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# taz.de -- Urteil zum Kükenschreddern: Schicksal vorläufig besiegelt
> Die millionenfache Tötung männlicher Küken ist auch weiterhin in
> Deutschland akzeptiert. Doch nur so lange, bis es Alternativen gibt.
Bild: Millionen männliche Küken werden geschreddert. Für sie gibt es keine V…
taz | Berlin Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) lässt das Töten von
[1][männlichen Küken] weiterhin zu – aber nur bis Alternativen zur
Verfügung stehen. Termine nannte das Gericht allerdings nicht. Eine Lösung
zu finden, ist mehr als komplex.
In der Geflügelwirtschaft gibt es spezielle Hühnerrassen. Die Masthühner
setzen besonders gut Fleisch an, hier werden sowohl Hennen als auch Gockel
genutzt. Dagegen dreht sich bei Legehühnern alles um die Hennen, weil die
Hähne keine Eier legen können und auch zu wenig Fleisch zulegen. In den
Brütereien für [2][Legehennen] werden daher die männlichen Küken nach dem
Schlüpfen sofort aussortiert und getötet. Jährlich werden auf diese Weise
rund 45 Millionen Küken mit Kohlendioxid erstickt oder geschreddert.
In Nordrhein-Westfalen verbot 2013 der damalige Landwirtschaftsminister
Johannes Remmel (Grüne) den dortigen Brütereien das Kükentöten, weil es
gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Dort heißt es: „Niemand darf einem
Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Doch
das Bundesverwaltungsgericht kam nun – wie die Vorinstanzen – zum Schluss,
dass das NRW-Verbot rechtswidrig war. Noch bestehe ein „vernünftiger Grund“
für das Kükentöten.
## Richter geben Tierschutz mehr Bedeutung
Die Leipziger Richter betonten jedoch, dass sich dies ändere, sobald
Alternativen „zur Verfügung“ stehen. Sie werteten den Tierschutz jedoch
deutlich höher als die Vorinstanzen. Mit dem Grundgedanken des
Tierschutzgesetzes sei es eigentlich nicht zu vereinbaren, dass dem Leben
eines männlichen Kükens „jeder Eigenwert abgesprochen wird“, betonte die
Vorsitzende Richterin Renate Philipp.
Die Richter stellten aber in Rechnung, dass das Kükentöten jahrzehntelang
hingenommen wurde. Außerdem sei bald mit Alternativen zu rechnen. Den
Brütern sei eine doppelte Umstellung binnen kurzer Zeit nicht zuzumuten.
Von den Brutbetrieben könne daher nicht verlangt werden, ihre Betriebsweise
sofort umzustellen. Die „Vermeidung einer doppelten Umstellung“ sei ein
vernünftiger Grund für die zeitweilige Fortführung der bisherigen Praxis,
so Richterin Philipp.
Rechtlich argumentierte das Gericht auf drei Ebenen. Im Kern stellte das
Gericht auf das Tierschutzgesetz ab, das für einen Ausgleich zwischen
Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen stehe. Anders als
Tierschutzgesetze im Ausland schütze das deutsche Gesetz auch das Leben der
Tiere, nicht nur ihr Wohlbefinden. Erwähnt wurde auch, dass der Tierschutz
seit 2002 im Grundgesetz als Staatsziel verankert ist. Vor allem aber
hätten sich die „Wertvorstellungen“ der Bevölkerung geändert, so die
Richter.
## Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei
Als Alternativen zum Kükentöten nannte Richterin Philipp die
„[3][Geschlechtsbestimmung im Ei]“ sowie das Ausbrüten von Eiern „aus
verbesserten Zweinutzungslinien“. Mit finanzieller Unterstützung von
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) forschen derzeit zwei
deutsche Unternehmen an Methoden der Geschlechtsbestimmung im Ei.
Die [4][Seleggt] GmbH ist technisch am weitesten. In einer eigenen kleinen
Brüterei in den Niederlanden werden bereits Eier selektiert. Seleggt nutzt
dabei eine sogenannte endokrinologische Methode, bei der Geschlechtshormone
im Ei nachgewiesen werden. Die Eier mit männlichen Embryonen werden dann
vernichtet und zu Futtermittel verarbeitet. Aus den weiblichen Eiern werden
wie üblich Legehennen. Deren Eier werden als „Respeggt“-Eier vermarktet und
mit dem Claim „Ohne Kükentöten“ beworben.
Respeggt arbeitet bisher mit Rewe und Penny zusammen. Die Respeggt-Eier
können derzeit aber nur in rund 380 Märkten in und um Berlin gekauft
werden. Ab 2020 will Seleggt sein Verfahren auch einzelnen anderen
Brütereien als Dienstleistung anbieten. Für den Brutbetrieb soll dies
nichts kosten, sagt Seleggt-Geschäftsführer Ludger Breloh. Die Mehrkosten
soll der Lebensmittelhandel tragen, indem er für die Nutzung des
Respeggt-Logos Lizenzgebühren bezahlt.
## Verbraucher müssen mit höheren Preisen rechnen
Letztlich müssen die Verbraucher höhere Preise für Respeggt-Eier in Kauf
nehmen. Die Seleggt-Methode ist umstritten, weil die Geschlechtsbestimmung
derzeit erst nach neun Bruttagen möglich ist. Tierschützer gehen davon aus,
dass die Tierembryonen schon nach sieben Tagen Schmerz empfinden können.
Laut Breloh beginnt die wissenschaftlich anerkannte Grenze des
Schmerzempfindens aber frühestens am elften Tag.
Mit der Schmerzgrenze hat die Agri Advanced Technologies (AAT) keine
Probleme. Denn sie bestimmt das Geschlecht im Ei schon am vierten Tag. Die
AAT verwendet eine spektroskopische Methode, misst also die Brechung des
Lichts. Das Verfahren soll vollautomatisch sein. Einen Termin für die
Marktreife kann AAT aber noch nicht nennen.
Tierschützer kritisieren jedoch die Früh-Selektion grundsätzlich. Ethisch
mache es keinen großen Unterschied, ob die männlichen Küken nach dem
Schlüpfen oder vor dem Schlüpfen getötet werden. Sie setzen darauf, die
männlichen Küken aufzuziehen und als (schlanke) [5][Mast-Hähnchen] zu
verkaufen. Die Mehrkosten werden über Zuschläge für die Eier der
zugehörigen Legehennen erwirtschaftet.
In Bioläden gibt es „Bruderhahn“-Eier, bei Lidl regional „Kükenherz“-…
und Aldi hat das Projekt „Henne und Hahn“. Mittelfristiges Ziel ist aber
eine Veränderung der Züchtung hin zu Zweinutzungsrassen, bei denen die
Hennen zwar etwas weniger Eier legen, die Hähne aber mehr Fleisch ansetzen.
Die Bruderhahn-Initiative spricht von „ökologischer Tierzucht“.
13 Jun 2019
## LINKS
[1] /Gericht-prueft-Kuekenschreddern/!5596048&s=m%C3%A4nnlichen+K%C3%BCken/
[2] /Tierschutzbund-Chef-fuer-neue-Abgabe/!5565896&s=Legehennen/
[3] /Zahl-der-getoeteten-Kueken-2018/!5589074&s=Geschlechtsbestimmung+im+Ei/
[4] /Neue-Technik-gegen-Kuekenschreddern/!5549297&s=Seleggt/
[5] /Klage-gegen-Gross-Huehnerstaelle/!5523868&s=Mast-H%C3%A4hnchen/
## AUTOREN
Christian Rath
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