „Ich bin ein verfickter Drogendealer?!“, entfährt es… | |
| entgeistert, als sein Kumpel ihm zwecks Erinnerungsauffrischung Koks vor | |
| die Nase hält. | |
| Regisseur und Drehbuchautor Malik Bader setzt bei seinem | |
| Indie-Gangster-Drama auf den Appeal von Grausamkeit: Seine auf 16 | |
| Millimeter per Handkamera aufgenommenen Wackelbilder zeigen das abweisende, | |
| unbarmherzige Vor-Giuliani-New York, eine Stadt voller Brutalität, | |
| schneller Autos und falscher Freunde. | |
| Aus allen Rohren pumpt „Killerman“ Atemlosigkeit – keine Pausen, keine Ru… | |
| lässt er für seinen verwirrten Protagonisten im Muscle-Car, der nach der | |
| Flucht aus dem Krankenhaus in einem New Yorker Club landet, dort zur | |
| Rekonvaleszenz chemische Drogen konsumiert und (ausgerechnet!) zu George | |
| Krantz’ „Din-Daa-Daa-Trommeltanz“ mit einer schönen Frau im Dunkeln eine | |
| Nummer schiebt. Kurz danach entpuppt sich eine andere schöne Frau als seine | |
| schwangere Freundin, mit der er Ausstiegspläne geschmiedet hatte – doch | |
| bevor das alles bei ihm oder dem Publikum gesackt ist, ballert schon wieder | |
| jemand, diesmal auf die Freundin. | |
| Dass der Film mit einem beachtlichen Tempo gegen die Wand rast und trotz | |
| ausgestelltem Leid nie auch nur ansatzweise Mitgefühl erweckt, liegt an | |
| einer geradezu empörend lieblosen Figurenzeichnung sowohl bei den | |
| Protagonisten als auch den klischierten Nebencharakteren: Für Moe, aus dem | |
| Liam Hemsworth alles herauszuholen versucht, interessiert man sich weder | |
| vor noch nach dem Unfall. Sein Verhalten bleibt ohnehin gleich, die Amnesie | |
| ist handlungsirrelevant, mit oder ohne Gedächtnis scheint er vor allem ein | |
| aufbrausender Haudegen zu sein, dessen Bedeutungslosigkeit sich auch durch | |
| einen einigermaßen unerwarteten späten Plottwist nicht mehr ändert. | |
| ## „Du hast mir nie viel erzählt!“ | |
| Skunk, von Emory Cohen mit trotziger Leidenschaft porträtiert, bleibt | |
| ebenso langweilig und wird darin nur im Kurzauftritt von Moes Freundin | |
| übertroffen – „Du hast mir nie viel erzählt!“, schluchzt die Schwangere… | |
| gibt damit die altmodischste aller weiblichen Kinofiguren: die süße, | |
| ahnungslose Zuhausebleiberin und Kind-Ausbrüterin, die keine weitere | |
| Funktion erfüllt. Und einen ebenso kalt lässt, wie der graue Morgen in | |
| Manhattan dämmert. | |
| Für atemlose Filme im Drogenmilieu, wie [1][Nicolas Refns] „Pusher“-Reihe | |
| (in der Zlatko Burić mitspielte) oder [2][Paul Schraders „Light Sleeper“], | |
| braucht man aber dringend Empathie – wenn das Publikum nicht fühlt, wie | |
| sich die Schlinge um den Protagonistenhals zuzieht, bleibt der Stress | |
| behauptet und nervt. | |
| Trotz Trauma zeigt Moe jedoch keine Schwäche und nimmt den Zuschauern somit | |
| die Möglichkeit, einzusteigen. Die prahlerische Bestialität und | |
| unverhohlene Bewunderung, mit der Bader zudem überflüssige Gewalt | |
| inszeniert – inklusive Folterungen im Hundezwinger –, schieben den tumben | |
| Kleinkriminellen noch weiter weg. | |
| Dabei birgt das Thema Amnesie, mit dem Werke wie Christopher Nolans | |
| „Memento“, Brad Andersons großartiges Psychodrama „The Machinist“ und … | |
| die „Bourne Identity“-Reihe spielen, einen Goldschatz an Gefühlen. Bei | |
| Malik Bader reduzieren sich positive Sentimente auf den Satz eines | |
| Straßengefährten von Moe, der ihm mit den Worten „Mit sechs Patronen kommst | |
| du nicht weit“ eine Handvoll Kugeln in die rechte Pranke drückt. Nach | |
| Baders oberflächlicher Weltbetrachtung wird das ein echter Freund sein. | |
| Arme, arme Unterwelt. | |
| 8 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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