# taz.de -- Filmfestival „Nippon Connection“: Samurais und Schlafsucht | |
> „Nippon Connection“ in Frankfurt am Main widmet sich den Randfiguren in | |
> Japans Gesellschaft. Es ist das größte Filmfestival außerhalb des Landes. | |
Bild: Regisseurin Kosai Sekine zeigt in ihrem Film eine an Schlafsucht leidende… | |
Der Outlaw, könnte man meinen, hat es besonders gut in Japan, gilt der | |
Inselstaat doch als generell aufgeschlossen gegenüber persönlichen | |
Eigenheiten sowie Exzentrikern jeglicher Art. Dass dies auf eine Weise | |
ebenso stimmt wie die Umstände gleichzeitig in Japan sehr viel komplexer | |
sind, davon soll der diesjährige Schwerpunkt der „Nippon Connection“ in | |
Frankfurt erzählen. Das weltweit größte japanische Filmfestival außerhalb | |
des asiatischen Landes, das in diesem Jahr bereits zum 19. Mal stattfindet, | |
widmet sich 2019 in seinem Programm den Randfiguren der japanischen | |
Gesellschaft. | |
„Japan ist ein sehr kollektivistisches Land, in dem die Gesellschaft doch | |
einen ganz anderen Stellenwert hat als das Individuum“, erklärt | |
Festivaldirektorin Marion Klomfaß. Man könne sich also vorstellen: Wenn man | |
einmal die Grenzen des Akzeptablen richtig durchbricht, dann werde es auch | |
richtig schwierig. Ein Umstand, der nicht nur für Japan-Laien und | |
Gelegenheitsnutzer japanischen Kulturguts mit westlichen Maßstäben schwer | |
zu begreifen ist. So sind LGBTQ-Rechte beispielsweise im Land relativ | |
ausgeprägt – gleichwohl kann eine Marginalisierung, wie zum Beispiel der | |
Dokumentarfilm „Portraits of the Rainbow“ zeigen soll, auf anderer Ebene | |
stattfinden. Auch mit diesen Widersprüchen und Fragen zur kollektiven | |
Selbstverortung beschäftigen sich die Filme des diesjährigen | |
Themenschwerpunkts. | |
Ethnisch war Japan bislang ein ausgesprochen homogenes Land. Noch 2005 | |
definierte der damalige Kommunikations- und spätere Premierminister Taro | |
Aso die japanische Alleinstellung als „one nation, one civilization, one | |
language, one culture and one race“, erntete dafür allerdings auch | |
deutliche Kritik. „Complicity“ widmet sich den Problemen illegaler | |
chinesischer Einwanderer im Land, laut Klomfaß noch immer „ein sehr | |
sensibles Thema“. | |
Regisseur Kei Chikaura stellt die Frage, ab wann man das Stigma der | |
Herkunft abstreifen und wirklich Bestandteil der Gesellschaft werden darf, | |
ganz exemplarisch: In ruhigen Einstellungen erzählt sein Langfilmdebüt die | |
Geschichte von Chen Liang, der durch eine Verwechslung zum vermeintlich | |
japanischen Koch in einem traditionellen Soba-Restaurant wird – täglich | |
fürchtend, seine wahre Identität könnte auffliegen. | |
Kosai Sekine, der 2006 in Cannes für seinen Kurzfilm „Right Place“ mit dem | |
Young Director Grand Award Prix ausgezeichnet wurde, widmet sich in seinem | |
Langfilm-Debüt in 16-mm-Bildern dem Phänomen psychischer Erkrankungen, das | |
in Japan einen eigenen Namen hat: Hikikomori. Protagonistin Yasuko ist eine | |
solche. Unter Depressionen und Schlafsucht leidend, schließt sie sich | |
völlig in der eigenen Wohnung ein. Einziger Kontakt aus dem isolierten | |
Dasein ist ihr Freund Tsunaki, dessen Unterstützung im Laufe des Films | |
plötzlich wegzubrechen droht. | |
Und schließlich wird sogar der traditionsreiche Ehrbegriff filmisch | |
angetastet, der mit Geschichten wie der um die 47 ehrhaften Samurai aus dem | |
Gesamtpaket des japanischen Nationbuilding kaum herauszunehmen ist: Shinya | |
Tsukamotos „Killing“ entlehnt seine Ästhetik und Erzählung dem klassischen | |
Samurai-Epos, um jene Legende vom ehrhaften Krieger nach und nach zu | |
dekonstruieren. Tsukamoto, der als Ikone des japanischen Independent-Kinos | |
gilt und mit zwei weiteren Filmen auf dem Festival vertreten ist, wird für | |
seine Arbeit in diesem Jahr mit dem „Nippon Honor Award“ ausgezeichnet. | |
28 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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