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# taz.de -- Tote bei Protesten im Sudan: Jetzt sprechen nur die Waffen
> Die Militärregierung kündigt Verhandlungen mit der Protestbewegung auf.
> Regimegegner rüsten sich nun, um ihre Wohnviertel zu verteidigen.
Bild: Trauer und Wut statt Zuckerfest: Rauchschwaden in Khartums Straßen
Nairobi taz | Statt eines festlichen Eid al-Fitr (Zuckerfest zum Ende des
Ramadans) herrschen im [1][Sudan] Trauer und Wut. Sicher 35 unbewaffnete
Demonstranten wurden am Montag getötet, als [2][Sicherheitskräfte gegen die
Protestbewegung] auf den Straßen vorging. Die Ärztegewerkschaft CCSD
spricht zudem von mehreren hundert Verwundeten.
Ärzte berichten, dass die für das Blutbad hauptverantwortliche Miliz „Rapid
Support Forces“ (RSF) Krankenhäuser umzingelt hat. „Die RSF hat eine große
Zahl von Märtyrern mitgenommen und in den Nil geworfen, berichten Ärzte und
Verwundete“, erklärt die CCSD.
Die Bürgeropposition berät jetzt mit Unterstützern in der sudanesischen
Diaspora, wie ihr Kampf für eine demokratische und zivile Regierung
weitergehen soll. Die großen Straßen in Khartum sind derweil größtenteils
verlassen, mit Ausnahme von Militärfahrzeugen. Viele Einwohner haben Angst,
anderen streiken wie die Opposition es gefordert hat.
Aber vor allem junge Menschen bauen überall in Khartum und der
Zwillingstadt Omdurman auf der anderen Seite des Nils Barrikaden, um die
Armee daran zu hindern, in ihre Wohnviertel hineinzufahren. Dabei
skandieren sie, dass sie den Kampf nicht aufgeben wollen. „Die Militärs
haben die Eskalation und Konfrontation gewählt“, sagt Mohamed Yousef
al-Mustafa, ein Sprecher der Sudanese Professionals Association (SPA), die
seit Dezember die Proteste anführt, die im April dafür sorgten, dass
Militärdiktator Omar al-Bashir abgesetzt wurde. „Bashir ist zwar weg, aber
die Militärs sind noch immer da. Es ist jetzt sie oder wir. Es gibt keine
Alternative mehr.“
Auch in Gadarif im Osten des Sudans, hat die Armee Demonstranten
angegriffen. Es gibt keine Informationen über Opferzahlen, weil die Armee
die Kommunikation lahmgelegt hat.
## Die Armee schiebt die Schuld auf die Opposition
Die Armee schiebt die Schuld an den Ereignissen vom Montag in die Schuhe
der Opposition. Sie sagt, dass sie nur kriminelle Elemente, die sich auf
dem Protestplatz vor dem Militärhauptquartier in Khartum aufhielten,
wegschaffen wollten. Damit meinten sie eine kleine Gruppe, die Alkohol
trank und sich auf einer kleinen Ecke des Platzes aufhielt, wo seit zwei
Monaten bis Montag ein friedliches Sit-in stattfand. Die Rechtsprechung im
Sudan basiert auf dem islamischen Scharia-Recht, das den Konsum von Alkohol
verbietet. Aber die koordinierte Aktion der Armee und der RSF fand nicht
nur auf dem Platz statt, sondern überall in Khartum und Omdurman.
Aus Sicht des Vorsitzenden des herrschenden Militärrates, General Abdel
Fattah al-Burhan, haben Verhandlungen über eine zukünftige
Übergangsregierung mit der Opposition keinen Sinn mehr. Er erklärte, dass
es in neun Monaten Wahlen geben soll und der Militärrat jetzt im Alleingang
eine Übergangsregierung bilden wird, die die Wahlen organisieren solle. Der
Wahlgang soll international beobachtet werden.
Die Opposition sieht ebenfalls keinen Sinn mehr in Verhandlungen und
bezweifelt, dass das ehrliche Wahlen werden können. Sie forderte bislang
eine mehrjährige Übergangszeit unter einer Übergangsregierung, die eine
neue Verfassungsordnung erarbeiten lässt, als Voraussetzung für freie
Wahlen. Unter dem aktuellen System behält das Militär die Schlüsselposten
der Macht. Schließlich hatte Bashir kurz vor seinem Sturz die nationale
Regierung und die Provinzregierungen aufgelöst und durch Militärangehörige
ersetzt. Im Westen und Süden des Landes herrscht noch immer Bürgerkrieg.
Die Bevölkerung fürchtet nun für die kommenden neun Monate eine verschärfte
militärische Unterdrückung. Angst hat sie insbesondere vor der RSF-Miliz,
ein Teil der Armee, berüchtigt für ihre Verbrechen im Krieg in der
westlichen Region Darfur. Ihr Anführer Mohamed Hamdan Dagalo, besser
bekannt als Hametti, hatte vom gestürzten Diktator Bashir mehr oder weniger
die Macht über Darfur erhalten. Er hatte immens viel Militärmaterial und
Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Manche Experten glauben, dass seine
RSF besser bewaffnet ist als die eigentliche Armee. Und sudanesische
Aktivisten fürchten, dass er die Macht ergreifen und eine Herrschaft des
Terrors einführen wird – so wie in Darfur.
4 Jun 2019
## LINKS
[1] /Sudan/!t5010699
[2] /Kommentar-Gewalteskalation-im-Sudan/!5596806
## AUTOREN
Ilona Eveleens
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