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# taz.de -- Rapperin Haiyti: Jet-Set-Diva im Gaunermilieu
> Der Haiyti-Pop ist voller Widersprüche. Von Chanel bis Gansterrap
> beackert die 26-jährige Hamburger Rapperin alle Register des Glamour.
Bild: Sind das die Kacheln aus dem Haus auf Ibiza?
Würde man die Texte der unzähligen, in den letzten fünf Jahren auf Alben,
Mixtapes und EPs veröffentlichten Songs der Hamburger Rapperin Haiyti
aneinanderreihen, entstünde ein großartiger Cut-up-Pop-Roman. Denn ihr
Sound ist Pop und ihre Reime könnten Literatur sein, aber auf Beats
rhythmisiert klingen sie eben besser als auf Papier geschrieben.
Haiytis Musik hat alles, was Rap interessant macht. Aura, Attitüde, Tiefe,
Glamour, Flow und Message. Das neue Album der 26-jährigen Künstlerin,
bürgerlich Ronja Zschoche, heißt „Perroquet“. Es ist das nächste
Versatzstück im irren, manchmal bunten, manchmal dunklen Haiyti-Pop, bei
dem alles und nichts zusammenhängt. Um einzelne Veröffentlichungen ging es
bei ihr nie. Eher verpackt Haiyti die Fortschreibung ihres Gesamtwerks in
einen äußerst langen, assoziativen Stream. Kurz nach Albumveröffentlichung
wird die nächste EP folgen, das nächste Versatzstück, das neueste
Sound-Experiment.
Gangster-Pop nennt Haiyti ihren Stil selbst. Das passt, darunter lässt sich
ihre stilistische Diversität gut subsumieren. Cloud-Rap nannten andere ihre
Musik. Das passte schon weniger. Haiyti selbst reagierte auf die
Zuschreibung gereizt. Was Cloud-Rap war, darüber war sich in den letzten
Jahren niemand sicher. Trotzdem nutzten Feuilletonisten das Wort oft,
während HipHop-Fans damit nichts anzufangen wussten.
Irgendwas mit wabernden Wolken-Sounds und sphärischen Synths und durch die
Cloud schwebenden mit Drogen vollgepumpten Protagonist*innen wird er schon
gewesen sein, der Cloud-Rap. Gegenwarts-Pop der Generation X oder Y oder Z.
Unbedingt antikapitalistisch, weil die Musik doch kostenlos auf Soundcloud
steht, aber trotzdem modisch, weil es in den Songs viel um Designermarken
und Liebe und die Liebe zu Designermarken ging. Und natürlich war Cloud-Rap
hochemotional.
Der-Cloud-Rap-Stempel ist ein undankbarer. Kreiert von Menschen, die es
sich zu leicht machen, die nicht zwischen den RapperInnen Yung Hurn, Rin
oder Haiyti differenzieren können. Würden sie richtig zuhören, dann würden
sie merken: Haiyti ist mehr als nur Wolken-Wabern. Mehr als eine
Designermarken-Verehrerin. Ihre im besten Sinne eklektischen Sounds zehren
unter anderem aus Atlanta-Trap, Memphis-Horrorcore und House. In ihren
Songs geht es längst nicht nur ums High-Sein. Und ihre Musik veröffentlicht
sie mittlerweile beim Majorlabel Universal Music, nicht kostenlos bei
Filesharingdiensten.
## Songs über Designermarken mit Tiefe
Ihr Assoziationsketten-Rap bewegt sich zwischen Highlife im Ausland und dem
Gaunermilieu um den Hamburger Hafen. Auf „Perroquet“ ist Haiyti rastlos,
unternimmt eine halbe Weltreise, um ihre Geschäfte abzuwickeln, ist in St.
Moritz, plötzlich in Tansania, trinkt dann entspannt einen „Cappuccino in
Mailand“. Es geht hin und her, kreuz und quer, Hauptsache, es geht schnell.
Haiyti, die die Hamburger Kunsthochschule besucht hat, inszeniert sich als
Gangsterin, die Hehlerware nach Deutschland schifft und mit dem Cabrio
davonbraust. Eine unnahbare Diva, die in der VIP-Lounge teuren Champagner
schlürft. Eine sensible, auch depressive Liebende. Und vor allem, das ist
wichtig, eine Künstlerin, die den Männern sagt, wo’s langgeht.
In dem Song „Chatboy“ schickt ihr ein Mann die Nacktbilder übers
Smartphone, nicht sie ihm. Sie ist die Rettung für die „Gettoboys in der
Hood“, nicht andersrum. So entsteht eine vielschichtige Figur, die zwar
durchs Leben hetzt, und noch nicht so richtig weiß, wohin mit sich, aber
dabei immerhin Abenteuer erlebt.
So auch beim Video ihres Songs „Coco Chanel“, das auf Ibiza gedreht wurde,
[1][und zwar just in der Villa], in der auch [2][der österreichische
Rechtsaußen Strache zugange war]. Interessant ist nicht nur, was Haiyti
erzählt, sondern auch, wie sie es macht. Ihre Stimme ist ihr Kapital.
Dank ihr kann sie Songs über Designermarken eine enorme Tiefe verleihen.
Sie kann jeden erdenklichen Gefühlszustand mit Lauten aus ihrer Kehle
illustrieren. Haiyti schreit, krächzt, röchelt, röhrt, brüllt, singt,
säuselt, knurrt, rumort. Und einmal, in dem Song „Barkash“, rappt sie erst
im Flüsterton, kurz bevor sie enthemmt brüllt, worüber die HörerInnen
regelmäßig erschrecken.
Ständig passiert etwas, ertönt ein neues spannendes Klangdetail, folgt eine
weitere absurde Story und erregt Aufmerksamkeit. Haiyti-Alben und damit
auch „Perroquet“ sind voller Attraktionen. Haiytis Gangster-Popsound läuft
in Dauerschleife. Und läuft weiter, immer weiter.
24 Jun 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
Haiyti
Rap
HipHop
Hamburg
Musik
Joey Bargeld
Popkultur
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