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# taz.de -- „Tatort“ aus Wiesbaden: Same same but different
> Eigentlich hatte die ARD für ihren „Tatort“ die Devise ausgerufen: „Ke…
> Experimente mehr“. Jetzt gibt es doch wieder eines – und auch noch ein
> gutes.
Bild: Der „Tatort“ vom Hessischen Rundfunk mit Ulrich Tukur ist für seine …
Die Kugel trifft den Kommissar von hinten, er reißt die Augen auf – zum
Glück nur ein Traum. Da piepst das Handy auf dem Nachttisch, die Kollegin
Wächter (Barbara Philipp) ist dran. Murot (Ulrich Tukur) möge schnell
kommen, ein Banküberfall mit Geiselnahme. Grummelnd schiebt der Kommissar
sich aus dem Bett: Wächter soll schon mal ein Fluchtauto organisieren und
genug Lösegeld, aber bitte „in kleinen Scheinen“. Denn Murot weiß, wie so
ein Bankräuber tickt: „Kennste einen, kennste alle.“ Routine.
Murot schlappt ins Badezimmer und weiter zum Kleiderschrank. Draußen vor
der Wohnungstür joggt die Nachbarin grüßend durchs Treppenhaus: Routine.
Der Nachbar von unten hat wieder mal die Musik zu laut gedreht. Wie immer.
Auf dem Weg zu seinem Auto stolpert Murot über eine Mutter, die ihr
unwilliges Kind in die Kita lotst. Was Menschen morgens eben so machen. Am
Tatort angekommen, kippt ihm der junge Polizist den unvermeidlichen Kaffee
über die Hose. SEK und Einsatzleitung stellen sich vor, die üblichen
Handshakes.
„Ich gehe da jetzt mal rein“, sagt Murot und schmeißt sich mit seiner
ganzen gelangweilten Routine in die kugelsichere Weste. Ein bisschen
einfühlsames Gequatsche, gelernt ist gelernt auf der Polizeischule, und
schon ist der Amateurräuber entwaffnet. Da löst sich ein Schuss von einer
unerwarteten Komplizin des Bankräubers im Rücken des Kommissars, er reißt
entsetzt die Augen auf – nur ein Traum?
Murot ist in einer Art Zeitschleife gefangen. Das piepsende Handy, die
joggende Nachbarin, das renitente Kind, der Kaffee auf der Hose. Und immer
wird Murot am Ende erschossen. Und immer fängt dann alles wieder von vorne
an.
Anfangs kämpft der Kommissar gegen diesen Alptraum an, bis er erkennt: Erst
wenn er es schafft, den Fall zu lösen, ohne dass er selbst oder der
Geiselnehmer sterben, ist der Bann gebrochen. Der Überdruss an der Routine
des Alltags wird auf die Spitze getrieben: Wieso eigentlich immer
weitermachen, wenn doch jeder Tag derselbe ist, fragt sich der Kommissar.
Klar, weil der Alltag zwar ein Hamsterrad ist, aber Aufgeben deshalb noch
lange keine Option, wie Murot lernt.
Und natürlich ist dieses interessante stilistische Experiment von Regisseur
Dietrich Brüggemann auch eine clevere Kritik am Krimi-Einheitsbrei: der
Klassiker Banküberfall in Endlosschleife. Kennste einen „Tatort“, kennste
alle „Tatorte“? Nee, in diesem Fall eben nicht.
17 Feb 2019
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Tatort
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Wiesbaden
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