# taz.de -- Offener Brief an Westerwelle und Niebel: Nicht halbnackt zur Hochze… | |
> In Afghanistan sollen künftig per Gesetz "unanständige" Brautkleider | |
> verboten werden. Dagegen wenden sich Grünen-Politiker mit einem Offenen | |
> Brief. | |
Bild: "Frauenpark" in Kabul. Die Sittenwächter wollen Geschlechtertrennung bei… | |
BERLIN taz | In einem offenen Brief bitten zahlreiche grüne | |
Bundestagsabgeordnete Außenminister Guido Westerwelle und | |
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (beide FDP) darum, sich für | |
Frauenrechte in Afghanistan einzusetzen. Hintergrund ist ein Gesetzentwurf | |
des afghanischen Frauenministeriums vom 13. April, das vordergründig die | |
horrenden Preise von Hochzeitsfeiern beschränken will, letztlich aber die | |
Rechte von Frauen beschneiden soll. | |
Hochzeiten werden in Afghanistan prunkvoll gefeiert, mit üppigen Tafeln, | |
Livemusik und aufwendiger Hochzeitskleidung. An machen Festen nehmen bis zu | |
900 Gäste teil. Dadurch verschulden sich manche Brautpaar mitunter auf 10 | |
bis 15 Jahre. | |
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Aber seit dem Sturz der | |
Taliban 2001 uferten die Hochzeitsfeiern, die unter den Taliban verboten | |
waren, regelrecht aus. Viele Afghanen begrüßen daher den Plan. | |
## Hochzeitskleider nach Scharia | |
## | |
Das geplante Gesetz will aber nicht nur die Hochzeitskosten beschränken, | |
sondern ebenso die Frauenrechte, kritisieren internationale | |
Frauenrechtsorganisationen. So sieht das Papier vor, dass Frauen und Männer | |
künftig getrennt feiern und dass das Brautpaar und seine Gäste Kleidung | |
tragen sollen, die der Scharia entspricht, dem religiösen Gesetz des Islam. | |
Dezidiert angesprochen sind in dem Gesetz aber Frauen. Sie bevorzugen | |
gewöhnlich schulterfreie und tief ausgeschnittene Brautkleider. Die sollen | |
sie jetzt nicht mehr tragen dürfen. Artikel 3 Absatz 15 verbietet Kleidung, | |
die "halbnackt, nackt, transparent oder eng anliegend ist, so dass Teile | |
des weiblichen Körpers enthüllt" werden. Außerdem dürfen "moralisch | |
unzulässige Hochzeitskleider" nicht mehr verkauft oder vermietet werden. | |
Schneidern, die solche Hochzeitskleider nähen, drohen Strafen: Verstoßen | |
sie einmal gegen das Verbot, kann es eine Geldstrafe geben, im | |
Wiederholungsfall verlieren sie ihre Lizenz. | |
"Vordergründig geht es um die soziale Sicherung junger Familien", sagt | |
Monika Lazar, frauenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion und | |
eine der Unterzeichnerin des Briefs: "Aber das ist leider eine | |
euphemistische Umschreibung konservativer Trends, die wieder auf dem | |
Vormarsch sind." | |
"Erstaunlich ist", sagt Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin der | |
Fraktion, "dass das afghanische Frauenministerium erneut ein Papier | |
vorlegt, das sich im Grunde gegen Frauen richtet." Im Februar hatte die | |
Regierung in Kabul versucht, Frauenhäuser unter ihre Kontrolle zu bringen, | |
die Frauenministerin unterstützte die Forderung. | |
## Islamisten: "Frauenhäuser fördern Prostitution" | |
Seit 2002 haben internationale unabhängige Menschenrechts- und | |
Frauenorganisationen wie Medica Mondiale mehrere Frauenhäuser aufgebaut. | |
Sie bieten Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, Unterkunft | |
und Schutz. Den Islamisten waren die Frauenhäuser von Anfang an ein Dorn im | |
Auge. Sie fördern die Prostitution, argumentieren sie. Nach Protesten von | |
Nichtregierungsorganisationen hatte die afghanische Regierung ihren Plan | |
aber zurückgezogen. | |
Als "reinen Willkürakt" bezeichnet Bente Scheller, Leiterin des | |
Afghanistan-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kabul, den neuen | |
Gesetzentwurf. Sie vermutet dahinter eine "Werbekampagne" der afghanischen | |
Frauenministerin. Hussan Ghazanfar ist in ihrem Amt vom Parlament noch | |
nicht bestätigt. "Die Parlamentsmehrheit ist konservativ und die Ministerin | |
sicher bereit, einiges für Teilhabe an der Macht zu tun", sagt Bente | |
Scheller. Proteste gegen das geplante Gesetz gibt es in Afghanistan bislang | |
nicht. Die werden aber kommen, mutmaßt Bente Scheller: "Wenn das Gesetz | |
gültig wird." | |
"Wir möchten betonen, dass Frauenrechte aus unserer Sicht nicht als | |
Verhandlungsmasse betrachtet werden dürfen", schreiben die Grünen in ihrem | |
Brief. | |
3 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Japan | |
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