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# taz.de -- Komödie „Und wer nimmt den Hund?“: Weiße und schwarze Bälle
> In Rainer Kaufmanns Beziehungskomödie „Und wer nimmt den Hund?“ wirken
> die Protagonist*innen zu sehr wie ihre eigenen Abziehbilder.
Bild: Georg (Ulrlich Tukur) möchte sich nach gut 25 Jahren Ehe von Doris (Mart…
Einer nicht validierten Beobachtung zufolge sind Beziehungen, deren
Mitglieder sich für eine „Paartherapie“ entscheiden, eigentlich bereits am
Ende. Im Umkehrschluss gäbe es dann für bröckelnde Beziehungen, die eine
„Trennungstherapie“ beginnen, ja vielleicht noch Hoffnung. Aber so einfach
ist das natürlich nicht. Auch nicht in Rainer Kaufmanns Beziehungskomödie
„Und wer nimmt den Hund?“.
Doris (Martina Gedeck) und Georg (Ulrich Tukur) sind gemeinsam 25 Jahre gut
gealtert, haben Kinder bekommen, erzogen und flügge werden sehen, haben
sich richtig kennengelernt, haben teilweise Karriere gemacht und teilweise
nicht. Und erleben nun schon lange, wie die Luft rausgeht.
Als Georg, der Biologieprofessor, ein Verhältnis mit der viel jüngeren
Doktorandin Laura (Lucie Heinze) beginnt und eine mögliche Trennung von
Doris damit endgültig macht, möchte Doris das therapeutisch begleiten
lassen. „Man will das doch irgendwie verstehen“, sagt sie, und das versteht
man tatsächlich: In Sachen Gefühle in einer Art Verzweiflungslogik nach dem
Warum zu fragen, ist beliebt, wenn auch oft ineffektiv.
So sitzen die beiden nebeneinander und vor der Therapeutin (Angelika
Thomas), sortieren schwarze und weiße Bälle für schlechte und gute
Erinnerungen in getrennte Körbe und liefern sich einen vom
Drehbuch-Routinier Martin Rahaus geschriebenen Schlagabtausch nach dem
anderen. Zwischendurch springt der Film in die privaten und gemeinsamen
Erlebnisse der beiden, und porträtiert sie als klassisches, gutsituiertes,
gescheitertes Ehepaar mit Haus, Garten, Hund.
Wie bei Loriot, nur ohne parodistische Qualität
Und das ist es auch, was schnell langweilt an dem nur selten
screwballartigen Ansatz: Fast trutschig wirkt die Angewohnheit, die Sätze
immer mit dem Vornamen des anderen zu beginnen, „Georg, nun beruhig dich
doch erst mal“ oder „Laura, ich hab alles für dich aufgegeben“ oder „D…
ich find’s toll, dass du was Eigenes machst“ – wie bei Loriot, nur ohne
dessen parodistische, bittere Qualität.
Während Trennungskomödien wie „Der Rosenkrieg“ (1989) ihren bösen Witz a…
der überkandidelten Eskalation ziehen und Trennungsdramen wie „Die
Einzelteile der Liebe“ (2019) tatsächlich großes Leid verhandeln, bleibt
Kaufmanns Film gediegen: Ist es wirklich nur die Langeweile und Doris’
latente Unzufriedenheit, die die beiden auseinandertreibt? Wo ein (auch
wieder nicht validiert beobachtet) ziemlich eklatantes Problem bei
Langzeitpaaren doch der fehlende Sex, die fehlende Lust zu sein scheinen?
Das erfahrene Gespann Gedeck und Tukur, das sich müht, Rahaus’ nur manchmal
rasanten Fernsehdialogen Leidenschaft einzuhauchen, hatte 2017 in Sven
Taddickens Drama „Gleißendes Glück“ gezeigt, wie intensiv es in die
Dramatik von Sex und Frust und fehlender Liebe eintauchen kann – bei
Kaufmann fehlt diese zweite Ebene, die auch Komödien zu mehr Tiefe
verhelfen könnte. Denn die Konsequenzen, die nach einer Trennung auf beide
Ex-Eheleute warten, wären eher mickrig – da man sich eh nicht mehr liebt,
die Kinder aus dem Haus und die Schäfchen weitestgehend im Trockenen sind,
passiert nicht viel, es sei denn, man inszeniert eben einen „Rosenkrieg“.
Vielleicht darum führt Doris’ Weg am Ende zu einer unglaubwürdigen
Konfrontation mit Social Media, von der man nicht weiß, ob sie eine Parodie
auf die Unwissenheit der Digital Immigrants sein soll oder ernst gemeint
ist.
Dass die Protagonist*innen zudem ein wenig wie ihre eigenen Abziehbilder
wirken (Hausfrau mit Kunstmagazinambitionen braucht einfach mal wieder
Komplimente, Midlifecrisis-Mann mit „Rücken“ stolpert in jüngere
Pussytrap), festigt die Klischees, anstatt sie aufzudröseln. Es stecken so
viel mehr Probleme im wackeligen Konzept der Zweierbeziehung. Schade, dass
der Film sich aus diesem Fundus viel zu vorsichtig bedient.
12 Aug 2019
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Film
Ulrich Tukur
Martina Gedeck
Gangsterfilm
Drama
Tatort
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