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# taz.de -- Anti-Rechts-Aktivistin zum Fall Lübcke: „Darüber lachen die doc…
> Nach dem Mord an Walter Lübcke gehen in Kassel 2.500 Menschen auf die
> Straße. Rechter Terror darf nicht mehr verharmlost werden, fordert Ayşe
> Güleç.
Bild: Bundesweit fanden am Wochenende Demonstrationen gegen Rechts statt – wi…
taz: Frau Gülec, Sie sind nach dem [1][Mord an Walter Lübcke] am Samstag
mit 2.500 Menschen in Kassel auf die Straße gegangen. Was war Ihre
Hauptbotschaft?
Ayse Gülec: Dass rechter Terror nicht länger verharmlost werden darf. Noch
immer nimmt der Staat diese Bedrohung nicht ernst. Trotz des NSU-Terrors,
der ja auch in Kassel passierte, 2006 mit dem Mord an Halit Yozgat. Der
Mord an Herrn Lübcke ist nun das nächste Signal der Rechtsextremen: Seht
her, auch gewählte Repräsentanten sind nicht mehr sicher.
Auch in vier anderen Städten wurde wegen des Mordes demonstriert. Ist dies
das nötige Zeichen?
Absolut. Der Protest war kurzfristig organisiert, da finde ich 2.500
Menschen in Kassel ein gutes Zeichen. Aber im Grunde hätten es noch viel
Menschen sein müssen, die auf die Straße gehen, und zwar überall in diesem
Land. Ich finde es viel zu still gerade.
Was heißt das?
Auch Kassel wirkte anfangs wie gelähmt. Ich kann das auf der einen Seite
verstehen, auf der anderen aber nicht. Gerade die CDU verstehe ich nicht.
Viele der Christdemokraten haben geschwiegen, als Herr Lübcke sich in den
letzten Jahren für Geflüchtete einsetzte und dafür von Rechten angefeindet
wurde. Nun wurde Lübcke – einer von ihnen – erschossen, und sie schweigen
wieder.
Inzwischen hat die CDU-Spitze den Mord sowie rechtsextreme Hetze und Gewalt
klar verurteilt.
Ja, aber warum so spät? Gerade jetzt muss man doch klar Position beziehen.
Aber ich freue mich über die Verurteilung und erwarte nun, dass sich das
auch konkret niederschlägt. In der Vergangenheit sah das ja anders aus. Da
sagte Seehofer, die Migration sei die Mutter aller Probleme. Da flirtete
die CDU mit der AfD. Auch da hätte es bereits Widerspruch geben müssen,
insbesondere bei den Christdemokraten.
Was glauben Sie, woran lag die Zurückhaltung nach dem Mord?
Vielleicht ist es Lähmung, vielleicht Angst. Vielleicht gibt es aber auch
etwas zu verbergen.
Was denn?
Ich weiß es nicht. Aber als ich zuerst von dem Mord an Herrn Lübcke hörte,
musste ich sofort an den NSU und an den Mord an Halit denken. Wieder ein
Kopfschuss, eine Hinrichtung. Wieder Kassel. Und komisch, dass der jetzige
Tatverdächtige…
…der Rechtsextreme Stephan E. aus Kassel…
…dass der mit einem früheren V-Mann bekannt war, dessen V-Mann-Führer,
Andreas Temme, damals beim Mord an Halit Yozgat in Kassel am Tatort war.
Warum Temme das war, ist ja bis heute nicht klar. Auch ein
Forschungsinstitut aus London, Forensic Architecture, hatte zuletzt
nachgewiesen, dass Temmes Aussagen, er habe damals nichts mitbekommen,
nicht stimmen kann. Und dieser Temme arbeitete nun zuletzt unter Lübcke im
Regierungspräsidium.
Dort arbeiten allerdings auch 1.200 weitere MitarbeiterInnen.
Ja. Aber da kommt trotzdem gerade sehr viel zusammen. Und nun höre ich,
dass Lübcke auch auf der NSU-Liste stand.
Sie selbst engagieren sich seit Jahren in Kassel gegen rechts. Was macht
der Mord eigentlich mit Ihnen?
Natürlich denkt man jetzt nochmal nach: Wen hatte der Typ eigentlich noch
im Visier? Aber ich habe mich die letzten Jahre nicht einschüchtern lassen,
und ich lasse mich auch jetzt nicht einschüchtern. Ich frage mich aber
schon, warum nicht alle, die auf der NSU-Todesliste standen, geschützt
wurden, oder zumindest informiert.
Was muss jetzt geschehen?
Es braucht jetzt ein hartes Vorgehen der Behörden gegen rechtsextreme
Strukturen. Hier wurde ja genau versagt nach dem NSU-Terror. Trotz vieler
Versuche der Anwälte von Halits Familie und den anderen Betroffenen wurden
die Unterstützer des Trios bis heute nicht aufklärt, obwohl klar ist, dass
sich das Trio in einem Netzwerk von rund 40 V-Leuten und Nazis bewegte.
Nach dem NSU-Urteil konnten Angeklagte, bekennende Nazis, frei aus dem
Gericht spazieren. Und hessische Verfassungsschutzakten wurden für 120
Jahre weggeschlossen. Darüber haben sie in der Nazi-Szene doch gelacht!
Auch der Tatverdächtige im Fall Lübcke, Stefan E., ist kein Einzeltäter, da
bin ich überzeugt. Deshalb müssen nun die rechten Strukturen wirklich
aufgeklärt werden, auch nochmal der Mord an Halit. Und die gesperrten Akten
müssen offengelegt werden.
23 Jun 2019
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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Rechtsextremismus
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