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# taz.de -- Waldexpertin über neue Klimastudie: „Aufforstung allein bringt's…
> Aktuelle Berechnungen zeigen, dass neue Wälder CO2-Emissionen massiv
> ausgleichen könnten. Doch so einfach ist das nicht, erklärt Jana
> Ballenthien.
Bild: Können einiges, aber nicht allein die Klimakrise lösen: Bäume von morg…
taz: Frau Ballenthien, eine [1][am Freitag im Fachmagazin Science
veröffentlichte Studie] kommt zu dem Ergebnis, dass neue Wälder auf kaum
genutzten Flächen zwei Drittel aller CO2-Emissionen ausgleichen könnten.
Heißt das, dass uns Aufforstung vor dem Klimatod retten kann?
Jana Ballenthien: Überhaupt nicht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dürfen
nicht die Illusion schüren, dass es eine einfache Lösung für alle
Klimaprobleme gibt. Einfach ein paar Setzlinge zu pflanzen und damit raus
aus dem Schneider zu sein, wird nicht funktionieren.
Wie meinen Sie das?
Zum Beispiel ist es eigentlich viel wichtiger, dass die massive Rodung
alter Wälder gestoppt wird. Die kann man nämlich gar nicht durch
Aufforstung ausgleichen. Das gilt nicht nur für den [2][tragischen
Extremfall Brasilien], sondern überall. In Rumänien gab es 2004 noch über
280.000 Hektar unberührte Wälder, heute sind es weniger als die Hälfte.
Unter anderem, weil IKEA dort 8 Prozent seines Holzes her bekommt. Nicht
einmal Schutzgebiete helfen da: Auch dort ist illegaler Holzeinschlag an
der Tagesordnung.
Warum ist dieser alte Wald so wichtig?
Alte Wälder speichern viel mehr CO2 und Feuchtigkeit, sind artenreicher und
resilienter. Neu aufgeforstete Wälder brauchen über hundert Jahre, ehe sie
auch nur annähernd so etwas leisten können, und im schlimmsten Fall ähneln
sie eher einer Monokultur.
Aber sind die Wissenschaftler*innen der ETH Zürich wirklich so naiv? Die
wissen doch auch, dass überall gerodet wird und Bäume eine Weile brauchen,
um zu wachsen.
Ja, aber sie ziehen sich oft zurück auf die reinen Zahlen. Die Forderung
nach Aufforstung macht nur Sinn wenn man auch die kapitalistische
Produktion und den ungezügelten Konsum insgesamt problematisiert. Ganz
knapp gesagt: Wir müssen unseren Konsum drastisch reduzieren, wir müssen
mehr Recycling betreiben und wir müssen alte Wälder erhalten und schützen.
Man kann nicht erwarten, dass „der Wald“ und sein Holz als nachhaltiger
Rohstoff einfach alle Probleme löst.
Können Sie das genauer erklären?
Der Druck auf die Wälder ist enorm groß: Er wird für Sojafuttermittelanbau
Palmöl gerodet, für den Bauboom und die Papierproduktion genutzt. Hinzu
kommt der Zuwachs bei der Holzpelletverbrennung. Sogar als Kohleäquivalent
wird der Wald vermarktet. Das ist aberwitzig. Die Gesamtmenge des
Einschlages in Deutschland könnte – wenn das Holz nicht für andere Dinge
benötigt würde – noch nicht einmal eine Kohlegrube ersetzen. Aufforstung
kann also nur zeitgleich mit anderen Maßnahmen und einem
(Bewusstseins-)Wandel auf allen Ebenen wirksam sein.
Wäre die Studie also besser nicht erschienen?
Wir begrüßen die Studie. Die Ergebnisse sind gut und wichtig, und wir
brauchen solche positiven Signale. Aber das sollte nicht missverstanden
werden als einfaches Allheilmittel, damit sonst alles so weitergehen kann.
Sonst bringt die Studie die Möglichkeit mit sich, dass sich auf Aufforstung
ausgeruht wird.
Wie könnte man das Aufforsten als einen Baustein gegen den Klimawandel
sinnvoll angehen?
Das hat alles mit Geld und politischem Willen zu tun, auf globaler wie auch
auf regionaler Ebene. Um aufzuforsten, muss man ja investieren und
subventionieren – sei es nur, um Zäune zu bauen oder die Kleinbauern zu
entschädigen, die vermutlich auf den fraglichen Flächen leben. Aber noch
mal: Allein bringt das nicht so viel, wie man sich vielleicht wünschen
würde.
7 Jul 2019
## LINKS
[1] https://science.sciencemag.org/content/365/6448/76
[2] /Amazonas-Fonds-fuer-den-Regenwald/!5595169/
## AUTOREN
Andrew Müller
## TAGS
CO2-Emissionen
Klima
Regenwald
Rodung
Abholzung
Schwerpunkt Klimawandel
Aufforstung
Amazonas
Naturheilkunde
RWE
Brasilien
Burkina Faso
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