# taz.de -- Panafrikanisches Freihandelsabkommen: Made in Africa | |
> Am Wochenende soll das Freihandelsabkommen zwischen den 55 Staaten in | |
> Kraft treten. Auch das Schwergewicht Nigeria ist nach langem Zögern | |
> dabei. | |
Bild: Nigers Präsident Mahamadou Issoufou bei einem Treffen der Afrikanischen … | |
ABJUJA taz | Sie ist zwar vorerst nur eine ambitionierte Absichtserklärung, | |
aber die „Africa Continental Free Trade Area“ – kurz AfCFTA – ist in den | |
vergangenen Wochen in den höchsten Tönen gelobt worden. Das | |
Freihandelsabkommen, das innerafrikanische Handelsschranken abbauen soll, | |
wurde am 30. Mai durch das Erreichen der notwendigen Anzahl an | |
Ratifizierungen rechtskräftig. An diesem Wochenende soll es beim | |
Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) in Nigers Hauptstadt Niamey | |
formell in Kraft gesetzt werden. AU-Handelskommissar Albert Muchanga nennt | |
AfCFTA „die Weiterentwicklung einer langen Reise“. Nun sollen Schritte wie | |
die Schaffung einer Zoll- und Währungsunion, eines gemeinsamen Marktes und | |
möglicherweise auch eine afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft folgen, sagte | |
der Sambier Mitte Juni. | |
Perspektivisch soll durch die „Afrikanische Freihandelszone“ ein | |
panafrikanischer Binnenmarkt nach EU-Muster entstehen, mit freiem Waren- | |
und Personenverkehr und der Liberalisierung von Dienstleistungen. Afrikas | |
Staaten sollen ab sofort Handelshemmnisse verringern, so den | |
innerafrikanischen Handel ankurbeln und Handelsstreitigkeiten künftig | |
untereinander nach gemeinsamen Regeln klären. All das ist zentraler | |
Baustein des Fernziels der AU: Bis zum Jahr 2063, hundert Jahre nach | |
Gründung des AU-Vorgängers OAU (Organisation für Afrikanische Einheit), | |
soll Afrika geeint und wohlhabend sein. | |
Ein entscheidendes Land fehlte bisher: Nigeria. Der größte Ölexporteur des | |
Kontinents hat eine Bevölkerung von rund 200 Millionen Menschen und ist vor | |
Südafrika die größte Volkswirtschaft Afrikas. Abhängig von Nigeria ist vor | |
allem der mit 11 Millionen Einwohnern relativ kleine Nachbar Benin. Benin | |
hat AfCFTA bislang ebenfalls nicht unterschrieben, auch nicht das | |
abgeschottete Eritrea. | |
Nach langem Zögern hat Nigeria wenige Tage vor dem AU-Gipfel doch noch | |
eingelenkt. Per Twitter kündigte Präsident Muhammadu Buhari an, das | |
Abkommen zu unterzeichnen, um Einfluss auf seine Umsetzung nehmen zu | |
können. Man wolle „Schutzmaßnahmen gegen Schmuggel und Dumping“, so die | |
Mitteilung der Präsidentschaft, und: „Afrika braucht nicht nur eine | |
Handelspolitik, sondern eine kontinentweite Industriepolitik. Unsere Vision | |
für den innerafrikanischen Handel ist Freizügigkeit für Waren ‚Made in | |
Africa‘“. | |
„Nigeria hat sich um die Konsequenzen gesorgt, vor allem, wenn es um die | |
lokale Produktion geht“, beschreibt Gbenga Adebija, Direktor der | |
Nigerianisch-Deutschen Wirtschaftsvereinigung mit Sitz in Lagos, die bisher | |
ablehnende Haltung. Diskutiert worden sei auch, ob Freihandel minderwertige | |
Waren in das Land bringen würden. Und was offene Grenzen für die Sicherheit | |
bedeuten. | |
## „Es ist absolut notwendig“ | |
„Gibt es auf dem Kontinent Firmen, die dieselben Produkte herstellen und | |
dann nach Nigeria exportieren? Das könnte ganze Industriezweige zerstören“, | |
fasst Eze Onyekpere, Leiter des Zentrums für soziale Gerechtigkeit in | |
Abuja, weitere Bedenken in Nigeria zusammen. Mitunter würde sich das | |
riesige Land auch nicht für wettbewerbsfähig genug halten. „Welche | |
Dienstleistungen und Güter lassen sich überhaupt exportieren? Oder bleibt | |
das Land letztendlich nur Konsument?“ | |
Doch ohne eine Unterschrift würde Nigeria bei künftigen Gesprächen rund um | |
AfCFTA nicht mitreden können. Das gab den Ausschlag, doch teilzunehmen. | |
Laut Gbenga Adebija wird sich Nigeria dabei dafür einsetzen, dass | |
Arbeitsplätze entstehen und die Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmer sich | |
verbessern. | |
Unmittelbares Ziel des Freihandelsabkommens ist es, den Handel zwischen den | |
55 Staaten der AU, in denen mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben, | |
anzukurbeln. Aktuell wird nur ein Fünftel des Handels auf dem Kontinent mit | |
anderen afrikanischen Staaten abgewickelt. | |
Gehandelt wird stattdessen mit den einstigen europäischen Kolonialmächten | |
sowie zunehmend mit China. Einerseits liegt es daran, dass der Kontinent | |
bis heute meist Rohstofflieferant geblieben ist. Doch auch die schlechte | |
Infrastruktur und die in einigen Ländern massive Korruption wirken | |
bremsend. Wer etwa in Nigeria Güter durch das Land fährt, muss an jedem | |
Checkpoint Geld lassen, das Sicherheitskräfte mal diskret, mal sehr offen | |
in die Taschen stecken. An vielen afrikanischen Grenzen sieht es ähnlich | |
aus. | |
Auch das soll sich dank AfCFTA ändern, indem Staaten miteinander | |
kooperieren, um den Grenzverkehr zu erleichtern. Eze Onyekpere vom Zentrum | |
für soziale Gerechtigkeit ist sich sicher: Es ist an der Zeit, dass Afrikas | |
Wirtschaft enger zusammen rückt. „Es ist absolut notwendig, eine | |
Handelszone für den ganzen Kontinent zu schaffen, durch die Güter ohne | |
Grenzen und staatlichen Protektionismus transportiert werden können. Wenn | |
Nigeria zweifelt, sollte das eher Anlass sein, die Bedingungen zu | |
verbessern.“ | |
5 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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