# taz.de -- Seenotrettung – Kladde von Anett Selle: Auf dem Meer gibt es kein… | |
> Für die #Yachtfleet-Demo trainieren die Crews, zusammenzuarbeiten und | |
> auch Menschen zu retten. Wann sie aufbrechen, ist noch unklar. | |
Bild: Die „Sea Watch 3“ bricht schon mal auf – die Segelboote folgen spä… | |
Sizilien taz | „Klar zur Wende!“ – „Ist klar.“ – “Ree!“ Die Är… | |
Breu dreht das Ruder des Segelboots. Auf ihren Ruf „Über die Fock“ zieht | |
die freie Künstlerin Julia Blawert am Seil. Sie zieht, dann zerrt sie, dann | |
greift sie zur Kurbel und dreht die letzten Meter Seil ein, bis das Segel | |
so steht, wie es stehen soll. „Ganz gut“, sagt der Skipper Thomas Nuding. | |
„Aber …“ | |
Ein klassischer Segelausflug beginnt morgens bei gutem Wetter und endet | |
abends im Hafen mit einem Glas Wein. Oder zweien. Doch Breu und Blawert | |
trainieren nicht für einen Segelausflug, sondern für eine Demo für | |
Seenotrettung auf dem Mittelmeer: vier Boote, zwei Wochen. Kein Hafen, nur | |
Wasser, und wer weiß, was für Wetter. Kein Wein. Alkohol ist unerwünscht. | |
Bevor die „[1][#Yachtfleet]“ von [2][Mission Lifeline] diese Woche ablegt, | |
trainieren die Crews jeden Tag, seit vergangenem Donnerstag. Einige der 30 | |
Crewmitglieder, ob Breu oder Blawert, der Arzt Gerhard Meyer oder die | |
humanitäre Nothelferin Andrea Quaden, haben wenig bis keine Segelerfahrung. | |
Auf dem Meer gibt es keine Pause und die Crews sind nicht groß. | |
„Das wird kein klassischer Segelturn: ‚Heute ist schönes Wetter und wenn | |
wir keinen Bock mehr haben, fahren wir rein‘“, sagt Martin Ernst. Er ist | |
einer der erfahrenen Seefahrer*innen und hilft beim Training. Am Ende soll | |
jedes Crewmitglied in der Lage sein, das jeweilige Boot allein zu steuern. | |
Auch nachts. „Einer muss immer draußen sein. Deswegen gibt es dann | |
Vier-Stunden-Schichten.“ | |
Beim Training haben die Crews bislang Glück: Sonne, sanfter Wind, kaum | |
Wellengang. Bei starkem Wind allerdings kann ein Segelboot auch so weit zur | |
Seite kippen, dass der Mast bei voller Fahrt beinahe parallel zum Wasser | |
liegt. „Gerade wenn die Gischt auf das Boot rüberkommt und einen die ganze | |
Zeit nass spritzt, wird man durchgeweicht und klamm“, sagt Ernst. „Das wird | |
anstrengend, physisch oder mental.“ | |
Was das Training außerdem bringen soll, ist Gruppengefühl. Die Teams stehen | |
fest, die Boote sind zugeteilt: Jede Crew soll lernen, zusammenzuarbeiten, | |
auf und mit ihrem Boot. Die Besatzung segelt zusammen, kocht zusammen, isst | |
zusammen, wohnt zusammen – wird seekrank zusammen. | |
## Die Belastungsstörung verhindern | |
Für zwei Wochen auf See wird jede Crew eine Wohngemeinschaft sein, die so | |
ziemlich alles zusammen macht. Sogar schlafen: Auf zwei der Boote teilt man | |
sich Doppelbetten. „Man wird sich gut kennen und muss miteinander können“, | |
sagt Ernst. Ausnahmen gibt es nur auf dem größten Boot, das abseits liegt, | |
auf der anderen Hafenseite: Da sind Journalist*innen untergebracht, die | |
über Beiboote hin und her wechseln. | |
Das Segeln lernen die Crews von ihren Skippern, den Kapitänen der Boote. | |
Martin Ernst hingegen, trainiert die Crews im Beiboot-Fahren: Die | |
sogenannten Rhibs sehen aus wie eine Kreuzung aus motorisiertem Schlauch- | |
und Ruderboot. Sie sind schnell, wendig und kommen zum Einsatz, falls | |
Menschen in Seenot sind. Auch für diesen Fall trainieren die Crews. | |
Um sie auch psychisch möglichst gut auf die bevorstehende Demo | |
vorzubereiten, ist Sabine Schönfeld angereist. Die Psychologin erklärt, | |
dass ein gutes Teamklima helfen kann, posttraumatische Belastungsstörungen | |
zu vermeiden. Außerdem sollten die Crews potenziell traumatisierende | |
Situationen trainieren. „Zum Beispiel, dass man möglicherweise Menschen | |
begegnet, die man nicht retten kann. Es ist wichtig, dass alle wissen, wie | |
sie in dem Moment reagieren, auch als Team. Dass man sie nicht trainiert, | |
macht solche Situationen nicht weniger wahrscheinlich.“ | |
An welchem Tag die Segelboote der „#Yachtfleet“-Demonstration diese Woche | |
aufbrechen, steht noch nicht fest. Ein paar Probleme sind aufgetaucht: Ein | |
Segelboot hatte zwischenzeitlich einen Motorschaden, wegen „Dieselpest“. | |
Bakterien, die Schleim produzieren und die Filter verstopfen. Ein Rhib | |
sprang nicht mehr an. Ein Segelboot wird noch gewartet. | |
## Aufbruch Richtung Rettungszone | |
Am Sonntagnachmittag verlässt trotzdem ein Rettungsschiff die | |
sizilianischen Gewässer – [3][die „Sea Watch 3“]. Anders als die Segelbo… | |
der Demo von Mission Lifeline ist sie für Rettungen ausgelegt. Sie ist | |
drei- bis viermal so lang: rund 50 Meter. Auf verschiedenen Etagen – den | |
Decks – verfügt sie unter anderem über einen Ankunftsbereich, wo die | |
geretteten Menschen an Bord kommen, eine Reisküche, eine Krankenstation. | |
Und Notduschen: Viele Menschen aus den Schlauchbooten haben Verbrennungen, | |
weil Treibstoffmixe mit Fäkalien und Salzwasser auf der Haut reagieren. | |
Als die „Sea Watch 3“ den Hafen verlässt, geben ihr zwei Boote der | |
„#Yachtfleet“ Geleit und wünschen per Funk viel Glück. Andere Mitglieder | |
der Yachtfleet-Crews stehen oben auf der Hafenumrandung, winken dem Schiff | |
hinterher und rufen. Die „Sea Watch“ erwidert die Wünsche per Funk – und | |
oben aus der Brücke strömen ein paar Menschen, winken und brüllen zurück. | |
Wenig später ist die „Sea Watch 3“ nicht mehr zu sehen. Verschwunden | |
Richtung Such- und Rettungszone. | |
10 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/hashtag/yachtfleet | |
[2] /Mission-Lifeline/!t5523991 | |
[3] /Schiff-der-Seenotretter-ist-frei/!5599730 | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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