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# taz.de -- Kunstaktion zur Seenotrettung: Molecule-Man in Orange
> Aktivisten der Bewegung „Seebrücke“ verpassen dem Wahrzeichen in der
> Spree eine Rettungsweste. Sie fordern sichere Fluchtwege in die EU.
Bild: Mutige Aktion von fünf AktivistInnen in Schwindel erregender Höhe
Berlin taz | Eine der bekanntesten Skylines Berlins sieht an diesem frühen
Freitagmorgen anders aus als sonst. AktivistInnen haben den Molecule Man,
eine aus drei Personen bestehende Statue, die vor der Oberbaumbrücke 30
Meter aus der Spree ragt, bekleidet, um die EU-Migrationspolitik
anzuprangern und auf die Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer
hinzuweisen: Eine Person trägt eine orangefarbene Rettungsweste, die andere
eine schwarze Augenbinde. KletteraktivistInnen hängen an den Seilen und
machen letzte Knoten. Auf der Elsenbrücke ist zu lesen: „Build bridges, not
walls“. Das Floß „Anarche“ umkreist die Statue und hisst ein Segel, auf …
steht: „EU kills: 18.248 + ? lives taken“.
„18.248 – das ist laut UNO die Anzahl der Menschen, die in den letzten fünf
Jahren auf dem Mittelmeer gestorben sind oder als vermisst gemeldet
wurden“, sagt Maura, Sprecherin der Bewegung Seebrücke, die verschiedene
Gruppen für die Aktion versammelt hat. Die wahre Anzahl, einschließlich
aller nicht dokumentierten Fälle, dürfte noch höher liegen. „Angesichts der
Abwesenheit staatlicher Seenotrettung fordern wir die EU-Staaten dazu auf,
dem Sterben auf dem Mittelmeer ein Ende zu setzen und nicht weiter
wegzuschauen“, so Maura.
Auf der Elsenbrücke stehen mittlerweile nicht nur Presseleute und
Passanten, sondern auch etliche Einsatzwagen der Polizei und Feuerwehr. Am
Brückengeländer lehnt eine Schneiderpuppe, die selbst genähte Taschen aus
orangen Stoff ausstellt. „Es war nicht einfach die 48 Quadratmeter große
Rettungsweste zu nähen, die der Molecule Man heute trägt“, erzählt Saskia
vom Projekt Kuniri, einer Nähakademie für Geflüchtete, die neben der Puppe
steht. „Ein syrischer Mathelehrer hat uns den Schnitt für die 30 Meter hohe
Statue ausgerechnet.“ Gemeinsam mit Geflüchteten hat sie die Weste in einem
Club genäht. „Da war genug Platz.“
Maura schaut vom Ufer auf die Boote der Wasserschutzpolizei. „Es muss
sichere Fluchtwege nach Europa und eine eigene Seenotrettungsmission der EU
geben“, sagt sie. Die Aktion kritisiere auch das harte Vorgehen der EU
gegen zivile Seenotrettungsorganisationen.
## Nur ein Rettungsschiff auf dem Mittelmeer
In den vergangenen Monaten wurde die Arbeit nichtstaatlicher Schiffe auf
dem Mittelmeer zunehmend erschwert. Mitgliedern der Organisation Jugend
Rettet drohen derzeit wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur illegalen
Einwanderung bis zu 20 Jahre Haft und hohe Geldbußen.
Das erste Urteil, das die zivile Seenotrettung schuldig spricht, wurde
vergangenen Dienstag gefällt: Der Kapitän des deutschen Schiffs „Lifeline�…
der 230 Menschen im Juni 2018 das Leben rettete, wurde in Malta zu 10.000
Euro Strafe verurteilt.
Auch das Schiff „Sea Watch 3“ konnte erst am Samstag nach knapp drei
Monaten wieder den Hafen von Marseille verlassen, nachdem es sich in den
Niederlanden seine Flagge vor Gericht zurückerstritten hatte. Es ist
derzeit das einzige Rettungsschiff auf dem Mittelmeer.
## Rauchwolke über der Spree
Die Crew der „Anarche“ und Menschen am Ufer fangen laut an zu jubeln: Von
einem 40 Meter hohen Beleuchtungsturm neben der Elsenbrücke lässt ein
Aktivist orangen Rauch aufsteigen. Filmdrohnen kreisen um den Mast.
PolizistInnen rennen in Richtung der Rauchwolke. „Jetzt aber schnell!“,
ruft ein Passant lachend. Der Aktivist seilt sich ab und verschwindet. „Wir
machen weiter“, sagt er später, „solange das Sterben auf dem Mittelmeer
nicht aufhört, hören wir auch nicht auf.“
17 May 2019
## AUTOREN
Sophie Schmalz
## TAGS
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