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# taz.de -- Ausstellung zur Grenfell-Katastrophe: Mahnung der Überlebenden
> Zwei Jahre nach dem Großbrand des Grenfell Towers im Londoner Westen
> erinnert eine Fotoausstellung an das tragische Unglück.
Bild: Zwei der ehemaligen BewohnerInnen des Hochhauses
London taz | Zwischen den Boutiquen inmitten des schicken Londoner Viertels
Shorditch gab es letzte Woche die viertägige Fotoausstellung „Never Forget
Grenfell“. Der Titel prangte auf zwei großen Postern vor der Galerie.
Gezeigt wurden Porträts von Überlebenden des verhängnisvollen Feuers im
Hochhaus Grenfell Tower am Morgen des 14. Juni 2017. Organisiert wurde die
Ausstellung gemeinsam von Aktivisten aus der Nachbarschaft,
Gemeindeführer*Innen und unterstützenden Prominenten, wie dem Londoner
Rapper Stormzy.
Auf den in Schwarz-Weiß abgebildeten Gesichtern, die größtenteils
geradlinig in die Kamera blicken, liest man Ernst, Tiefe und fragende
Blicke, die direkt auf die Betrachter*Innen zielen. Einige der abgebildeten
Personen umarmen sich oder halten sich gegenseitig fest.
Damit betonen sie den Wert des Moments dieser Aufnahmen, als könnte bereits
morgen alles anders sein: Der ältere Mann im Anzug, der seine Ehefrau bei
dem Großbrand verloren hat, die Familie deren Teenager-Tochter verbrannte.
Geschwister – ein Junge und ein Mädchen – posieren mit ihren Eltern in
ihren besten Kleidern. Ein Mädchen, etwa zwölf Jahre alt, steht mit
angewinkelten Armen, standfest, so als wäre sie bereit sich der Welt zu
stellen und sie zu verändern.
## Sensibles Thema
Nicht alle der 223 Überlebenden wurden abgebildet. „Manche wollten nicht
vor die Kamera, andere konnten nicht zum Shooting“, erklärt der Fotograf
Tom Cockram, der die Aufnahmen machte und die Ausstellung auf eigene Faust
und mit eigener Finanzierung durchzog. Die Namen der 72 verstorbenen Opfer
stehen separat auf einer Ausstellungswand. Unter den Bildern selber fehlen
jedoch Namen „aus Respekt“, meint Cockram, ein Hinweis auf die Sensibilität
derartiger Projekte.
Augenzeugen dokumentierten den Brand und die Gemeinschaft mit ihren
Smartphones. Manche stellten diese Aufnahmen ins Netz. Journalisten
erhalten regelmäßig Bitten, Überlebende der Katastrophe nicht anzusprechen.
Diese Bilder hat die „Grenfell Gemeinde“, wie sie Cockram nennt, jedoch
selbst arrangiert, zunächst, um 18 Monate nach dem Feuer, ein Video von
sich machen zu lassen, in dem die Öffentlichkeit dazu aufgerufen wird, sich
ihrer Kampagne Grenfell United anzuschließen. Neben der Unterstützung der
Betroffenen und der Aufdeckung der Umstände, die zum Inferno führten,
fordern sie Veränderungen in der Feuersicherheit von Hochhäusern zur
Vermeidung weiterer Unglücksfälle.
Cockram hatte vor den Aufnahmen nichts mit Grenfell zu tun. Er dreht
eigentlich Musikvideos für das Majorlabel Universal. „Als ich gefragt
wurde, willigte ich gleich ein, da ich schon immer meine Fähigkeiten für
gute Zwecke einsetzen wollte.“ Die Bilder der Ausstellung stammen teils vom
Videodreh und von weiteren Fotosessions, nachdem Cockram die Idee zu den
Porträtaufnahmen kam. Der 32-Jährige erklärt, dass bei den Aufnahmen bis
auf den minimalistischen Hintergrund wenig gestellt war. Das sei auch der
filmischen Qualität sei einer Phase-One-Kamera zu verdanken.
## Fehlender Feuerschutz
Ort und Zeitpunkt der Ausstellung, erst zum zweiten Jahrestag des
Desasters, waren ihm wichtig. „Katastrophen geraten schnell in
Vergessenheit, gerade hier im schicken Shoreditch, weit ab vom Grenfell
Tower“, glaubt Cockram. Die Ausstellung war ihm auch wichtig, weil er in
einer Hochhaussiedlung im Londoner Stadtteil Tottenham aufwuchs. Deswegen
half er Grenfell United auch bei Fotoprojektionen auf verschiedenen High
Rises, die daraufhin wiesen, dass ihnen trotz der Brandkatastrophe von 2016
bis heute Feuersicherheit fehlt.
Unweit von Grenfell in Westlondon entstehen ständig Kunstwerke, die sich
mit dem Unglück beschäftigen. In Wandmalereien und Graffitis dominieren
Herzen, Hände haltende Menschen, dazu Worte wie Einheit, Liebe, Wahrheit.
Das ist kein Zufall. Karim Mussilhy, der Grenfell-United-Vizevorsitzende
kommentiert die Fotoausstellung Cockrams, mit der Hoffnung, die Bilder
zeigen, „wie stark die Gemeinschaft sei“. So sei es zwar schon vor dem
Brand gewesen, doch, schrieb er zur Ausstellung „seit dem Feuer ist die
Gemeinschaft noch stärker zusammengeschweißt, Trauernde, Überlebende und
Nachbarn haben sich miteinander getroffen, um sich gegenseitig zu
unterstützen.“
Vereint war die Gemeinde auch bei der Andacht zum Jahrestag der Tragödie
vor zwei Wochen. Die Überlebende Leanne Mya trug als eine von mehreren
AnwohnerInnen den Song „I am blinded by your Grace“ von Grime-Rapper
Stormzy vor. Mit dieser Dankeshymne schaffte es die 31-Jährige einen Monat
zuvor sogar bis ins Halbfinale der britischen TV-Show „Supertalent“. „Es
war das Zusammenkommen der Gemeinschaft, dass mir wieder den Glauben an die
Menschheit verlieh“, erklärte sie in einem Interview.
26 Jun 2019
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Grenfell Tower
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Ausstellung
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