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# taz.de -- Kolumne Erste Frauen: Doping, die Erste
> Die russische Skilangläuferin Galina Kulakowa wurde als erste olympische
> Doperin überführt. Doch gilt sie als Ikone auf Skiern.
Bild: Galina Kulakowa, die Pionierin im Sich-mit-verbotenen-Substanzen-erwische…
Natürlich war am Ende wieder das Nasenspray schuld. Bei der Winterolympiade
1976 in Innsbruck holte die sowjetische Skilangläuferin Galina Kulakowa
über fünf Kilometer Bronze; dann wurde sie positiv auf die verbotene
Substanz Ephedrin getestet, die den Kreislauf stimuliert. Es war ein Novum:
Kulakowa war die erste Frau, der jemals eine olympische Medaille wegen
Dopings aberkannt wurde.
Seit 1968 wurden bei den Olympischen Spielen (ziemlich amateurhafte)
Dopingtests durchgeführt, aber beinahe zehn Jahre lang erwischte es unter
den Medaillengewinnern nur Männer. Schluckten die damals einfach mehr
Pillen als Frauen, oder wurden die Frauen weniger getestet, weil man sie eh
uninteressant fand, oder kaschierten sie ihr Doping besser? Wer weiß. Bis
ins Jahr 2000 dominieren die Männer auf der Liste – danach haben sich die
Frauen, nun ja, souverän emanzipiert.
Wir können also davon ausgehen, dass Kulakowa nicht die erste gedopte Frau
dieser Welt war. Galina Kulakowa, russische Ikone auf Skiern, gab später zu
Protokoll, das Ephedrin sei in ihrem Nasenspray gewesen, sie habe es
versehentlich genommen, weil sie erkältet war. Man verfuhr mit ihr durchaus
milde: Sie bekam zwar Bronze aberkannt, wurde aber nur verwarnt und durfte
bei den anderen Rennen starten. Ihren schon sehr prall gefüllten
Medaillenschrank ergänzte sie da flugs um Staffel-Gold sowie Bronze im
Einzel über zehn Kilometer.
## 80 Kilometer Ski – pro Tag
Galina Kulakowa, Pionierin im
Sich-mit-verbotenen-Substanzen-erwischen-lassen, wusste auch sonst, wie man
sich durchkämpfte. Sie wuchs in der entlegenen Republik Udmurtien als
neuntes Kind einer verarmten Familie auf. Ihr Vater war im Zweiten
Weltkrieg gefallen, und früh musste Kulakowa selbst als Milchmädchen auf
einem Hof arbeiten. Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete
anlässlich Kulakowas jüngst begangenem 75. Geburtstag, dass sie schon als
Kind parallel zur Arbeit an Skilangläufen teilgenommen habe und dafür 30
Kilometer auf Skiern zum Wettbewerb gefahren sei. Siegen tat sie trotzdem,
oder eben deswegen.
Zu Hochzeiten ihrer Laufbahn lief sie nach eigenen Angaben jeden Tag 80
Kilometer Ski. Die Plackerei zahlte sich aus: Galina Kulakowa wurde das
Plakatgesicht der damals enorm erfolgreichen russischen Skilangläuferinnen,
holte unter anderem vier olympische Goldmedaillen, fünfmal Gold bei den
Nordischen Skiweltmeisterschaften und 39 nationale Meistertitel. Ein
Doping-Vergehen wurde ihr nur dieses eine Mal nachgewiesen.
Besonders gut erging es der Russin nach der Laufbahn nicht. „Für eine
internationale Goldmedaille haben sie mir damals hundert Rubel gezahlt“,
berichtete Kulakowa jüngst dem russischen Sport Express. All ihr Erspartes
sei in den Bau ihres Hauses geflossen; sie habe am Ende nicht mal genug
Geld gehabt, um die Arbeiter weiter zu bezahlen. Nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion habe der Staat ihr zeitweise gar keine Sportrente mehr
bezahlt. Kulakowa versorgte sich nur aus ihrem Garten, verkaufte Gemüse und
eingelegte Gurken. Eine typische Sowjet-Biografie. Klagen wolle sie nicht.
„Ich war es ja aus der Nachkriegszeit gewöhnt zu überleben.“
Heute hat es die Ex-Athletin zu einer gewissen lokalen Berühmtheit
gebracht: In Ischewsk wurde ihr eine Statue erbaut, eine Straße wurde nach
ihr benannt, und im zweiten Geschoss ihres Hauses betreibt sie ein kleines
Museum. Im März startete ein Skilanglauf, der nach Galina Kulakowa benannt
ist. Die russischen Zeitungen führen mit ihr wie mit so vielen alten
Sport-Heldinnen ausführliche Interviews. Die Geschichte mit dem Nasenspray
kommt gelegentlich auch vor, als blödes Versehen. „Wissen Sie, wie ich
geweint habe, als man mir die Medaille abnahm?“, sagt Kulakowa da. Die
Strafe findet sie noch immer ungerecht.
23 May 2019
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Doping
Leistungssport
Wintersport
Ski
Kolumne Erste Frauen
Niagara
Goldmedaille
Langlauf
Basketball
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