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# taz.de -- Frauen starten Petition in Japan: Aufstand gegen Stöckelschuhe
> Gegen Pumps und dunkle Hosen: Ein Erotikmodel sammelt 20.000
> Unterschriften gegen altbackene Kleiderregeln in Unternehmen. Die
> Regierung ist dafür.
Bild: Gegen High Heels: Erotikmodel Yumi Ishikawa
Berlin taz | Die Jobvermittlungs-Webseite [1][Rikunabi] stellt bisher noch
klare Regeln auf. Im Alltag sollten junge Büromitarbeiterinnen in Japan auf
jeden Fall Pumps tragen – laut Wikipedia also einen „weit ausgeschnittenen,
sonst aber geschlossenen Halbschuh ohne Verschluss“. „Turnschuhe gehen gar
nicht“, heißt es in den bei Rikunabi, modische Schuhe sollten nicht zu viel
Fuß zeigen, brauchten aber auf jeden Fall einen hohen Absatz. Außerdem gibt
es auch genaue Vorstellungen zur Farbe der Hose (gedeckt, gerne blau oder
schwarz, keinesfalls farbig oder gar weiß), zum Schnitt von Bluse und
Blazer und zum Make-up.
Gegen den Zwang zu hohen Absätzen rebellieren nun die ersten japanischen
Angestellten. Die Anführerin des Aufstands ist das Erotikmodell Yumi
Ishikawa. Die 32-Jährige lässt sich für Boulevardblättchen mit wenig
Kleidung und viel Schmollmund ablichten, jobbt aber nebenbei auch als
Kellnerin und Hostess. Obwohl sie im Prinzip kein Problem mit einer betont
femininen Selbstdarstellung hat, platzte ihr der Kragen, als ein Hotel ihr
– wieder einmal – bei einem Job ein Outfit mit hohen Absätzen vorschrieb.
So startete Ishikawa im Februar eine Online-Petition auf Change.org, die am
Dienstagnachmittag 20.000 Unterschriften vorweisen konnte. Ihre konkrete
Forderung: Die Regierung soll ein Gesetz auf den Weg bringen, das den Zwang
zu hochhackigen Schuhen als Diskriminierung einstuft.
„Solche Vorgaben sind übergriffig“, sagte sie vor Reportern in Tokio,
nachdem sie ihre Petition formal beim Arbeitsministerium eingereicht hatte.
„Unsere Petition ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.“ Hohe
Schuhe vergleicht sie mit der Praxis des [2][Füßebindens] bei Mädchen im
alten China.
## Eigenes Hashtag „#KuToo“
Um ihre Petition im Netz zu verbreiten, hat Ishikawa ein eigenes Hashtag
erfunden. „#KuToo“ ist ein Kunstwort voller Anspielungen. Es ist lose an
„#MeToo“ angelehnt, aber die vorherrschende Bedeutung erschließt sich nur
auf Japanisch. Das Hashtag ist gleichlautend mit den Worten für „Schuhe“
und für „Schmerz“. Es ist also eine geschickte Mischung aus MeToo und
„Schuh-tut-weh“.
Ishikawas Vorbild ist eine vergleichbare Bewegung in Großbritannien. Dort
haben vor drei Jahren 150.000 Bürger*innen eine Petition gegen
Stöckelschuhe unterschrieben. Die britische Regierung hat sich jedoch
bisher geweigert, die Fußbekleidung der Frauen gesetzlich zu regeln. Bisher
[3][verbietet nur eine kanadische Provinz] den dortigen Firmen, die Füße
ihrer Mitarbeiterinnen in High Heels zu zwingen. Der Vorstoß in Japan
erhält daher weltweite Beachtung.
Tatsächlich sind die japanischen Männer schon weiter. Seit der
Jahrhundertwende haben sie sich nach und nach vom Krawattenzwang befreit.
Anfangs lag das sogar auch am Umweltbewusstsein: Wer nicht steif im Anzug
dasitzt, muss im Sommer die Klimaanlage nicht so hochstellen. Inzwischen
ist die Männermode in Tokio sehr vielfältig mit Jacketts aus ungewöhnlichen
Stoffen und originell geschnittenen Hemden.
## Japan liebt seine Uniformen
Doch gerade die „Office Ladies“, die vor allem Tee bringen und schön
aussehen sollen, sind weiterhin auf einen Einheitslook festgelegt – und
dazu gehören Blazer und hohe Absätze. Die Petition fällt jedoch auch in
einen Trend, sich von den überkommenen Regeln zu befreien. Wegen des
Arbeitskräftemangels in Japan haben Frauen zudem mehr und mehr
Verhandlungsmacht. Premier Shinzo Abe wünscht sich ausdrücklich eine
bessere Aktivierung weiblicher Fachleute für den Arbeitsmarkt. Die
Regierung hat daher sofort klargemacht, dass sie die Petition ernst nimmt.
Doch ebenso starke Kräfte wirken gegen den Vorstoß. Generell liebt Japan
seine Uniformen, auch an den Schulen herrscht Uniformpflicht. Und auch im
Job gilt: Es gibt einen „richtigen“ Look, von dem gerade Anfänger nicht
abweichen sollten.
Dazu kommt ein weit verbreiteter Sexismus. Im Kabinett Abe sitzt nur noch
eine Frau, und die ist Ministerin für Frauenangelegenheiten und
Kommunikation. Hochrangige Mitglieder der Regierungspartei LDP fallen
dagegen immer wieder durch Bemerkungen auf, die Frauen auf die Mutterrolle
festlegen.
4 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.rikunabi.com/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BC%C3%9Febinden_(China)
[3] https://www.morgenpost.de/vermischtes/article209984319/Erstes-Land-sagt-Sto…
## AUTOREN
Finn Mayer-Kuckuk
## TAGS
Japan
Gleichstellung
Schwerpunkt #metoo
Sexismus
Schwerpunkt Stadtland
Japan
Schuhe
Schwerpunkt #metoo
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