# taz.de -- Gelder für Entwicklungshilfe: Alle für Niebel außer Niebel | |
> Mehr als die Hälfte der Bundestagsabgeordneten setzt sich für mehr | |
> Hilfsgelder ein. Nur der zuständige FDP-Minister Dirk Niebel zögert. Wie | |
> kann das sein? | |
Bild: Aufruf für mehr Entwicklungsgelder: Die Unterschrift von Minister Niebel… | |
BERLIN taz | Man stelle sich vor, mehr als die Hälfte aller | |
Bundestagsabgeordneten setzten sich jenseits parteipolitischer Zickereien | |
für ein bestimmtes gesellschaftlich wünschenswertes Ziel ein, etwa: Der | |
Staat soll eine Milliarde Euro mehr pro Jahr für Zahnmedizin oder | |
Krebsvorsorge ausgeben. Der in diesem Fall betroffene Gesundheitsminister | |
wäre vermutlich gerührt von so viel Einsatz. Dass er FDP-Minister ist, | |
spielt für die Unterzeichner anderer Parteien keine Rolle. Es geht um die | |
Sache. So eine Situation ist nicht vorstellbar? | |
Doch. In der Entwicklungspolitik geschieht gerade genau dies. Vor einigen | |
Wochen starteten die EntwicklungspolitikerInnen Harald Leibrecht (FDP), | |
Bärbel Kofler (SPD), Thilo Hoppe (Grüne), Heike Hänsel (Linke) und die | |
CDU-Abgeordneten Holger Haibach und Sabine Weiss einen Aufruf für mehr | |
Entwicklungsgelder. Das Ziel: ein Aufwuchs des Bundeshaushaltes um 1,2 | |
Milliarden Euro pro Jahr, damit Deutschland bis 2015 doch noch 0,7 Prozent | |
des Bruttoinlandsproduktes für Hilfsprojekte ausgibt. | |
Das Ziel besteht seit Jahrzehnten, in den vergangenen Jahren hat sich die | |
Bundesregierung wiederholt international dazu verpflichtet. Auch | |
Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hält daran fest. Er müsste sich also | |
eigentlich begeistert an die Spitze der Initiative setzen. Aber obwohl | |
mittlerweile 359 Bundestagsabgeordnete unterschrieben haben - es ist mit | |
fast 60 Prozent der Abgeordneten die Mehrheit -, fehlt die Unterschrift des | |
Ministers. Warum ist das so? | |
"Ich habe die Initiative nicht unterzeichnet, weil ich als Mitglied der | |
Bundesregierung schlecht die Bundesregierung zu etwas auffordern kann", | |
sagt Niebel, "freue mich aber ausdrücklich über die interfraktionelle | |
Unterstützung". Das 0,7-Prozent-Ziel bekräftigt er. | |
Pikant wird der Fall für Niebel dadurch, dass sich im Gegensatz zu ihm ein | |
anderer bedeutender Vertreter der Bundesregierung zu einer Unterschrift | |
entschieden hat: CDU-Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk. Koschyk lässt | |
zwar ausrichten, dass er die Initiative in seiner "Eigenschaft als | |
Bundestagsabgeordneter" unterschrieben habe. Die Möglichkeit hätte Niebel | |
allerdings auch gehabt. | |
Tatsächlich steckt wohl mehr hinter der Zögerlichkeit des Ministers. Er | |
befürchtet, dass ein Aufwuchs an Entwicklungsgeldern ein Ziel seiner | |
Partei, der FDP, konterkarieren könnte: Steuersenkungen. Denn wenn in den | |
kommenden Tagen über den Haushalt 2012 entschieden wird, geht es auch um | |
die Verwendung der Steuermehreinnahmen. Und der FDP-Mann Niebel scheint den | |
Entwicklungsminister Niebel zurückhalten zu wollen, um seiner Partei | |
bessere Chancen auf Steuersenkungen zu ermöglichen. Niebel selbst will das | |
freilich nicht so sehen: "Sie können davon ausgehen, dass ich die | |
Interessen der Entwicklungspolitik auch bei den laufenden | |
Haushaltsverhandlungen stark vertreten werde." | |
30 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Entwicklungshilfeministerium feiert: Die Niebel-Schelte des Präsidenten | |
Dirk Niebels Ministerium feiert sich selbst zum 50. Geburtstag, alles ist | |
harmonisch. Bis Bundespräsident Christian Wulff eine bemerkenswerte Rede | |
hält. | |
Transparenz in der Entwicklungspolitik: Mehr Kontrolle für Wohltäter | |
Die Regierung plant ein neutrales Institut, das Projekte in der | |
Entwicklungsarbeit durchleuchten soll. Noch steht die Idee unter | |
Finanzierungsvorbehalt. | |
Offener Brief an Westerwelle und Niebel: Nicht halbnackt zur Hochzeit | |
In Afghanistan sollen künftig per Gesetz "unanständige" Brautkleider | |
verboten werden. Dagegen wenden sich Grünen-Politiker mit einem Offenen | |
Brief. | |
Entwicklungsminister und die Akte Kolping: Verschleppt und vergessen | |
Seit einem Jahr gibt es Korruptionsvorwürfe gegen die Kolping-Stiftung in | |
Paraguay - das Entwicklungsministerium hat scih bis heute nicht öffentlich | |
dazu geäußert. | |
Deutsche Entwicklungshilfe: Versprochen ist versprochen | |
Über 30 EntwicklungspolitikerInnen aus allen Fraktionen fordern, das 0,7 | |
Prozent-Ziel zur Finanzierung von Projekten einzuhalten. Doch dafür werden | |
Milliarden benötigt. |