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# taz.de -- Brand im Grenfell Tower: Wie die Feuerwehr versagte
> Beim Brand des 24-stöckigen Grenfell Tower in London 2017 starben 72
> Menschen. Das war vermeidbar, sagt jetzt eine richterliche Untersuchung.
Bild: Die Brandruine, August 2017: Warum rief die Feuerwehr die Leute auf, in i…
Oft stand Feuerwehrpersonal bei den Schweigemärschen in Ehrenformation am
Wegrand. Der Einsatz individueller Einsatzkräfte war selbstlos und
heroisch, dennoch verweist der Schlussbericht der ersten Phase der
öffentlichen [1][Grenfell-Untersuchung] auf verheerende institutionelle
Fehler. Über 1.000 Seiten in vier Bänden geben unter anderem Aufschluss zur
Vorgangsweise der Rettungskräfte beim [2][Brand des Londoner Hochhauses
Grenfell Tower], in dem am 14. Juni 2017 72 Menschen ihr Leben verloren.
Der Bericht der Untersuchungskommission unter Leitung des pensionierten
Richters Sir Martin Moore-Bick ist so detailliert, dass er Grundlage für
weltweites Training in Feuersicherheit werden könnte. Er analysiert Fragen
zur Struktur des Gebäudes, seinen Eigentümern und Verwaltern und seiner
Renovierung.
Im zweiten Teil des Berichts wird das Feuer aufs Genaueste beschrieben,
nachdem ein Bewohner um 00.54 Uhr die Notdienste verständigte, weil ein
Feuer in seiner Küche ausgebrochen war. „Es war nichts weiteres als ein
gewöhnliches Küchenfeuer“, schreibt der Bericht und betont, dass den
Bewohner keine Schuld treffe.
Fünf Minuten nach der Verständigung der Notdienste erreicht die Feuerwehr
das Gebäude. Um 1.09 Uhr steigt das Feuer an der Außenfassade hoch. Um 1.27
Uhr erreicht der Brand das Dach des 24-stöckigen Hauses und beginnt sich
horizontal auszubreiten. Erst um 02.35 wird die Empfehlung der Feuerwehr an
die Bewohner*Innen, in ihren Wohnungen zu bleiben, aufgehoben. Um 08.07
morgens wird der letzte Überlebende geborgen. Wie viele Menschen verbrannt
sind, weiß da noch niemand.
## Fehlverhalten der Brandbekämpfer ist offziell
Manches aus dem Bericht war schon bekannt: Dass die bei der Renovierung an
die Außenfassade angebrachte Dämmung das Feuer schürte, weil die
Kompartmentalisierung unter der Hitze zusammenbrach, oder dass die
Feuertüren sich nicht von selbst schlossen.
Offiziell festgestellt ist jetzt aber das Fehlverhalten der Brandbekämpfer.
Ab 1.20 Uhr waren viele Flure voller Rauch, dennoch konnten bis 1.50 Uhr
168 Menschen dem Feuer entkommen. Erst ab 2.20 Uhr war der Rauch auch im
Treppenhaus lebensgefährlich, ohne dass es unmöglich war, weiter über das
Treppenhaus zu entkommen.
Die Vorbereitungen der Londoner Feuerwehr (LFB), schreibt Moore-Bick, waren
„vollkommen inadäquat.“ Dieser Punkt zirkuliert seit Anfang dieser Woche
über Leaks in den britischen Medien. Dem Feuerwehrpersonal fehlte Training
über die spezifischen Gefahren mit brennbarer Dämmung. Und: „LFB hatte kein
Training erhalten, wie die Notwendigkeit einer Evakuierung erkannt werden
kann.“
Die Datenbank zur Erwägung des Feuerrisikos „war viele Jahre rückständig�…
heißt es im Bericht. Informationen bezüglich Grenfell Tower waren falsch
oder fehlten ganz. Die Baupläne, über die die Hausverwaltung verfügte,
erreichten die Feuerwehr erst um 8.00 Uhr morgens.
„Niemand bei den Einsatzkräften war in der Lage, zu erkennen, dass die
Kompartmentalisierung nicht mehr funktionierte und dass der Tower hätte
evakuiert werden müssen“, schreibt Moore-Bick. „Wenn diese Entscheidung
gegen 1.30 oder 1.50 Uhr getroffen worden wäre, hätte es zum Verlust von
weniger Menschenleben geführt.“
## Erhöhter Druck auf die Feuerwehrbehörde
Auch die Kommunikation innerhalb der Feuerwehr funktionierte schlecht. Die
Brandbekämpfer vor Ort erfuhren nicht, wo genau sich Menschen im Tower
befanden. Als die Entscheidung getroffen wurde, das Gebäude zu evakuieren,
wurde den Leuten nicht klar gesagt, dass sie nun auf alle Fälle versuchen
müssten, dem Brand zu entkommen. Der Evakuierungsplan der städtischen
Hausverwaltung Kensingtons war 15 Jahre veraltet und wurde nicht in Gang
gesetzt.
Unter den Empfehlungen von Moore-Bick stehen viele eigentlich
selbstverständliche Dinge: Detaillierte, digital zugängliche Informationen
für die Feuerrettungsdienste über Bau- und Renovierungsmaterialien,
Baumethoden und Rettungspläne; Inspektionen und Training bezüglich von
Hochhäusern, inklusive Fahrstühle, Feuertüren. Jede Wohnung brauche
Feuerlöscher, jedes Hochhaus ein Sprinklersystem. Auch die Fragen, wie
Informationen aus der Notrufzentrale an die Feuerwehrleute vor Ort
gelangen, wird behandelt.
Moore-Bick empfiehlt das Entfernen brennbarer Polyethylen-Dämmung an bis zu
400 Towern gleicher Art in Großbritannien. Über ein vollkommenes Verbot, so
wie es einige in der Untersuchung verlangten, könnte erst in der nächsten
Phase der Untersuchung entschieden werden, viele Materialien seien ohnehin
bereits nicht mehr zugelassen. Auch eine Evaluierung der Testmethoden von
Baumaterialien werde dann untersucht.
Der Bericht erhöht den Druck auf die Feuerwehrbehörde, nachdem schon
Feuerwehrkommandantin Dany Cotton nicht nur von Moore-Bick für eine Aussage
bei der Untersuchung kritisiert worden war, wonach sie im Rückblick nichts
anders machen würde. Cotton hieß den Bericht jedoch willkommen. Andere
verweisen auch auf Kürzungen des amtierenden Premierministers Boris
Johnsons in der Zeit vor 2016, als er noch Londoner Bürgermeister war,
darunter die Schließung von Feuerwehrzentralen und Kürzungen bei
Trainings-und Übungsmöglichkeiten.
30 Oct 2019
## LINKS
[1] /Untersuchung-Hochhausbrand-in-London/!5444821
[2] /Grossbrand-in-London/!5420761
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
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