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# taz.de -- Biennale Venedig 2019: Die Spur des Schiffes
> In Venedig hat die 58. Kunstbiennale eröffnet. Begegnungen mit Mauern,
> Steinen und einem Wrack, das keiner Erklärung bedarf.
Bild: Das Wrack der Barca Nostra, von Christoph Büchel nach Venedig gebracht
Kurz vor Sonnenuntergang kreuzt das Floß auf seinem Weg ins Arsenale den
Canal Grande. Es wird von den Gästen des Cocktailempfangs zur Eröffnung der
[1][58. Biennale von Venedig] schon erwartet. Das Floß ist mit einem
Schiffswrack beladen.
Sich vorzustellen, dass mit diesem klein wirkenden Boot wenigstens 800
Menschen untergingen, am 18. April 2015 vor der Küste Libyens, ist
unmöglich. Nur 28 Passagiere überlebten, es war eines der schlimmsten
Schiffsunglücke, die man am Mittelmeer erinnert.
Der Schweizer Künstler Christoph Büchel, zuletzt wegen seiner
Online-Petition im Gespräch, mit der er acht Prototypen der Mauer, die
US-Präsident Donald Trump an der Grenze zu Mexiko aufbauen will, zu
nationalen Denkmalen erklären wollte, hat das Boot von Sizilien aus auf die
Reise nach Venedig geschickt.
## Charakter eines Denkmals
Das Wrack war 2016 geborgen und an einen dortigen Nato-Stützpunkt übergeben
worden, damit Forensiker die im Inneren des Schiffs befindlichen Leichen
identifizieren sollten. Dass dieses Schiff nicht einfach entsorgt werden
konnte, war von Anfang an klar. Ganz ohne Petition hatte es allerdings den
Charakter eines Denkmals. So bildete sich das Komitee 18. April, das
zusammen mit der Stadt Augusta, in deren Obhut das Boot übergeben wurde,
nach einem Platz sucht, an dem es die Erinnerung an die Tragödie wachhält.
Als Christoph Büchel sich mit dem Vorschlag meldete, das Wrack als
Biennale-Beitrag der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, fand er beim
Komitee großes Entgegenkommen.
Und tatsächlich, nun steht das Schiff aufgebockt am Rand des Hafenbeckens
des Arsenale, ohne weitere Erklärungen, und spricht für sich. Es berührt,
sein zerdrücktes Stahlblech zu sehen, weil man dabei erkennt, wie weit man
doch entfernt ist von der Realität der Migration über das Mittelmeer. Und
das zu erkennen, genügt. Die Situation von 2015 wird im Gedächtnis sofort
wieder wach, die Wucht, mit der die Fluchtbewegung übers Mittelmeer
einsetzte und die bald dann behaupteten falschen, Tatsachen verdrehenden
Beschreibungen und Deutungen.
## Im Deutschen Pavillon
Man kann sie im Bild der riesigen Staumauer festmachen, wie es Natascha
Süder Happelmann im Deutschen Pavillon tut. Das Bauwerk will wohl Kritik
an der missbräuchlich verwendeten Metapher üben, gibt ihr aber doch vor
allem ihren monumentalen Auftritt.
Und dabei fängt es so vielversprechend an, betritt man den Pavillon durch
den Seiteneingang. Denn da zwitschert, säuselt, summt und tönt es ganz
unwiderstehlich aus Lautsprechern, festgemacht am Metallgestänge eines
raumfüllenden Gerüsts. Je nach dem Weg, den man durch die Konstruktion
sucht, klingt es anders und schnell ist man verführt durch das Gestänge
quasi zu tanzen.
Dann trifft man auf ein Ensemble von Steinen, in der Art wie jener, den die
Künstlerin sich über den Kopf stülpt, worüber in den letzten Monaten und
Wochen viel gesprochen und geschrieben wurde. Viel diskutiert wurde auch
ihr Name, der durch Autokorrekturen des Computers wie Falschschreibungen
von [2][Natascha Sadr Haghighian] durch Behörden entstanden ist.
## Solidarität ist ihr Thema in Venedig
Aber jetzt liegen die Steine ganz ruhig, und die gesellschaftspolitischen
Fragen nach Identität, nach Autorschaft und Markentauglichkeit gehören zur
Debatte im Vorfeld.
Der Sound ist ein Gemeinschaftsprojekt mit einer Reihe von MusikerInnen.
Gemeinschaft, Solidarität ist denn auch das Thema, dem die Künstlerin in
Venedig nachgeht. Was ist überhaupt möglich, wo sich Europa gegen die
Migranten abschottet und das Eigene hoch- und gegenüber dem Anderen,
Fremden dicht hält? Eine gute Frage, doch leider stößt man da auf den
Staudamm gegen die Migrantenflut und sieht ein kleines Rinnsal aus der
Mauer sickern und weiß, jetzt ist es schiefgegangen.
9 May 2019
## LINKS
[1] https://www.labiennale.org/en
[2] /Deutschland-auf-der-Biennale-von-Venedig/!5550338
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Bildende Künstler
Biennale Venedig
Deutscher Pavillion
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Migration
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